Hoch­schul­land­schaft auf Ge­wer­be­par­zel­le

Gesamtleistungswettbewerb Neubau Hochschule für Wirtschaft FHNW, Basel

Die Entwürfe für den Neubau der Hochschule für Wirtschaft im Dreispitz machen das Potenzial einer Gewerbeparzelle für die Umwidmung in eine Hochschullandschaft deutlich.

Publikationsdatum
26-02-2018
Revision
26-02-2018

Mit einem Hochschulbau soll das heute rein gewerblich genutzte «Gundeli-Ost» zu neuem Leben erweckt werden. Die Hochschule für Wirtschaft (HSW) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), derzeit am Peter-Merian-Weg 86 gelegen, benötigt für ihre knapp 1‘200 Studierenden und rund 150 Mitarbeitenden mehr Fläche. Zudem läuft ihr Mietvertrag am jetzigen Standort aus. Auf dem aktuell noch von der auf Holzwerkstoffe spezialisierten Firma Thüring belegten Areal, das sich durch seine Anbindung an das Gundeldingerquartier und das Gleisfeld auszeichnet, soll bis 2020 ein Neubau entstehen. Eigentümerin der Parzelle ist die Christoph-Merian-Stiftung (CMS), die dem Kanton Basel-Stadt ein Baurecht einräumen wird.

Aufgrund des engen Zeitplans wurde ein Gesamtleistungswettbewerb mit Präqualifikation ausgeschrieben. Aus zehn Bewerbern wurden fünf Teams, bestehend aus Totalunternehmung, Architekturbüro und Gebäudetechnikplanern, ausgewählt. In einem anonymen Verfahren entwickelten diese verschiedene Herangehensweisen im Umgang mit dem umfangreichen Programm und der schwierigen Geometrie der langgezogenen Parzelle. «Die Hochschule mit ihrem offensichtlich hohen Öffentlichkeitsgrad muss nicht nur auffindbar und erkennbar sein, sondern muss an diesem schwierigen Ort die Frage nach der Identitätsstiftung überzeugend beantworten», so die Jury. Das erst- und das zweitplatzierte Projekt interpretieren diese Vorgabe auf unterschiedliche Weise.

Beziehungsreiche Verankerung

Das Siegerprojekt «Ideenwerkstatt» besteht aus einem gestaffelten Baukörper, der gemäss E2A eine «intensive Aussenanbindung» generieren solle. Die Figur des langen Neubaus vermittelt zu den unterschiedlichen Traufhöhen der Umgebung. Die vorgefertigte Betonstruktur mit ausgefachten Leichtbauwänden und ihrer feingliedrigen Holzfassade verweist auf den industriellen Kontext. Zwei Vorplätze rahmen den Baukörper an dessen Stirnseiten. Am westlichen Vorplatz wird das ehemalige Thüring Stammhaus erhalten – am östlichen Vorplatz ist ein Holzpavillon aus dem Abbruchmaterial der alten Gewerbehalle vorgesehen. Diese Kleinbauten kontrastieren einerseits mit dem grossen Neubauvolumen und tragen andererseits zu dessen Verankerung im gegebenen Kontext bei. Gen Westen verbindet sich ein Restaurant und die Cafeteria mit dem Vorplatz – gen Osten öffnen sich die studentischen Arbeitsplätze zum Aussenraum. Das grosszügige Foyer an der Bordeaux-Strasse verbindet Aussen- und Innenräume und dient als Vorbereich zu Hörsälen und Aula. Zwei offene Treppentürme führen zu den Unterrichtsräumen und zu den Institutsbereichen in den vier Obergeschossen. Durch zwei Rücksprünge werden im zweiten Obergeschoss gen Süden und im dritten Oberschoss gen Norden zwei über die gesamte Gebäudelänge laufende Terrassen ausgebildet. Das sowohl kompakte als auch grosszügige Layout generiert in Beziehung zum Aussenraum eine Vielzahl an Aufenthaltsqualitäten.

Autarker Stadtbaustein

Bei dem mit dem zweiten Preis ausgezeichneten Projekt «Zwischen Prag und Bordeaux» handelt es sich um einen neuen Stadtbaustein, der gemäss Herzog & de Meuron eine «ikonische Strahlkraft» entwickeln werde. Das verglaste Betonskelett mit umlaufenden sich nach oben symmetrisch verjüngenden Betonbändern bildet zwei Giebel aus. An den Giebelseiten rahmen zwei gleichwertige Vorplätze die symmetrische Anlage, deren erhöhte Eingangsebene, als «Piano Nobile», über Freitreppen erschlossen wird. Vorgelagerte Terrassen dienen im Westen der Cafeteria und im Osten dem Restaurant als Aussenraum. Das Erdgeschoss ist als Sockel für die Unterrichtsräume ausgebildet. Das «Piano Nobile» wird durch ein zentrales, vier Geschosse verbindendes Atrium bestimmt, um das sich alle weiteren Unterrichtsräume, die Aula und die Hörsäle gliedern. Ein introvertierter Hochschulraum entsteht – als «Halle, gemacht für eine lebendige und offene Kultur des Lernens und der Kommunikation», wie die Verfasser schreiben. Vier Treppenhäuser verbinden die Atriumgeschosse. Zwei Treppenhäuser leiten zu den Institutsbereichen im sich verjüngenden vierten und fünften Obergeschoss. Die autarke Typologie kann sich auf der schmalen Gewerbeparzelle mit ihrem heterogenen Umfeld jedoch nicht gebührend entfalten.

Grenzen und Chancen der Gewerbeparzelle

Für das Teilgebiet «Gundeli-Ost» habe sich die Problematik der langgezogenen Parzelle zugleich als Chance erwiesen, denn «durch ihre öffentliche Nutzung generiert die HSW hohe Personenfrequenzen bis in die Tiefe des Areals», so die Jury. Während «Zwischen Prag und Bordeaux» durch das Abheben der Bildungsinstitution aus dem unmittelbaren Kontext kaum Interaktion mit seinem Umfeld ermöglicht und die (räumlichen) Grenzen der Gewerbeparzelle deutlich werden lässt, zeigt «Ideenwerkstatt» mit seinem öffentlichen Erdgeschoss die Chancen dieser urbanen Aktivierung auf. Die vom Erdgeschoss bis in die oberen Geschosse organisierte Interaktion von Innenraum und Stadtraum hat den einstimmigen Juryentscheid für die Erstplatzierung von «Ideenwerkstatt» massgebend bestimmt.

Weitere Informationen finden Sie in der Rubrik Wettbewerbe.


Rangierte Projekte
 

1. Rang, 1. Preis: «Ideenwerkstatt»
Allreal Generalunternehmung AG / E2A Piet Eckert und Wim Eckert Architekten ETH BSA SIA AG / Polke Ziege von Moos AG


2. Rang, 2. Preis: «ZWISCHEN PRAG UND BORDEAUX»
HRS Real Estate AG / Herzog & de Meuron Basel Ltd. / Gruner Gruneko AG, Basel


3. Rang, 3. Preis: «ECONOMARIUM»
Priora AG / Arbeitsgemeinschaft Viertelkreis (Luca Selva AG Architekt ETH BSA SIA, Oester Pfenninger Architekten AG) / Balzer Ingenieure AG, Baar


4. Rang, 4. Preis: «StartUp»
Losinger Marazzi AG, Basel / Christ & Gantenbein AG, Basel / Amstein + Walthert AG, Bern

 

5. Rang, 5. Preis: «THINKTHANK»
Erne AG Holzbau / Bauart Architekten und Planer AG / Waldhauser + Hermann AG, Ingenieurbüro USIC SIA, Basel


​Jury
 

Beat Aeberhard​, Kantonsbaumeister Basel-Stadt (Vorsitz)


Thomas Blanckarts​, Leiter Hochbauamt Basel-Stadt (Ersatz)


Barbara Rentsch, Leiterin Portfoliomanagement, Immobilien Basel-Stadt


Martin Weis​, Leiter Liegenschaften, Christoph Merian Stiftung


Raymond Weisskopf​, Vizepräsident FHNW


Christian Mehlisch, Leiter Verwaltungsvermögen, Portfoliomanagement, Immobilien Basel-Stadt (Ersatz)


David Leuthold, Architekt, Zürich


Meinrad Morger, Architekt, Basel


Rainer Klostermann​, Architekt, Zürich


Daniel Wentzlaff​, Architekt, Basel

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