«Noch gibt es gros­se Wis­sens­lü­cken»

Mit der Realisierung der Energiestrategie 2050 sind grosse Anstrengungen in der Forschung erforderlich. Walter Steinmann, Direktor Bundesamt für Energie, erläutert die Vorstellungen seines Amts und die Rolle der Hochschulen.

Publikationsdatum
07-01-2015
Revision
01-09-2015

Wo sind in den nächsten Jahren noch vielversprechende Fortschritte in der Grundlagen- und in der angewandten Forschung zu erwarten 
Steinmann: Da gibt es viele Forschungsgebiete, die teils heute schon vielversprechende Resultate liefern. Dazu gehören sicher die Energiespeicherung, die weitere Verbesserung der Technologien für die erneuerbare Energieproduktion oder auch die sogenannten «smarten» Technologien, die für die optimale Vernetzung und Steuerung der Energieflüsse und des Energieverbrauchs sorgen werden.

In welchen Bereichen wird das BFE die Forschung und die Unterstützung von P+D-Projekten ausbauen bzw. reduzieren 
Die Forschung im Energiebereich verhält sich glücklicherweise fast von sich aus marktgetrieben. Die spannenden Forschungsgebiete sind nämlich gleichzeitig auch diejenigen, für die der Markt Lösungen sucht. Das widerspiegelt sich auch im Energieforschungskonzept des Bundes, das als Planungsinstrument für Schwerpunkte der Forschungsförderung dient. Das Konzept definiert für die Periode 2013-2016 folgende Schwerpunkte: Wohnen und Arbeiten der Zukunft, Mobilität der Zukunft, Energiesysteme der Zukunft und Prozesse der Zukunft. Die Forscher können ihre Schlüsselthemen aufgrund dieser stark systemorientierten Schwerpunkte «top-down» herleiten. Die P+D-Projekte orientieren sich dabei laufend an den Erkenntnissen aus der Forschung und der Nachfrage im Markt. 

Wie sieht die Rollenverteilung bezüglich der Forschung in den Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER) und der vom BFE finanzierten Forschung aus 
Sowohl die SCCER als auch die BFE-Energieforschung sind auf die Zielsetzungen der Energiestrategie 2050 ausgerichtet. Die SCCER fokussieren auf einzelne Themen, zum Beispiel Effizienz, Netze, Energiesysteme oder Speicherung, und vernetzen die Kompetenzen der beteiligten Forschungsinstitutionen. Die SCCER decken die gesamte Forschungskette ab, von der Grundlagenforschung über die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung bis hin zum Transfer der Forschungsresultate in den Markt. Das BFE finanziert Forschungs-, Pilot-, Demonstrations- und Leuchtturmprojekte und nimmt damit eine Koordinationsfunktion ein zwischen der nationalen öffentlichen und privaten Forschung. Es stellt auch die internationale Einbettung der Schweizer Forschenden in das internationale Umfeld sicher. Beispielsweise indem sich der Bund an den Implementing Agreements der Internationalen Energieagentur (IEA) beteiligt.

Welche Rolle spielen effektiv die Hochschulen bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050 
Die weltweiten Energieversorgungssysteme sind im Umbruch. Traditionelle Energielieferländer verlieren an Bedeutung, neue Energiequellen wie Schiefergas werden erschlossen, neue Technologien wie die Elektromobilität oder die dezentrale Stromproduktion setzen sich langsam durch, um nur einige der disruptiven Veränderungen zu nennen. Noch gibt es grosse Wissenslücken, um diesen Herausforderungen langfristig erfolgreich zu begegnen. Wir sind also auf die Beiträge der Hochschulen und innovativer Unternehmen angewiesen. Darum hat der Gesetzgeber ja auch die finanziellen Mittel dafür aufgestockt.

Wo sehen sie die grössten Herausforderungen in der Forschung 
Die Herausforderung ist, die Forschungsresultate auch in den Markt zu bringen. Hier gilt es einerseits den Technologietransfer optimal zu unterstützen, aber auch das Risiko innovativer Unternehmen und Erstanwender mitzutragen, bis sich eine Technologie in der Breite durchsetzen kann. Es braucht gewisse Anreize, damit Investitionen in junge Technologien erfolgen und möglicherweise braucht es dazu auch neue Förderinstrumente. Das muss nicht zwingend ein finanzieller Beitrag sein, oft sind Hilfestellungen beispielsweise im Patentwesen oder im Rahmen der Exportförderung viel wirkungsvoller.

Wie sieht es qualitativ und quantitativ bezüglich der erforderlichen Fachleute aus? Genügen die heutigen Ausbildungen 
Ganz klar, es fehlen Fachleute. Doch im Bildungsbereich bewegt sich Vieles dank der Initiativen von Verbänden, Bildungsorganisationen und Hochschulen, die vom Bund unterstützt werden. Der Handlungsbedarf ist erkannt, Energie als Systemthema fliesst nicht nur vermehrt in die Berufsbildung sondern auch in die Lehrgänge an den Hochschulen ein. Um diese erfreuliche Entwicklung zu unterstützen, hat Bundesrätin Leuthard 2014 eine Bildungsinitiative gestartet, die mit 7 Millionen Franken bis 2020 ausgestattet ist. Sie zielt darauf ab, aktuelle Schulungsunterlagen für die verschiedenen Branchen bereitzustellen. Zudem sollen Jugendliche motiviert werden, eine Berufsausbildung in der Energiebranche zu wählen.

Welche Chancen bieten sich im Bereich Weiterbildungen 
Viele KMU im Gebäudebereich, Bau oder Gebäudetechnik, oder auch aus elektrotechnischen Branchen brauchen Fachleute, die sie teils nur noch im Ausland rekrutieren können. Abhilfe schaffen soll einerseits der Ausbau der Ausbildungsangebote aber auch der Weiterbildung. Beispielsweise mit Umschulungsangeboten für Quereinsteiger, so genannten Passerellen. Informationen dazu gibt es auf energieschweiz.ch.

Walter Steinmann
Seit 2001 zeichnet Dr. Walter Steinmann (63) als Direktor des Bundesamtes für Energie (BFE) verantwortlich. Nach dem Studium der Volkswirtschaft an der Uni Zürich promovierte er zum Dr. rer. sc. und übte diverse wissenschaftliche Tätigkeiten aus. Von 1981 bis 1994 wirkte er vorerst für die Wirtschaftsförderung des Kantons Basel-Landschaft und danach für den Kanton Solothurn. Von 1994 bis 2001 arbeitete Walter Steinmann als Chef des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Solothurn. Er ist Mitglied des Governing Boards der Internationalen Energieagentur IEA (Paris) und der Internationalen Atomenergieagentur (Wien). Zudem präsidiert er das Forum «European Energy Award» (Berlin). 

Hinweis: Walter Steinmann spricht im Rahmen des 11. ZIG-Planerseminar vom 25. März 2015 (13.30 -17.30 Uhr) an der Hochschule Luzern (HSLU). Die Tagung bietet ein breites Spektrum an Referaten zu Themen im Bereich der Gebäudetechnik und den erneuerbaren Energien.
Namhafte Referenten aus dem In- und Ausland sind auch Walter Steinlin (Präsident KTI), Prof. Dr. Ing. Karsten Voss (Bergische Universität Wuppertal), Dr. Ulrich Pont (TU Wien) und Prof. Dr. Axel Seerig (HSLU).

 

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