Bun­ker, Brü­cken und Be­stand

Vorhandene Bauten in neue Projekte einzubeziehen gehört zu den ­interessantesten Aufgabenstellungen, sind doch, vor allem wenn noch kein Denk­­malschutz besteht, allerlei Varianten in der Planung möglich. ­Entsprechend vielfältig fielen die gekürten studentischen Arbeiten des FEB-­Preises 2020 der SIA-Fachgruppe für die Erhaltung von Bauwerken aus.

Publikationsdatum
28-01-2021

Beim Umgang mit Bestandsbauten scheiden sich oft die Geister. Abreissen und Ersatzneubauen, Umnutzen, Weiternutzen und Instandsetzen sind oft widersprüchliche Optionen, die alle möglich sind. Manchmal stellen sich diese Fragen aber auch nicht, etwa wenn eine Überprüfung ergibt, dass die Bauwerke noch funktionstüchtig sind, oder wenn der Bestand so massiv umgesetzt ist, dass ein Abriss kaum in Betracht kommt. Solche und andere Varianten zeigte der FEB-Preis 2020 auf. Alles kann möglich sein – die Gedanken sind frei.

Das neue Gold im Bunker

U-Boote im Zweiten Weltkrieg und atlantische Unterseekabel haben eines gemeinsam: Sie versuchten, auf möglichst schnellem Weg in den Atlantik zu kommen. Die geogra­fische Nähe zum Hafen in Bor­de­aux und zu Kabeltrassen brachten Mathias Gommier (EPFL) auf die Idee, einen praktisch nicht rückbaubaren U-Boot-Bunker – die Betondeckenstärke beträgt 5.6 m – in ein Datensicherungszentrum umzufunk­tio­nieren. Oberhalb des Wassers ordnet er die Server an. Zur Kühlung der Serveranlagen soll das Meer beitragen. Ob das in der salzhaltigen Luft funktioniert, ist zu prüfen, allein die Idee bleibt ­faszinierend – jede Generation schützt, was ihr heilig ist. Im Zeitalter von Cyberattacken und Datenklau ein interessanter Ansatz.

Obendrauf, zwischendrin

Eine ganze Siedlung aus den 1960er-Jahren bearbeitete André Cyril (ZHAW). Die Siedlung Georg Kempf in Zürich ­Affoltern wird dabei nicht nur mit neuen Gebäuden ergänzt, auch Bestandsbauten erfahren eine Aufstockung und die grünen Zwischenräume eine Aufwertung von reinen Durchquerungen hin zu Flächen mit Aufenthaltsqualität. Damit wird nicht nur einer willkommenen Nachverdichtung Rechnung getragen, auch die Anordnung der verschieden hohen Wohnhäuser setzt neue architektonische Akzente.

Alte Alp neu arrangiert

Einer aufgelassenen Alp zu neuem Leben zu verhelfen – dieser Aufgabe stellte sich Selina Gioana Putzi (ZHAW). Auf der Alp Avena im Bündner Safiental plante sie auf Grundlage baulicher Überreste aus dem Mittelalter neue Gebäude: Zimmer für Wanderer und Sennen und eine Sennerei. So entstehen Alpgebäude, die heutigen Anforderungen behutsam gerecht werden. Man möchte gleich die Wanderstiefel schnüren.

Überprüfte Historie

Die SBB werden ihre Freude an den Arbeiten von Diego Gurten und Gian-­­Luca Stecher haben. Die beiden HSLU-­Studenten überprüften die Göschenenreussbrücken rechnerisch auf ihre Tragsicherheit. Die zweifeldrige Steinbogenbrücke von 1919 und die Betonbogenbrücke von 1957 können aus statischer Sicht auch die heutigen erhöhten Anforderungen des Schienenverkehrs erfüllen. Ein perfektes Ergebnis für die Betreiberin.

Schau und Spiel

Das Schauspielhaus Pfauen in Zürich weist aus heutiger Sicht organisatorische und räumliche Mängel auf (vgl. TEC21 13–14/2020). Isabelle Richner (ETH Zürich) nahm sich der Sache an, griff in den Bestand ein, kreierte neue Sichtbezüge und ging geschickt mit neuen, sich ergebenden Zusatzvolumen um. Der geschichtsträchtige Saal wird belassen, dafür sorgt eine Glashaut für Einblicke in ansonsten versteckte Aktivitäten. So lässt sich Theaterleben erleben.

Schul-Werkstatt

Aus drei Hallen, in denen E-Loks gewartet wurden, eine Schule zu erstellen, in der Schüler fit gemacht werden – dieser Aufgabe widmete sich Michael Steiger (ZHAW). Raffiniert nutzte er eine alte Kranbahnhalle auf dem SBB-Areal Neugasse in Zürich (vgl. Sonderheft «SBB-Areale: vom Betrieb zur Stadt», 2018), um das Tragwerk eines dreistöckigen Schulhauses darauf abzustimmen. Der Aufgabenstellung «Bau­teilrecycling» trägt er mit der Entwicklung eines Baukastensystems für eine spätere Nutzung der Materialien Rechnung.

Welches Denkmal schützen?

St. Bonifaz in München, ein Kloster aus dem 19. Jahrhundert, erlitt im Zweiten Weltkrieg schwere Bombentreffer. Hans Döllgast (1891–1974) baute die Kirche 1950 wieder auf, jedoch so, dass die zerstörten Teile nachvollziehbar blieben. Was ist nun schützenswert – die ursprüngliche Umsetzung, oder zählt der Wie­der­aufbau schon als Denkmal? ­David Hoffert, Nina Mosca und Alexandre Tiarri (EPFL) setzten sich ausführlich mit dem Döllgast’schen Ansatz auseinander und planten auch eine allfällige Erweiterung der Anlage um eine Bibliothek.

Jury FEB-Preis 2020

Theresia Gürtler Berger (†), Architektin, Zürich
Norbert Föhn, Architekt, Zürich
Cornelia Pauletti, Architektin, Zürich
Urs Rinklef, Architekt, Zürich
Oliver Gassner, Bauingenieur, Winterthur
Alois Diethelm, Architekt, Zürich
Rolf Schaffner, Architekt, Zürich

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