Neues Feingefühl für Permanenz
Am Basler Aeschenplatz überführen Staufer & Hasler Architekten zusammen mit Graser Troxler Architekten die Megastruktur eines ehemaligen Bankgebäudes in eine neue Nutzungsära. Das Gewinnerteam überzeugt mit überraschend einfachen Eingriffen und viel Respekt vor dem Bestand.
Umnutzung Aeschenplatz 6, Basel
Einstufiger Studienauftrag im selektiven Verfahren. Nicht anonymisiert, im Dialog.
Wer den Bahnhof Basel SBB durch das Nordostportal verlässt und dem Aeschengraben folgt, trifft unweigerlich auf den Aeschenplatz. Hier brummt der Verkehr: Autos, Velofahrerinnen und Fussgänger, drei Bus- und zehn Tramlinien kreuzen sich auf den zahlreichen Fahrspuren. Rund um den Platz gruppieren sich Banken und Versicherungen – das Basler Pendent zum geschäftigen Zürcher Paradeplatz. Von klassizistischen Bauten bis zu modernen Gebäuden mit Flugdächern: Die Fassadengestaltung am Aeschenplatz ist ein Sammelsurium von Stilepochen. An der Kreuzung vom Aeschengraben und der St. Jakobs-Strasse steht der prominente Halbkreisbau von Mario Botta, etwas weiter der «Hammering Man» des amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky von 1989. Das 8 t schwere Kunstwerk hämmert mit symbolischer Bewegung gegen das ehemalige Bankgebäude von Burckhardt Architekten, das mit seiner 150 m langen postmodernen Fassade den Stadtraum prägt. Da die gut erhaltene Gebäudehülle nicht mehr den heutigen bauphysikalischen Standards entspricht, konnten die Wettbewerbsteilnehmenden einen neuen Ausdruck entwickeln.
Bis zum Auszug der Grossbank UBS im Juni 2022 durften nur Befugte das Areal betreten, künftig sollen der Bau und seine Freiräume dem Wohnen, Arbeiten und der Freizeitgestaltung dienen. In zwei Machbarkeitsstudien untersuchten 2020 Morger Partner Architekten und 2022 Herzog & de Meuron, was aus dem fast zwei Fussballfelder grossen Areal werden könnte.
Kann der hochspezialisierte, abweisende Bestand mit neuen Nutzungen funktionieren und sich mit dem städtischen Umfeld vernetzen? Die Tragstruktur ist in gutem Zustand, aus statischer Sicht spricht also nichts dagegen. Der Entscheid, den Bestand zu erhalten, war mehr als nur ein «Ja» zu mehr Nachhaltigkeit: Die Auslobenden sehen das Gebäude als «graue Energie, die auf eine kulturelle Art in unserer Stadt eingelagert ist».
Gebaut, um zu bleiben
Die Planergemeinschaft Staufer & Hasler Architekten mit Graser Troxler Architekten und dem Landschaftsarchitekten Maurus Schifferli überzeugte mit ihrem stringenten Beitrag «In den Gärten». Das Gewinnerteam nimmt die Auslobenden beim Wort: Das bestehende Volumen bleibt. Auf strukturelle Eingriffe wird verzichtet. Mit der flächigen dreigeschossigen Aufstockung wird das ehemalige Bankgebäude zu einem wohlproportionierten Hybridbau. Im Erdgeschoss aktivieren publikumswirksame Nutzungen die Arkaden. Der Stadtraum wird dadurch neu als Sequenz erlebt und der Bau in sozialer Hinsicht im Kontext verankert.
Mit einem Hauch von Nostalgie erhalten die Architektinnen und Architekten das zentrale Schmuckstück, das gläserne Foyer, und verwandeln den postmodernen Glastrichter mit viel Liebe in ein «Palmenhaus». Ein lebendiger Begegnungsraum, der zusammen mit der «rue intérieure» verschiedene Nutzungen miteinander verknüpft. Früher bezog sich das Gebäude durch seine monumentale Hauptfassade klar auf den Aeschenplatz, die Rückseite war zweitrangig. Das Projekt «In den Gärten» entwickelt die Figur weiter und sucht den Anschluss an das benachbarte Blockrandfragment, die Rückseite wird durch neu angedockte Aussenräume belebt.
Der eingeschossige «Schweif» soll die Untergeschosse erschliessen und den Gartenhof fassen – die Idee konnte die Jury aber weder aus städtebaulicher noch aus nutzerorientierter Sicht überzeugen. Der «Quartierlink» dagegen verbindet das angrenzende Viertel mit dem Aeschenplatz und schafft eine neue Durchlässigkeit. Der Gartenhof ist in verschiedene Öffentlichkeitsebenen abgestuft. Davon versprechen sich die Architektinnen und Architekten funktionale und atmosphärisch starke Aussenräume. Die begrünten Kaskadenflächen erinnern durch den Wettbewerbstext etwas an die hängenden Gärten der Semiramis in Babylon. Einzig die Tiefgarageneinfahrt trübt die Idylle, worüber auch deren Tarnung als Freilichtbühne nicht hinwegtäuschen kann.
Und obwohl auch der Fassadenausdruck noch einer Überarbeitung bedarf, zeigt der Beitrag von Staufer & Hasler Architekten und Graser Troxler Architekten, dass auch eine sperrige Megastruktur trotz minimaler Abbrüche mit einem neuen Nutzerkaleidoskop funktionieren kann.
Hecken an jeder Ecke
Das Team um Herzog & de Meuron lotet die Möglichkeiten des Bestands aus Sicht der Jury sorgfältig aus und dekliniert das klimagerechte Bauen akribisch durch. «Verwenden & Verwandeln» begreift das bestehende Gebäude als Steinbruch. Mit gezielten Eingriffen verwandeln die Architekturschaffenden den introvertierten Koloss in einen offenen Stadtbaustein.
Doch insgesamt geht viel Identität verloren: Das markante Glasportal gehört zu den 19.5 % des Bestands, die abgerissen werden sollen. Eine kurze Kopfrechnung verdeutlicht das Problem: Bei einer bestehenden Geschossfläche von etwas mehr als 19 000 m² entspricht der Abbruchanteil rund 3800 m². Neu kommen beinahe 32 000 m² Geschossfläche in Form von Aufstockungen und Neubauten hinzu – also fast das Doppelte. Neben dem Verhältnis von Alt und Neu sei aber auch der Massstab der neuen Dachlandschaft fragwürdig, resümierte die Jury.
Zum Aeschenplatz hin überzeugt der Entwurf: Die Promenade entwickelt sich aus dem Bestand und das «Arboretum» wird durch weitere Bäume ergänzt. Die Fassadenbegrünung wird als neues Thema eingeführt. Im rückwärtigen Bereich lösen die Projektverfassenden die bestehende Struktur unglücklicherweise komplett auf und setzen fragmentierte Neubauten. Das vorhandene räumliche Gefäss, das das Siegerteam zu seinem Vorteil nutzte, geht hier verloren. Die verstreuten Volumen führen zu kleinen Zwischenräumen, die sich nicht mit der Massivität des Hauptbaus vereinen lassen; die allgegenwärtigen Hecken verstärken den privaten Charakter.
Obwohl die Jury den Lösungsansatz als «bereichernd und teilweise sogar als hervorragend» bewertete, konnte die architektonische Überformung nicht überzeugen.
Erzwungene Identität
Duplex Architekten «brechen den Bestand wie einen Felsen auf»: Zugunsten von mehreren kleinen Höfen auf verschiedenen Ebenen lösen sie den bestehenden Bau mit grossen Eingriffen auf. Das Wechselspiel von Volumen und Zwischenräumen führe zu «spannungsvollen, aber komplexen Raumfolgen mit differenzierten Freiraumangeboten», so die Jury. Zu komplex: Die Durchwegung über Rampen und Treppen ist unübersichtlich und verhindert paradoxerweise die gewünschte öffentliche Nutzung. Hier wurde ein Raumkonzept auf Biegen und Brechen durchgesetzt und dem Bestand übergestülpt, ohne den städtebaulichen Kontext zu berücksichtigen. Auch die Fassadengestaltung löste bei der Jury Zweifel aus: Das ehemalige Bankgebäude erscheint im neuen Gewand wie ein Neubau.
Das Siegerteam um Staufer & Hasler Architekten und Graser Troxler Architekten zitiert im Wettbewerbsbeitrag den österreichischen Architekten Hermann Czech, der in «Zur Abwechslung – das Vorhandene» von 1989 Folgendes schrieb: «Die Stadt ist eine gewaltige Masse, der wir nur Kleinigkeiten hinzufügen können. Die Stadt entsteht vielmehr durch Erkenntnis als Veränderungen.» Und genau diese Erkenntnis führt am Aeschenplatz 6 in Basel zu einem Projekt, das mit einfachen Eingriffen eine Selbstverständlichkeit an den Tag legt, die ihresgleichen sucht.
Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 1/2024 «Häuser im Hinterhof».
-> Jurybericht auf competitions.espazium.ch.
Teilnehmende
Siegerprojekt: «In den Gärten»
ARGE Staufer & Hasler Architekten, Frauenfeld / Graser Troxler Architekten, Zürich; Maurus Schifferli, Landschaftsarchitekt, Bern; Büeler Fischli Bauingenieure, Ibach; Christian Meier, Energie und Nachhaltigkeit, St. Gallen
Team 2: «Verwenden & Verwandeln»
Herzog & de Meuron, Basel; Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich; Schnetzer Puskas Ingenieure, Zürich; Brücker + Ernst, Luzern
Team 3: «Terre Ou-verte»
Duplex Architekten, Zürich; Westpol Landschaftsarchitektur, Basel; dsp Ingenieure + Planer, Uster; Durable Planung und Beratung, Zürich
Team 4: «Unbekannt»
ARGE Carmody Groarke, London / Rapp, Basel; J&L Gibbons, London; ZPF Structure, Basel; Amstein + Walthert, Zürich
Team 5: «Belle, Bulle & Rebelle»
Buchner Bründler Architekten, Basel; Fontana Landschaftsarchitektur, Basel; WMM Ingenieure, Münchenstein; Durable Planung und Beratung, Zürich; Bogenschütz, Basel; Quantum Brandschutz, Basel
Team 6: «Unbekannt»
Christ & Gantenbein, Basel; August + Margrith Künzel Landschaftsarchitekten, Binningen; Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich; Zirkular, Basel; PPEngineering, Basel; Aegerter & Dr. O. Bosshardt, Basel; Eicher + Pauli, Liestal; IBG Engineering, Winterthur
Team 7: «Unbekannt»
Sauerbruch Hutton, Berlin; Mettler Landschaftsarchitektur, Gossau; wlw Bauingenieure, Sursee; Lenum, Vaduz; Amstein + Walthert, Zürich; A sparkle of silence, Meilen
Fachjury
Dominique Salathé, Architekt, Basel (Vorsitz); Wim Eckert, Architekt, Zürich; Paola Maranta, Architektin, Basel; Anja Beer, Architektin, Basel; Rita Illien, Landschaftsarchitektin, Zürich; Michael Koch, Architekt, Basel; Ursula Hürzeler, Architektin, Basel (Ersatz)
Sachjury
Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister, Kanton Basel-Stadt; Arthur Onyeali, Bauherrschaft, Seraina Invest; Othmar Ulrich, Projektentwickler, Steiner; Jürg Degen, Leiter Städtebau, Kanton Basel-Stadt (Ersatz); Roman Pechlaner, Bauherrschaft, Seraina Invest (Ersatz); Stefan Gabriel, Projektentwickler, Steiner (Ersatz)