Holz­bau­tag Biel: ur­ban, hoch, dicht

Der Holzbautag Biel vom 5. Mai 2022 machte deutlich: Kreislaufdenken, Nachhaltigkeit und Ökologie sind für das Bauen künftig unabdingbar. Und: Holz spielt hier eine tragende Rolle.

Publikationsdatum
09-05-2022

Das Bauen der Zukunft wird vermehrt auf Suffizienz, den sparsamen Umgang mit Materialien und Energie, aufbauen müssen. Dass beim Bauen ein bedeutendes Potenzial besteht, das belegen Zahlen: Der Schweizer Gebäudepark beansprucht gut 45 % des Primärenergieverbrauchs und ist für 24 %der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Energieverbrauch bei Gebäuden kann bis 2050 halbiert werden. Vor allem bei Neubauten soll vermehrt auf die verbrauchte graue Energie geachtet werden.1

Ökologisch ökonomisch gebaut

Für den sparsamen Umgang mit Materialien und Energie stehen immer wieder neu überzeugende Beispiele. So etwa die «Wohnhalle Zollhaus» in Zürich, ein genossenschaftlich organisiertes Wohnprojekt, das in unkonventioneller Weise Raum für Wohnen und Arbeiten schafft. Dass bei diesem so genannten Hallenwohnen mit Strukturen, die immer wieder neu definiert und angepasst werden müssen, Holz zum Zug kommt, liegt auf der Hand. Architektin Katrin Büsser (AHB Biel) verwies in Ihrem Vortrag auf dieses unkonventionelle Projekt, das heute noch avantgardistisch wirkt.

In der «Wohnhalle Zollhaus» (Architektur: Enzmann Fischer Partner, Zürich) teilen sich 20 Leute eine Fläche von 300 m2 zum Leben und Arbeiten. Mit diesem «Hallenwohnen» ist eine Wohnform weiterentwickelt, die ursprünglich mit Zwischennutzungen und Besetzungen von ungenutzten Gewerberäumen begann. Im Zollhaus ist sie nun in den regulären Wohnungsbau integriert.

Am Projekt «Wohnüberbauung Maiengasse» in Basel (Architektur: Esch Sinzel Architekten, Zürich), eine vor vier Jahren gebaute Siedlung mit 55 Wohnungen – eigentlich ein Dorf in der Stadt – lässt sich die Wirkung der Holzbauweise als nachhaltige bedeutsame Massnahme ablesen. Der sparsame Umgang mit Materialien, z.B. Balkenlagen statt den oft verwendeten materialintensiven CLT-Brettsperrholzkonstruktionen und eine frühzeitige Zusammenarbeit der Planer führte zu einer preislich und technisch überzeugenden Lösung.

Bemerkenswert ist auch die als Beispiel gezeigte Aufstockung eines «Stadthauses in Vevey» nach dem Entwurf von Rapin Saiz Architectes, Vevey, realisiert in Zusammenarbeit mit Ratio Bois Sàrl, Ecublens. «Die Aufstockung macht das Haus besser, als es vorher war. Die Architekten leiten aus dem denkmalgeschützten Bestand ein Vokabular ab, mit dem sie die Geschichte des Hauses weitererzählen. Aus dem Thema des Dachstuhls entwickelten sie eine raumfüllende, eigene Sprache», schrieb die Jury des Prix Lignum 2021.

Holzbau eingefügt in eine bestehende Baustruktur prägt das Projekt «Lokstadt Winterthur» der Architekten Baumberger & Stegmeier. Die technischen Lösungen für diese Symbiose lieferten die Ingenieure von Timbatec Holzbauingenieure AG, Zürich. Die Mischbauweise Massiv- oder Holzbau war die pragmatische und gleichzeitig praktikable Lösung. Die Holzstrukturen sind sichtbar konstruiert und prägen die einfach und nützlich gestalteten Wohnräume.

Hochhäuser aus Holz

Hochhäuser aus Holz, noch vor wenigen Jahren undenkbar, werden zunehmend Realität. Geplant ist beispielsweise im Bereich «Tech Cluster Zug» (SHL Südtor) auf einem ehemaligen Industrieareal in Zentrumsnähe ein neues Wohnquartier mit hohem Ausnutzungsgrad. Erstellung und Betrieb der Gebäude sollen gemäss Beat Weiss (Tech Cluster Zug AG) und Christian Penzel (Penzel Valier, Zürich) die CO2-Emissionen im Vergleich zu konventionellen Bauten auf rund die Hälfte reduzieren. Das Projekt umfasst einen Turmbau mit sechs Geschossen für Büros, aufgesetzt auf einen Sockelbau mit vier Geschossen. Die Fassadenstützen und -träger sind wie die Geschossplatten in Baubuche geplant. Angedacht sind Vierendeelknoten für die Konstruktion des Tragwerks und der Fassade. Für die andern Bereiche sind Konstruktionen mit Schichtplatten aus Nadelholz vorgesehen.

Für die Stadt Hamburg planen Jan Störmer (Störmer Murphy and Partners) Henning Klattenhoff (Assmann Beraten + Planen) ein «Holzhochhaus Roots» von 65 m Höhe (16 Wohngeschosse und ein Sockelgeschoss u.a. mit einem Ausstellungsbereich auf zwei Ebenen). Wohnungsprototypen sind erstellt, die Möglichkeit für einen nahezu restlosen Rückbau ist geplant. Auch hier sind die hochbelasteten Teile in Baubuche geplant, weitere in Furnierschichtholz und Brettschichtholz.

Das präsentierte Studienprojekt aus dem Frühlingssemester 2021 für ein «Holzhochhaus in Interlaken» hat ein modular geschichtetes Konzept wie beim modularen Holzspiel Jenga. Der Entwurf stammt von Mahdi Bagheri, Student Master Architektur, für die Tragwerkstruktur zeichnet Lukas Furrer, Student Master Wood Technology. Der Bau soll auf 19 Stockwerken ein Hotel, Co-Working-Räume und in den oberen Etagen Wohnungen enthalten. Ein gerastertes Stützensystem dient der flexiblen Nutzung.

Holz im urbanen Raum Frankreichs

Frankreich entdeckt das Holz als Baustoff für den urbanen Raum. Zwei Schulbauten, präsentiert von Robert Weitz von Tectoniques Architectes/Ingénieurs, Lyon/Bordeaux, dienten am Holzbautag Biel 2022 als Beispiel. Eine Anlage in Paris le Bourget mit 14 und 15 Klassenräumen ist im Bau und ein Projekt in Ville des Pennes (Bouches du Rhône) für eine Schule mit Kindergarten wurde in einer im mediterranen Raum unüblichen Konstruktion mit Holz und Lehmbau erstellt.

Forschung Erdbebeningenieurwesen

An der Berner Fachhochschule werden in Zusammenhang mit dem Verhalten bei Erdbeben die dynamischen Eigenschaften unterschiedlicher Holzbauweisen untersucht. Martin Geiser präsentierte die entsprechenden Überlegungen, so die dynamischen Eigenschaften unterschiedlicher Holzbauweisen oder die Optimierung von Holzverbindungen bezüglich Duktilität. Dazu die Unterschiede zwischen Blockwänden, mit Gipsfaserplatten beplankten Holzrahmenwände, Holzrahmenwänden mit Öffnungen, duktilen Glasscheiben sowie das System «Duktiplex» für hochduktile Verankerungen. Weiterbildungskurse der BFH AHB für Holz- und Bauingenieure sollen diese Erkenntnisse in die Baupraxis vermitteln.

Holz: der wiederentdeckte Baustoff

Die technischen Vorzüge von Holz im Bauwesen bezüglich Festigkeit bei leichtem Eigengewicht, seinen wärmetechnischen Eigenschaften, sein Verhalten unter Brandlast sind heute allgemein bekannt. Unbestritten sind auch die Vorzüge für die Vorfertigung und seine Klimaneutralität ebenso. Die aus Holz produzierten Halbfertigprodukte, ob stabförmig oder als Platten, sind den in Bau und Ausbau gestellten Anforderungen vollauf gewachsen. Der Holzbautag Biel zeigte erneut die Potenziale dieses nachwachsenden Baustoffs aus der Natur.

Anmerkung

1 Schweizerische Energiestiftung SES, Zürich

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