Grcic, der be­ob­ach­ten­de Ge­stal­ter

Konstantin Grcic ist ein Gestalter, Möbel- und Industriedesigner mit besonderen Eigenschaften: Nachdenklich, neugierig und offen für Neues, respektvoll vor dem Bestehenden, humorvoll und talentiert. Eine Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein gibt unter dem Titel «Panorama» Einblick in seine Gedankenwelt, in seine Ideen über künftiges Leben und Wohnen und zeigt seine Arbeiten.

Publikationsdatum
03-04-2014
Revision
25-08-2015

Manche nennen Grcic einen Minimalisten. Er reduziert seine Entwürfe auf das Wesentliche, ringt den Materialen Holz, Metall, Kunststoff oder Glas oft in seiner jeweils reinen Form eine zwingend wirkende Gestalt ab – aber in Wahrheit ist er ein Meister des Einfachen. Keine seiner verwirklichten Arbeiten ist unverbindlich, allen haftet etwas Zwingendes an – sei es nun die Art der Benutzung oder die Verwendung der Materialien. 

Vom Schreiner zum Meisterdesigner
Gricic wurde 1965 in München geboren, absolvierte in England eine Ausbildung zum Schreiner und schloss 1990 die weitere Ausbildung am Royal College of Art in London mit dem Master of Arts in Design ab. Er wollte sich ursprünglich den freien Künsten zuwenden, liebäugelte mit Malerei und Skulptur, zog aber diese solide Ausbildung vor. Bereits 1991 gründete er die Firma KGID (Konstantin Grcic Industrial Design) in München.

Viele seiner Möbel und Objekte zeigen etwas skulpturales, sind auf einfach wirkende Formen reduziert, oft einzig mit einem einzigen Material realisiert. Diese Haltung manifestiert sich insbesondere bei der Serie der Beistelltische «Diana» für den Möbelhersteller Classicon. Die mit Laser aus einem Stück Stahlblech geschnittene Grundform ist winklig abgekantet und gefaltet, wird so in Form gebracht. Das Ganze ist durchgehend in einem Farbton pulverbeschichtet. Damit wird dieser sonst eher als nebensächlich betrachtete Gebrauchsgegenstand zu einer Kleinskulptur mit Gebrauchswert, einsetzbar für unterschiedlichste Zwecke. 

Eine Ausstellung der andern Art
Konstantin Grcic selber hat die Ausstellung im Vitra Design konzipiert und gestaltet. Als kluger Mann hat er auf eine Selbstdarstellung verzichtet. «Panorama» ist ihr Titel und nichts weniger als auf eine Rundsicht über mögliche künftige Lebensweisen will Grcic damit vermitteln. Dabei verlegt er sich ausdrücklich nicht auf hochfliegende Zukunftsvisionen. Er tastet mögliche Umbrüche ab die künftige Lebensweisen beeinflussen könnten und skizziert Zukunftstechnologien.

Im Erdgeschoss des Museums sind drei raumgreifende Installationen zu sehen: Ein Wohninterieur, ein Designatelier und ein Stadtraum. Der Wohnraum («Life Space») ist wie eine dreidimensionale Skizze aufgebaut, tönt Funktionen wie Sitzen, Liegen, Lesen an, blickt auf eine Umgebung mit einem Flughafen und bezieht genau daraus den Charakter eines intimen und privaten Rückzugorts. Die Grundstruktur besteht aus neuartigen Faserplatten die mit einem wasserbasierten Acrylharz (Acrodur) gebunden sind – ganz ohne Phenol oder Formaldehyd. Es handelt sich dabei um eine Technologie aus der Automobilindustrie.

Vom Atelier («Work Space») ist ein riesiger Tisch zu sehen, eher schon ein Regal, auf dem sich Objekte, Modelle und Prototypen aufreihen. Eine Videoinstallation gibt Einblick in das Münchner Studio von Grcic (er nennt es ausdrücklich Büro), zeigt Objekte, flimmernde Bildschirme und 3-D-Drucker.

Im dritten Saal («Public Space») dominiert ein riesiges, 30m langes und 4,5m hohe Rundbild, das in Zusammenarbeit mit Neil Campbell Ross der für Filmszenarien digitale Kulissen gestaltet, entstanden ist. Es zeigt Stadtbilder, Landschaften, Favelas, Industriebrachen, Verkehrsströme. Eine eigenartige Klanginstallation evoziert eine undefinierbar wirkende Gegenwart von Wirklichkeit. Ein hoher Maschendrahtzaun trennt das Rundbild vom Innenraum in dem das Objekt «Landen», eine grosse Sitzmaschine von Grcic und einige seiner Sessel «Chair_One» zum Sitzen einladen. 

Grcics Dingwelt
Im Obergeschoss des Museums zeigt eine langgezogene Vitrine fast wie in einem naturhistorischen Museum hinter Glas das, was Grcic täglich beschäftigt («Object Space»). Es sind Dinge, die er täglich nutzt, vom Arbeitsstuhl über eine blecherne Teekanne bis hin zu Büchern. Und es sind Entwürfe Modelle, anonyme Industrieprodukte die alle in komplexem Bezug zur täglichen Arbeit von KGID stehen.

Hier zeigt sich, wie Grcic auch alltäglichen Dingen sein Interesse widmet und wie er sozusagen an nichts achtlos vorbeigeht. Die Objekte in der Vitrine unterstreichen Grcics Aussage, dass er darauf aus ist, auf neue Anforderungen aus Materialien, Technik und Funktionen auch neue konkrete Antworten zu finden.  

Kein Alleingang
Gewiss lebt KGID vom Talent und Gestaltungswillen Grcics. Aber er weiss, dass er für das Ziel, Produkte zur Serienreife zu bringen und zu Vermarkten auf eine Vielzahl von Mitarbeitenden angewiesen ist. Das zeigt sich eindrücklich in seiner stets bescheidenen Haltung. Im Gespräch nimmt Grcic das Wort «Ich» kaum in den Mund, zumeist spricht er von «Wir». Seine gezeichneten und mit Kartonmodellen gestalteten Entwürfe werden erst durch präzise Arbeitsprozesse der industriellen Herstellung zum konkreten Produkt. Grcic begleitet diesen Prozess und gewinnt so täglich von den damit beschäftigten Spezialisten dazu. Auch die eigene Arbeit wird zur Inspirationsquelle für Neues – ein ständiger Fluss gestaltendes Willens. 

Ungewöhnliche Antworten auf gewöhnliche Fragen
Vor dem Eingang des Museums steht ein riesiges und doch zartgliedriges Gestell, darin eingehängt hängen Netze mit Holzsitzen. Sie weisen in alle Richtungen, man kann sich hineinlehnen und darin schwingen lassen. Wie von selbst ergibt sich ein Austausch von Worten mit den Nachbarn. Dieses Fast-Kunstwerk-Möbel von Grcic illustriert eindrücklich, wie er unverfroren alles was es schon längst zu geben scheint, hinterfragt und kurzum neu erfindet.

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