Le­ben­di­ge In­nen­städ­te ge­stal­ten

Die deutsche Bundesstiftung Baukultur hat anstelle des geplanten Konvents, das ins nächste Jahr verschoben werden musste, eine vielseitige Online-Debatte organisiert. Die Referate drehten sich um politische Hebel und Fragen des korrekten Umgangs mit Immobilien. Stellvertretend für die zahlreichen Themen hier ein Blick auf den Diskussionsblock zur lebendigen Innenstadt.

Publikationsdatum
08-06-2021

Das zentrale Problem, das es zu lösen gilt, ist der Leerstand vormals vom Einzelhandel genutzter Räume. Aufgrund ihres hohen Werts ist es nicht im Interesse der Besitzenden, allein auf nachbarschaftliche und quartierfördernde Organisationen oder Start-ups für eine weitere Nutzung zu setzen, da diese kaum in der Lage sind, die geforderten Preise zu bezahlen. Dennoch ist die soziale Komponente der Stadträume als konsumfreies Angebot an Bewohner und Besucherinnen bedeutsam für eine Durchmischung.

Um diese zu erhalten, ist die Rückkehr produzierender Betriebe denkbar, die zugleich für den Publikumsverkehr attraktive Angebote machen. Eine Hürde für die innerstädtische Ansiedlung neuer Arbeitsformen stellt im Moment die schwierige Anbindung für Mitarbeitende und Kundschaft, aber auch für Lieferungen und Entsorgung mit dem Auto dar. Bis sich alternative Verkehrsmittel durchsetzen und vor allem ein Umdenken der Gesellschaft greift, wäre eine Erleichterung der Verkehrsführung unter genau geregelten Voraussetzungen und die Freigabe provisorischer Orte für den ruhenden Verkehr eine Zwischenlösung.

Vielfach war es aber zu hören, dass man langfristig um eine Mietpreisbindung, die den kulturell anregenden und kleinteiligen Mix ermöglicht, nicht herumkommen wird. Die Politik ist aufgefordert, die Eigentümerinnen im Sinne des Gemeinwohls einzubinden und ihr Engagement einzufordern.(Tim von Winning, Bürgermeister für Stadtentwicklung, Bau und Umwelt, Stadt Ulm).

Einzelne Projektentwickler sehen in dieser Aufgabe bereits heute einen Mehrwert. Es gelingt ihnen, die Bilanzen in Sachen Ethik und Nachhaltigkeit ebenso positiv ausfallen zu lassen, wie sie ihre Wirtschaftlichkeit unter Beweis stellen. Dafür arbeiten sie mit eigenen Thinktanks zusammen, die neue Wohn- und Arbeitsformen erforschen. So ist in Aachen in einer frei gewordenen Kirche die «Digital Church» entstanden: tagsüber als Arbeitsplatz für Forschende genutzt, bietet sie abends Veranstaltungen Platz.

Gerade Immobilien der Kirche sind oft zentral gelegen und ungenutzt. Ein ähnlicher Gedanke, die Neudefinition eines zentralen Orts, liegt der Entwicklung des Hauptbahnhofs Münster zugrunde, in dem sich über dem funktionalen Erdgeschoss jetzt 300 Wohnungen und ein Hotel befinden. Die dauernde Präsenz der Anwohnenden integriert den Ort in das Stadtleben und verbessert die Atmosphäre. (Norbert Hermanns, Landmarken AG ; Pursuit of Happiness).

Es ist ein vielversprechender Ansatz, ein Milieu an zentralen Bestandsbauten zu entwickeln und damit eine Dynamik auszulösen. Mit einer neuen Art von Kommunität beleben sie die Stadt an Orten, die schon jahrelang als Treffpunkt funktioniert haben und von denen Impulse in die Umgebung ausstrahlen.

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