Die Gewerke denken an künstliche Intelligenz
Die Gebäudetechnikbranche will ihre Silos verlassen und stärker mit anderen Fachbereichen zusammenarbeiten. An ihrem nationalen Kongress gab sie – nach zweimaliger Absage – dem Smart Building und der Digitalisierung eine grosse Bühne.
Die Forschung liefert nicht nur laufend neue Erkenntnisse, sondern probiert auch ständig neue Wege aus, um noch bessere Erkenntnisse zu gewinnen. Eine beliebte Variante ist, das hermetische Labor zu verlassen und sich schon in der Experimentierphase mit Alltagsfragen zu beschäftigen. Immer mehr Wissenschaftsinstitute richten sich dafür ein «Praxislabor» oder neudeutsch «Living Lab» ein.
Mit dem NEST hat die Empa in Dübendorf vor einigen Jahren das Referenzmodell für eine praxisbezogene Gebäudeforschung in der Schweiz erfunden. Nun zieht die EPF Lausanne nach und baut ein «Smart Living Lab» in Freiburg, zusammen mit dem Kanton Freiburg. Der designierte Laborleiter Martin Gonzenbach erklärte am nationalen Gebäudetechnik Kongress, wie der Wohn- und Lebensraum der Zukunft in diesem «lebensgrossen Experimentierumfeld» erforscht werden soll.
Das Gebäude wird nach seiner Eröffnung im nächsten Jahr selbst Teil von Entwicklung und Demonstration: Die wandelbaren Raummodule dienen als Arbeitsplatz und Testlabor (etwa für das Raumklima) in einem. Auch das Erforschen von neuen Energiesystemen und Energieträgern wird unmittelbar mit dem Alltagsbedarf an Heizwärme oder sommerlicher Kühlung des Forschungsgebäudes verknüpft.
Mit Praxisbezug und Kooperation
Das Living Lab soll aber auch in seiner Machart vorzeigbar sein. Das Gebäude (Behnisch Architekten) ist in Holzbauweise und mit integrierter PV-Anlage geplant. Trotz beachtlichem Aufwand für die gebäudetechnischen Gewerke gehöre eine überdurchschnittliche Ressourceneffizienz zur DNA dieses Labors, so Gonzenbach. «Das Bauwerk darf bei Bau und Betrieb nur 13 kg CO2/m2 verursachen»; dies entspreche den 2000-Watt-Vorgaben.
Wichtig sei für die Wissenschaft neben dem Praxisbezug und dem Vorzeigecharakter aber auch die interdisziplinäre Arbeit. «130 Forscherinnen und Forscher werden in verschiedenen Konstellationen im Living Lab kooperieren.» Auf ein Zusammenspiel von Technik, Architektur und Raumplanung werde viel Wert gelegt, erzählte der Laborleiter am Gebäudetechnikkongress. Nicht nur in der Forschung – auch die Planungspraxis soll kooperativer organisiert werden. Das Thema «Kooperation» stand deshalb im Fokus weiterer Referate.
Die meisten Präsentationen blieben unkonkret. Anstelle einer üblichen Leistungsschau aus einzelnen Gewerken wurde vor allem die Schnittstelle zwischen Mechanik und Informatik thematisiert. Das Motiv dahinter ist die laufende Digitalisierung des Gebäudebereichs. Und damit verbunden ist der Wunsch: Ein auf Ressourcenschonung und Komfort optimiertes Gebäude funktioniert selbstlernend und smart und ist digital perfektioniert.
Einfachere Austauschstandards
«Das Smart Building steuert, überwacht und optimiert sämtliche internen Flüsse von selbst – Strom, Wasser und neuerdings Daten», bestätigt Klaus Wächter, Siemens Schweiz. Um die Kommunikation unter den Fachleuten und in den automatisierten Gebäudenetzwerken zu verbessern, brauche es allerdings einheitlichere Standards für den Datenaustausch. Wächter zeigte dazu auf, wie sich «IT und IoT mit offenen Kommunikationsprotokollen einfacher kombinieren lassen».
Den Übergang zwischen Bau und Betrieb nahtlos überwinden möchte man mit dem Building Information Modelling BIM. Die 6. Dimension soll nun Gebäudetechnik und Bauphysik enger verknüpfen und so den Performance Gap zwischen Planung und Facility-Management verringern. Anne-Claire Pliska, BG Ingenieure und Berater, veranschaulichte anhand eines Grossprojekts, wie sich «BIM 6-D» als neuer Massstab für die Planung nachhaltiger Gebäude etablieren kann.
Als Zusatzfunktion seien dynamische Simulationen integrierbar, was eine Optimierung der Gebäudetechnikanlagen erlaube. Insofern sei BIM schon bald als digitaler Zwilling für alle Phasen der Gebäudeplanung erhältlich. Vom Entwurf über Planung und Organisation bis zur Buchhaltung und letztendlich zum Betrieb eines Gebäudes lasse sich dieselbe digitale Plattform benutzen.
Unsichere Einfallstore?
Thomas Jäggi, Energie Wasser Bern, sprach aus Sicht eines Energieversorgers über den Bedarf an gebäudeinterner Vernetzung und am Datenaustausch. «Echtzeitdaten sind das Gold der Zukunft.» Diese würden unter anderem benötigt, um den Energiekonsum zu minimieren. Die Erwartung der Versorgungsbranche hänge diesbezüglich an der Einführung und Installation von Smart Meters in jedes Gebäude, bestehend oder neu.
Am Gebäudetechnik Kongress wurde auch gewarnt. Die Integration von Gebäuden in das weltweite IT-Netzwerk sei durchaus riskant. «Die technologische Sicherheit vieler Gebäude ist nicht garantiert», sagte Martin Gartmann, BKW Building Solutions. «Ein digitales Anbinden der HLK-Infrastruktur wird zum Einfallstor für Cyberangriffe auf das gesamte Firmennetzwerk.» Insofern gelte es potenzielle Schwachstellen vorab zu erkennen und mit Verschlüsselungstechnik gegen unerlaubte Zugriffe abzusichern. Doch der Wandel in der IT-Branche sei rasant. «Im Gegensatz zur Gebäudetechnik beträgt die Lebensdauer von Hard- und Software oft nur wenige Jahre», so Gartmann. Ein smartes Gebäude benötige folglich ein flexibles, digitales Sicherheitskonzept – und neben kompetenten HLK-Ingenieuren immer mehr IT-Spezialisten.
Analoge Speichertechnik
Die Präsentation von Start-up-Ideen ist ein traditioneller Teil des Gebäudetechnik Kongresses. Darunter fiel dieses Jahr ein analoges Vorhaben auf: Mithilfe von Salzkristallen können preisgünstige Wärmespeicher für den Haussektor realisiert werden. Das chemische Speicherverfahren wurde an der Hochschule Luzern entwickelt. Eine Markteinführung stehe kurz bevor, ergänzte Mitgründer Remo Waser, Cowa Thermal Solutions.
Weitere Vorteile seien eine höhere Speicherkapazität und eine längere Lebensdauer als bei einem Stromakku. Als idealer Anwendungsfall wurde ein Haustechniksystem mit Photovoltaik und Wärmepumpe skizziert. «Der Salzhydratspeicher überbrückt so die Differenz zwischen eigener Energieproduktion und -konsum», so Waser.