Prix SIA: Von der Äs­the­tik zur Ethik

Mit dem «Prix SIA» würdigt der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein SIA Projekte, die zu einer nachhaltigen Gestaltung ­unseres Lebensraums beitragen. Urs Rieder, Co-Präsident ad interim und Beirat des Prix SIA, über die neue Auszeichnung.

Publikationsdatum
10-07-2023

SIA: Herr Rieder, Sie sind Co-Präsident ad interim des SIA und im Beirat des neuen Preises. Es gibt bereits zahlreiche Auszeichnungen im Baubereich. Warum braucht es jetzt eine weitere?

Urs Rieder: Das stimmt, es gibt viele Preise. Aber so etwas wie den «Prix SIA – Die Schweizer Auszeichnung für eine nachhaltige Gestaltung unseres Lebensraums» gibt es bisher nicht. Es braucht ihn, weil er ein «thinking outside the box» fördert und einen wichtigen Diskurs lanciert. Um den Herausforderungen unserer Zeit effektiv zu begegnen, müssen wir aus bewährten Denkmustern ausbrechen. Wir wollen innovative und mutige Projekte zeigen. Auch solche, die durch neuartige, unkonventionelle Arbeitsprozesse entstanden sind. Wir brauchen ein umfassendes Verständnis von Nachhaltigkeit, das ökologische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Aspekte berücksichtigt. Wir werden Projekte aus dem Planungs- und Baubereich vorstellen, diskutieren und auszeichnen, die immer den grossen Kontext mitdenken und Probleme nicht isoliert betrachten, sondern mit Weitblick und aus unterschiedlichen Perspektiven. Es geht zum Beispiel um Projekte, die Fragen der Ästhetik mit Fragen der Ethik verbinden. Letztlich geht es immer um eine hohe Baukultur.

Wieso lanciert der SIA gerade jetzt diesen Preis?

Ich sehe viele SIA-Mitglieder, die in den vergangenen Jahren wegweisende Projekte realisiert haben, die leider ausserhalb der Fachwelt zu wenig bekannt sind. Der Prix SIA ist eine Plattform, ein Angebot für Arbeiten, die «state of the art» im Baubereich sind. Solche Fallbeispiele zeigen, was heute alles möglich ist, um den notwendigen Wandel herbeizuführen. Mit diesen hervorragenden Projekten wollen wir überzeugen, weil die Baubranche noch einen weiten Weg zu gehen hat bezüglich Nachhaltigkeit. Wir sind heute sensibilisierter, aber viele Inves­toren bauen aus Bequemlichkeit, kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteilen oder mangels besseren Wissens noch immer ähnlich wie vor 20 oder 30 Jahren. Nachhaltige Lösungen wenden sie zwar in Details erfolgreich an, aber sie haben eine grundsätzliche Haltung zur Nachhaltigkeit noch nicht verinnerlicht.

Wer soll diese Arbeiten beim Prix SIA eingeben?

Wir hoffen auf zahlreiche Eingaben aus unterschiedlichen Fachgebieten im Baubereich. Eine neuartige technische Innovation könnte genauso eine Auszeichnung erhalten wie ein wegweisendes Infrastrukturprojekt, ein geniales Arbeitsinstrument oder ein ge­lungenes Architekturprojekt. Die Eingaben können ab Ende Juli direkt auf www.prixsia.ch hoch­geladen werden.

Das scheint alles sehr komplex. Wie wollen Sie solch unterschied­liche Projekte fair bewerten?

Zum einen leisten wir uns eine zehnköpfige, fachlich sehr breit aufgestellte Jury. Die Jurymitglieder sind ausgewiesene Spezialistinnen und Spezialisten im Bereich Nachhaltigkeit – alle auf ihren jeweiligen Fachgebieten. Sie stellen sich und das vom SIA mitentwickelte «Davos Qualitätssystem für Baukultur» auf der Website vor. Die Jury wird alle Eingaben mithilfe dieses Systems beurteilen. Denn eine hohe Baukultur ist per se nachhaltig. Oder anders formuliert: Gute Qualität hält einfach und ist schon darum nachhaltiger.

Wie wird die Auszeichnung im Detail ablaufen?

Die Jury wird eine Shortlist mit sechs bis neun Projekten erstellen, die anschliessend in öffentlichen sogenannten «Prix SIA Talks» erläutert und auch kritisch diskutiert werden. Ich erwarte sehr viel von den interdisziplinären Gesprächsrunden. Wir wollen mit diesen einen Diskurs anregen, der auch nach der Auszeichnung weitergeführt wird. Planende, aber auch Politik, Bauwirtschafts-­Keyplayer, Bauwillige und weitere Kreise sollen aber nicht nur angeregt werden, weiter zu diskutieren, sondern möglichst auch inspiriert werden, entsprechend zu handeln, also beim Projektieren und Bauen selbst mehr zu wagen.

Was gibt es denn zu gewinnen?

Zu gewinnen gibt es vor allem Renommee und mediale Aufmerksamkeit. Wir sind überzeugt, dass auch ohne Preisgelder die besten Projekte eingegeben werden. Wir zeichnen am Ende auch nicht einen Gewinner oder eine Gewinnerin aus. Wir prämieren Projekte, hinter denen ein Team steht. Die Jury hat die Aufgabe, deren drei auszuzeichnen. Mit der Auszeichnung will man nicht nur das Fachpublikum erreichen, sondern auch eine breitere Öffentlichkeit, weshalb das Publikum ebenfalls ein Projekt auszeichnet. Ich freue mich schon auf die öffentliche Preisverleihung im Mai 2024. Im Moment bin ich allerdings auch sehr gespannt, welche Projekte eingegeben werden.

Alle Infos zum Prix SIA auf prixsia.ch

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