Ge­fahr liegt in der Luft

Keime in der Luft gefährden die Gesundheit von Patienten im Spital. ­Raumlufttechnik kann die Situation verschärfen – oder verbessern. An der Hochschule Luzern fand dazu ein Forschungsprojekt statt.

Publikationsdatum
02-04-2014
Revision
18-10-2015

Bei einer chirurgischen Operation ist die Infektion der offenen Wunde durch luftgetragene Keime ein Risiko. Gleichzeitig besteht für die Ärzte Ansteckungsgefahr, wenn kontaminierte Luft vom Patienten zu ihren Atemwegen gelangt. Ein intelligent konzipiertes Lüftungssystem kann helfen, der Verbreitung von Keimen im Operationssaal vorzubeugen. 

Das Zentrum für Integrale Gebäudetechnik an der Hochschule Luzern betreibt eine akkreditierte Prüfstelle, die sowohl den Fachhochschulbetrieb begleitet als auch unabhängige Aufträge von ausserhalb annimmt. Neben den typischen Messungen für kommerzielle Zwecke – Überprüfung von Leistung und Effizienz, Strömungsmessung, Akustik – führt die Prüfstelle Forschungsprojekte durch. «Gebäudetechnik im Gesundheitswesen» (GiG) ist eines davon. 

Im Labor befindet sich ein 47m2 grosser Operationssaal, in dem Verunreinigungsluftströme reproduzierbar gemessen werden. Der OP-Tisch steht in der Raummitte, 1m darüber hängen Operationsleuchten. In der Standardkonfiguration erfolgt die Zuluft gleichmässig über dem Operationsfeld. Die Abluft wird seitlich an den Wänden in Bodennähe abgeführt. 

Beim Prüfverfahren werden kontinuierlich feine Partikel im Bodenbereich in den Raum freigegeben. Je weniger Partikel auf den OP-Tisch gelangen, desto höher ist der Schutzgrad. Dieser definiert sich aus dem Verhältnis der lokalen Partikelkonzentration am Tisch und einer Referenzkonzentration im übrigen Raum und wird auf einer Skala von 0 bis 5 angegeben. An diesem Modell wurde im Zug des Forschungsprojekts GiG die Auswirkung der OP-Ausstattung auf die Luftströmung und den Schutzgrad bewertet. 

Das Problem von zwei Seiten betrachtet

In Kombination mit der Prüfung am 1:1-Modell wurde auch eine CFD-Simulation durchgeführt. CFD bedeutet Computational Fluid Dynamics und steht für numerische Strömungssimulation am Computer. In Forschung und Entwicklung, vor allem im Maschinenbau, werden Strömungen parallel am Modell gemessen und am Computer simuliert. Zuerst wird mit Grundannahmen gerechnet, dann am Prototyp getestet, mittels Simulation optimiert und schlussendlich wieder am Modell überprüft. Das Forschungsteam GiG verglich viele Varianten der Lüftungsanlage an Prüfstand und Computer. Einige Varianten hat das Team im Detail analysiert, andere per CFD nur grob parametrisiert, um zu sehen, ob die Realität dann immer noch genau genug abgebildet wird. 

Nachdem die Simulationsgrundlagen durch Labormessungen validiert waren, begann die eigentliche Forschungsarbeit. Faktoren, die sich am Modell nicht messen liessen, konnten nun simuliert werden. So konnte der OP-Raum virtuell um ein paar Meter in jeder Richtung vergrössert werden, was im Nachbau aus Platzmangel nicht möglich war. Auch wenn technische Hindernisse dem Realversuch im Weg standen, war die Analyse am Computer machbar. 

Ein grosser Vorteil des CFD-Programms liegt in der Visualisierung. Strömungstechnische Phänomene, die im Laborversuch unsichtbar bleiben, werden vom Computer berechnet und dargestellt. Davon profitiert auch der Modellaufbau; die beiden grundverschiedenen Methoden unterstützen sich also gegenseitig. 

In der CFD-Berechnung kristallisierten sich drei wesentliche Faktoren für die Schutzwirkung der Raumluftanlage heraus: erstens die Störung der abwärts gerichteten Zuluft durch die OP-Lampen, zweitens das Nachlaufgebiet der resultierenden Verwirbelung und drittens, davon unabhängig, der thermische Auftrieb an den anwesenden Personen. 

Zur Optimierung der Rechnungsdauer wurden andere Faktoren, die den Schutzgrad nur marginal beeinflussen, in der Berechnungsmodellierung stark vereinfacht. Damit war es möglich, den Rechenaufwand von drei Wochen auf unter einen Tag zu reduzieren, ohne Genauigkeit einzubüssen. 

Die Kombination von Realversuch und Simulation brachte wesentliche neue Erkenntnisse zur OP-Belüftung: Idealerweise sollte die keimfrei gefilterte Zuluft als Verdrängungsströmung mit im Kernfeld erhöhter Geschwindigkeit eingebracht werden. Statt einer Schutzwirkung von 0 bis 1 (keine bis mässige) wird der bestmögliche Schutzgrad 5 (exzellent) erreicht. Das ist ein wesentlicher Beitrag zur Infektionsprophylaxe.

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