Ge­sun­de In­nen­räu­me für die Zu­kunft

Baubiologie

Aktuelle Studien aus der Immobilienbranche zeigen: Das Bewusstsein und die Anforderungen von Nutzern entwickeln sich in Richtung gesunde Gebäude. Bauherren erkennen zunehmend, dass eine hohe Innenraumqualität ein notwendiges Qualitätsmerkmal von Immobilien ist.

Publikationsdatum
15-06-2018
Revision
20-06-2018

Gesundheit wird vom Deutschen Zukunftsinstitut als einer der aktuellen elf Megatrends identifiziert, die unsere Zukunft prägen werden.1 Das Gottlieb Duttweiler Institut hat ermittelt, dass die Bereitschaft der Menschen wächst, für ihre Gesundheit mehr Geld auszugeben.2 In einer Studie hält das GDI fest, dass der Gesundheitstrend das private und berufliche Leben in immer mehr Dimen­sionen prägt und dass Gesundheit sowie deren Erhalt den höchsten Stellenwert in der Gesellschaft einnehmen.3

Insbesondere die Genera­tion Y ist der Thematik gegenüber sehr aufgeschlossen. Die «Millen­nials» kennen heute den Mehrwert eines gesunden Lebensstils. Aus dem gestärkten Gesundheitsbewusstsein des Einzelnen ergeben sich auch konkrete An­forderungen an unsere Wohn- oder Arbeitsum­gebung. Gesundheits­fördernde und schadstoffarme Innenräume sind daher ein relevantes Thema, sowohl am Arbeitsplatz wie auch zu Hause.

Mehrwert für Immobilien

Eine Studie des CCRS4 zeigt unter Anwendung der ESI®-Immo­bi­lien­bewertung5, dass die Be­rücksich­tigung der Indikatoren ­«Gesundheit und Komfort» einen positiven Einfluss auf die Mieterträge hat.6 Zudem verdeutlichen Untersuchungen bei Bürogebäuden, dass sich eine hohe Innenraumqualität direkt auf geringere Fehlzeiten bei höherer Produktivität der Mitarbeitenden auswirkt.7 Entsprechend wächst auch bei Investoren das Bewusstsein für den Mehrwert hoher Innenraumqualität.

Während strenge Labelkriterien in Bezug auf das Innenraumklima früher noch als «nice to have» eingeschätzt wurden, gelten sie ­heute als State of the Art und sind zunehmend fester Bestandteil der Portfoliostrategie professioneller Bauherren. Die öffentliche Hand hat durch ihre Vorreiterrolle wesentlich zu dieser positiven Entwicklung in der Schweiz beigetragen. Angesichts der rund 350 000 m2 Büroflächen, die bis 2020 allein im Raum Zürich neu auf den Markt kommen8, dürfte die Nutzerzufriedenheit als wesentlicher Entscheidungsfaktor an Be­deutung gewinnen. Auch im Wettbewerb um intrinsisch motivierte Mitarbeitende werden in Zukunft attraktive und gesundheitsfördernde Arbeitsumgebungen zunehmend eine entscheidende Rolle spielen.

Gute Innenraumqualität

Aspekte der Innenraumqualität ­stellen Leistungen dar, die über den durchschnittlichen Baustandard hinausgehen. Eine wichtige Einflussgrösse für die Qualität von Innenräumen ist eine schadstoffarme Innenraumluft. Die gegenwärtige Gesetzgebung des Bundes regelt die Luftqualität in Innenräumen bislang aber nur punktuell, auf Stufe von Empfehlungen und Richtlinien. Einzig für Radon sind verbindliche Grenz- und Richtwerte in der Strahlenschutzverordnung geregelt.

Betriebe, die dem Arbeitsgesetz unterstellt sind, müssen sich zudem an die entsprechenden Verordnungen 3 und 4 halten9 und gleichzeitig die MAK-Werte10 der Suva mit definierten Einzelsub­stanzwerten berücksichtigen. Im Gegensatz zu Arbeitsplätzen sind Vorschriften betreffend Luftqualität für Wohnungen in der Schweiz wenig verbindlich. So sind zum ­Beispiel Richtwerte für Formaldehyd oder PCB, die das Bundesamt für Gesundheit BAG definiert hat, lediglich als Empfehlung formuliert.11 Schleichende Gesundheits­risiken durch emittierende Baumaterialien sind also bisher in der Gesetzgebung wenig erfasst.

Die Qualität der Raumluft ist aber elementar, verbringen wir doch im Durchschnitt jeden Tag über 21 Stunden in geschlossenen Räumen. Roger Waeber von der Fachstelle Wohngifte beim Bundesamt für Gesundheit geht davon aus, dass sich schadstoffarme Innenraumluft künftig auch gesetzlich klarer akzentuieren wird. Darin nimmt er auch Bezug auf die EU, die ak­tuell neue Verordnungen für Emissionsklassen bei Bauprodukten erarbeitet, die in Zukunft auch in der Schweiz greifen. Bisher hat das Europäische Komitee für Normung (CEN) eine harmonisierte Prüfmethode zur Evaluierung von VOC-Emissionen aus Bauprodukten12 erarbeitet, die in Zukunft Grundlage einer VOC-Emissionsklassifizierung für Bauprodukte sein wird.

Schadstoffarme Innenraumluft ist jedoch nur einer von vielen Faktoren, die die Innenraum-Qualität beeinflussen. Auch eine ausgewogene Beleuchtung, die Vermeidung schädlicher Strahlung oder ergonomische Aspekte können sich positiv auf Gesundheit und Wohl­befinden auswirken.

Holistische Betrachtung durch Spezialisten

Nur ein holistischer Ansatz wird der komplexen Thematik gerecht. Werden Bauten mit hoher Innenraumqualität angestrebt, sind daher punktuelle Massnahmen, zum Beispiel mit alleinigem Fokus auf Innenraumluft, nicht ausreichend.Vielmehr ist ein fachübergreifendes Vorgehen erforderlich, wobei das Zusammenspiel von folgenden gesundheitsrelevanten Einflüssen geplant und koordiniert werden muss:

  • Physikalische Einflüsse: thermische Behaglichkeit, akustische Behaglichkeit, visu­elle Behaglichkeit, Strahlung (nicht ionisierend/ionisierend)
  • Chemische Einflüsse: organische und anorganische Schadstoffe, Partikel
  • Biologische Einflüsse: mikrobielle Verunreinigungen
  • Betriebliche Einflüsse: Arbeits­sicherheit, Gesundheitsschutz

Nur durch ein orchestriertes Zusammenwirken von technischen, bauphysikalischen und betrieblichen Aspekten kann das Ziel einer gesunden Immobilie erreicht werden. Die Mehrleistung des gesundheitsfördernden Bauens erfordert neue Dienstleistungen von Spezialisten im Rahmen der Projektsteuerung und Realisierung.

Nachdem das Thema Energieeffizienz über lange Zeit die Nachhaltigkeitsagenda geprägt hat, werden in Zukunft zunehmend wieder der Mensch und seine gesundheitsrelevanten Bedürfnisse im Zentrum stehen. Immobilien der Zukunft mit langfristiger Wertbeständigkeit zeichnen sich daher durch hohe Innenraumqualität aus.

Anmerkungen

  1. Zukunftsinstitut Frankfurt, Thinktank für Trend- und Zukunftsforschung.
  2. GDI, Trendforschungsinstitut, Thinktank für Wirtschaft, Gesellschaft und Konsum.
  3. GDI für EDI, Zukunftsperspektiven des Gesundheitsmarkts 08/2006.
  4. Universität Zürich, Center for Corporate Responsibility and Sustainability.
  5. ESI®-Rating, Instrument für eine abgestufte Beurteilung der Nachhaltigkeit aus einer Risikooptik.
  6. CCRS Working Paper, Sustainability and Real Estate Rental Rates: Empirical Evidence for Switzerland, 01/2016.
  7. World Green Building Council, Health, Wellbeing and Productivity in Offices, 09/2014.
  8. Zürcher Kantonalbank, ZKB Immobilien aktuell, 12/2016.
  9. SECO, Wegleitung zu den Verordnungen 3 und 4 zum Arbeitsgesetz, Gesundheitsschutz 11/2016.
  10. Suva, Grenzwerte am Arbeitsplatz, Maximale Arbeitsplatzkonzentrationswerte 01/2015.
  11. Bundesamt für Gesundheit BAG, Schadstoffe in der Raumluft.
  12. European Commission, Validation of VOC emission testing methods 10/2013.

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