Muss es doch die Tech­nik rich­ten?

Architekten, Energieingenieure und Gebäudeforscher setzen in ihrem Berufsalltag zur Energiewende an. Als gemeinsamer Nenner zeichnet sich eine CO2-Reduktion durch lokale Eigenversorgung ab. Das verdeutlichte ein Planerseminar an der Hochschule Luzern.

Publikationsdatum
24-03-2021

Vor zehn Jahren verursachte ein Tsunami die Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima und löste ein bis hierhin spürbares energiepolitisches Erdbeben aus. Inzwischen hiess das Schweizer Stimmvolk eine Energiestrategie gut, die die Wende zum Guten weisen soll: mit einem endgültigen Ausstieg aus der Kernkraft und einer deutlichen Reduktion des Energiekonsums. Nicht zu vergessen ist, dass die Ziele im Klimaschutz ebenso dringlich zu erfüllen sind.

Es herrscht viel Druck zur Veränderung, dem auch der Gebäudebereich ausgesetzt ist. Neue und alte Häuser werden zunehmend daran gemessen, wie dienlich sie der Energiewende sind. Entweder sie benötigen selbst fast keine Energie mehr zum Heizen, oder sie erzeugen mithilfe lokaler Ressourcen ausreichend Wärme und Strom für sich und die Nutzer. Für den ersten Fall brauche es weniger Technik als für den Ausbau der Energieproduktion, lautet eine gängige These.

Plusenergiequartiere als Vorschlag

Die meisten Kantone bereiten zwar neue Energiegesetze vor; dennoch bleiben viele Fragen zur konkreten Umsetzung offen. Urs-Thomas Gerber, Gebäudeplaner bei CSD Ingenieure, fühlt sich dadurch nicht überfordert. Im Gegenteil: «Spannend an der nationalen Energiestrategie ist, wie ganz unterschiedliche Lösungsansätze möglich sind.»

In seinem Referat am diesjährigen Planerseminar des Instituts für Gebäudetechnik und Energie (IGE) der Hochschule Luzern schlug er dazu das «Plusenergiequartier» vor. Darunter ist folgendes zu verstehen: Mehrere Gebäude decken ihren Energiebedarf - für Beleuchtung, Gebäudetechnik, Raumklima und Warmwasser – gemeinsam mit Ressourcen vor Ort, «insbesondere dank der Sonne und von Umgebungswärme», so Gerber.

Dabei seien neue Technologien wie die Elektromobilität oder die Energiespeicherung lokal einzubinden. Im Gegenzug ermögliche der Quartiermassstab mehr Flexibilität. Weil das Plusenergiekonzept als Ganzes aufgehen muss, können einzelne Gebäude jeweils davon abweichen; «wenn sie zum Beispiel instandgesetzt werden müssen», sagt Urs-Thomas Gerber.

Konflikt mit Denkmalschutz

Mit dem Produzieren von Energie am Haus beschäftigt sich auch der Zürcher Architekt Guido Honegger. Hierbei stösst er auf Zielkonflikte und gegensätzliche Ansprüche insbesondere bei der Denkmalpflege. Die Solarenergie müsste gemäss den nationalen Ausbauzielen auf jedem zweiten Haus in der Schweiz genutzt werden können. Die Baukultur sieht Honegger deswegen jedoch nicht in Gefahr.

«Der Anteil der Baudenkmäler am Siedlungsbestand ist so gering; man kann hier getrost auf solare Installationen verzichten.» Dass einiges einiges machbar wäre, zeigte der Geschäftsleiter des Architekturbüros Vera Gloor am IGE-Seminar anschaulich auf. In seinem Referat präsentierte er eine Dachaufstockung innerhalb eines städtischen Blockrands in Zürich.

«Auch die Denkmalpflege begrüsst Solaranlagen, wenn diese gestalterisch optimal integriert sind.» Insofern lassen sich die vielen Kreise, die sich mit dem Gebäudebereich beruflich auseinandersetzen, kaum mehr auseinanderdividieren: «Die CO2-Reduktion ist unser gemeinsamer Nenner», so Honegger.

Autarke Versorgung kaum machbar

Aber was braucht es noch für eine Dekarbonisierung bis zur Netto-Null-Emissionsbilanz? Sieben Jahre hat Matthias Sulzer diese Frage als Leiter eines Kompetenzzentrums für Energieforschung untersucht. Sein Bild, wie das gelingen soll, sei zwar klarer geworden. Trotzdem fiel seine Antwort am Onlineseminar der Hochschule Luzern mehrdeutig aus: «Noch immer ist zwischen mehr Energieeffizienz und mehr erneuerbarer Energie abzuwägen.»

Im städtischen Siedlungsumfeld braucht es zwar beides; aber umso besser sind Energiebedarf und Energieversorgung aufeinander abzustimmen, sagt Sulzer. Einzig in Bezug auf die Swissness nahm er deutlich Stellung: «Eine autarke Energieversorgung im Inland wird kaum funktionieren»; es brauche vielmehr eine Aufteilung von Produktion und Speicherung auf unterschiedlichen Massstäben.

Obwohl die mehrjährigen Forschungsarbeiten Dutzende neuer Ideen, Patente und Spinoffunternehmen hervorgebracht hätten, erkennt der Gebäudetechnikprofessor ein Manko für die weitere Entwicklung. «Der Bausektor kennt sich mit Forschung zu wenig aus und ist stark reguliert, was die Markteinführung von Innovationen erschwert.»

Eine ähnliche Prognose gibt auch das Fachpublikum zur Energiezukunft ab: In einer Kurzumfrage zum Seminarabschluss gab eine grosse Mehrheit an, sie vertraue auf vorhandene Lösungen. Die Herausforderung, die vor zehn Jahren in Angriff genommene Energiewende zu schaffen, liege primär in der Umsetzung.

Verwandte Beiträge