Krieg in der Schweiz

Zwei neue Ausstellungen im Kunsthaus Langenthal beschäftigen sich mit dunkler Materie: «Black Move» des Künstlerduos Aubry/Mettler mit dem Teer der Firma Ammann. Und «Dancing High Low» von Fabian Chiquet mit lichtscheuen Dancefloors.

Publikationsdatum
13-05-2012
Revision
25-08-2015

Langenthal mag nicht allzu reizend sein, Künstler aber reizt es immer wieder. Schon zahlreiche Kunstschaffende, die ins Kunsthaus Langenthal eingeladen wurden, haben sich mit dem unscheinbaren Ort im Kanton Bern beschäftigt. Am provokativsten sicher Robin Bhattacharya, der in einer Gruppenausstellung ein Hakenkreuz aus Porzellan auslegte und so die lokale Porzellanmanufaktur und den in Langenthal immer wieder für Schlagzeilen sorgenden Neonazismus frech ineinanderfallen liess.

Langenthal ist überall

Ganz so konfrontativ gehen die beiden Westschweizer Künstler Yves Mettler (*1976) und Gilles Aubry (*1973) nicht vor. Auch sie beschäftigten sich aber für ihre Ausstellung intensiv mit der Geschichte Langenthals. Bei ihren Recherchen stiessen sie auf ein Ereignis, das im Langenthal von 1981 für Aufregung sorgte. Damals wurde das Restaurant «Tell» mitten im Ort mit einer gezielten Sprengung abgerissen, wie man aus einem Super-8-Film eines Langenthaler Filmers ersehen kann. Ein Zeitdokument, wie es Künstler heute sehr gerne in ihre manchmal fast wissenschaftlich recherchierten Arbeiten integrieren. Allerdings bekommt man dieses Dokument erst ganz am Schluss des Ausstellungsparcours vorgeführt, weshalb einige vorhergehende Arbeiten sich erst retrospektiv erschliessen. Eine schwarze Projektionswand etwa, in die nur Untertitel und Zitate eingeblendet sind, und eine Tonspur, in der einer der Künstler vom «Krieg in der Schweiz» spricht. Und zwar nicht nur wegen der sauber vorbereiteten Explosionen an den Tragebalken des Restaurants «Tell», sondern auch wegen der damals noch allzeit bereiten Schweizer Armee, die den Abriss des Gebäudes gleich für eine Übung nutzte: die Simulation einer Luftwaffenattacke inklusive vorbeidonnernder Hunter-Jets. Nachdem man den Film gesehen hat, versteht man auch, dass auf der Tonspur ein Gespräch von mehreren Personen aufgezeichnet ist – darunter die Künstler und Raffael Dörig, der neue Leiter des Kunsthaus Langenthal – , die zusammen das historische Dokument anschauen und diskutieren. Dabei verbinden verschiedene Gesprächspartner die amateurhaft gefilmten, aber liebevoll geschnittenen Szenen mit eigenen Erinnerungen aus dieser Zeit. Langenthal ist eben irgendwie überall.
Nicht viel klarer wird beim Rückweg durch den streng linearen Parcours der Bezug zur Langenthaler Firma Ammann, einem Bauausrüster mit Kernkompetenz Strassenbau, dem Johann Schneider-Ammann vor seiner Wahl zum Bundesrat als Verwaltungsratspräsident vorstand. Die Künstler sahen die Firma aber nicht nur von aussen, sondern brachten von Recherchen im Ammann-Labor Kübel mit Bitumenresten ins Kunsthaus, die dort nun Teergeruch verbreiten. Zudem sind die Eimer mit Wörtern beschriftet, die oft in Zusammenhang mit dem englischen Wort «Black» auftauchen, wie «Box» oder «Pearl». Das wiederum ist eine Anspielung auf die Bezeichnung «Black Move», den Namen einer Ammann-Asphaltmischanlage. Dass ein Schweizer Traditionsunternehmen seine Anlagen ähnlich benennt wie Heavy-Metal-Musiker ihre Bands ist sicherlich eine überraschende Erkenntnis. Überraschender als der Verweis auf das Langenthaler Neonazitum per Porzellan auf jeden Fall. Auf den Kübeln werden auch Bands wie «Black Flag» oder «Black Sheep» angesprochen, wodurch sich für den Betrachter ein Bezug zur parallel stattfindenden Ausstellung im unteren Geschoss des Kunsthauses herstellt. Dort hat der Basler Fabian Chiquet, auch bekannt als Mitglied der Popgruppe «The bianca Story», seine Arbeiten mit viel Disco- und Blitzlicht inszeniert. Auch hier sind es Videofilme, die den Parcours abrunden. Chiquet stellte etwa ein Filmchen von sich selbst als ungelenkem Tänzer auf Youtube und schliesst dieses nun mit Kommentaren kurz, die das Video online produziert hat. Ein anderer Bildschirm dokumentiert eine Aktion Chiquets, bei der er umgeben von Tanzenden stuntreif ein Auto über den Basler Messeplatz fährt. Langenthal ist eben doch nicht das einzige künstlerische Betätigungsfeld. Auch wenn man das im Kunsthaus manchmal glauben könnte.

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