Fun Pa­lace in Us­ter

Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Um das Zeughausareal in Uster zu transformieren, schrieb die Stadt einen ­Projektwettbewerb aus, in dessen Zentrum der nördliche Teil der städtischen Parzelle steht. Die ersten beiden Ränge schaffen starke Strukturen und charaktervolle Räume, die einladend wirken.

Publikationsdatum
07-11-2019

Das zentral gelegene eidgenössische Zeughausareal in Uster wird nicht mehr militärisch genutzt. Der im Jahr 2013 ausgelobte städtebauliche Studienauftrag liess den inventarisierten, Ende der 1930er-Jahre erstellten Zeughausbauten eine grosse Aufmerksamkeit zukommen: Die Geschichte des Orts soll weitergeschrieben werden, die Spuren des Zeughausareals sollen auch in Zukunft erkennbar bleiben. Das Siegerteam Morger + Dettli Architekten und Manoa Landschaftsarchitekten entwickelte eine dichte Komposition durch Baukörper, die an die vier Zeughausbauten an­docken und verbindende Zwischenräume formieren. Dem Gestaltungsplan «Zeughausareal» wurde im Jahr 2016 zugestimmt, worauf die Stadt den Ostteil des Areals 2017 von der armasuisse Immobilien erwerben konnte.

Auf dem nördlichen Teil der städtischen Parzelle soll ein neues Kulturzentrum mit vielfältigen Räumen für Kulturproduktion und -genuss entstehen, als Ersatz für den Stadthofsaal und das Kulturhaus Central. Die Stadt Uster entschied sich für einen anonymen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren, in Anwendung der SIA-­Ordnung 142. Aus den 97 Bewerbern, bestehend aus interdisziplinär zusammen­gesetzten Planungsteams, wurden zwölf Teams zum Wettbewerb zugelassen, vier wurden rangiert.

Aneignung und Charakter

Wie lässt sich die Nutzungsdichte der offenen Anlage mit ihren vier rahmenden Hallenbauten erhöhen, ohne deren Qualitäten zu schmälern? Die Aufgabe war es, im Bereich des Zeughauses OST II ein Kulturzentrum zu entwickeln, das vom Ziel­publikum gut angenommen wird. Das Raumprogramm umfasste zwei Veranstaltungssäle, zwei Kinosäle, einen Ausstellungsraum sowie eine Bar, ein Restaurant und eine Musikschule. Aus den möglichen Lesbarkeiten des Zeughausareals und der Offenheit der Aufgabenstellung entstanden unterschiedliche Ansätze. Die beiden ersten Ränge interpretieren den Ort gänzlich verschieden, zeichnen sich jedoch beide durch eine geringe Eingriffs­tiefe in den Bestand aus und beziehen sich auf die Qualitäten der Zweckgebäude.

Baukörper um Hof

Das Projekt «KUZU» von EM2N Mathias Müller Daniel Niggli Architekten (mit Abicht Zug, Dr. Deuring + Oehninger, Balliana Schubert Landschaftsarchitekten und Applied Acoustics) nimmt den Städtebau des Studienauftrags als Ausgangspunkt und entwickelt ihn weiter, sodass ein «Kulturhof» entsteht. Drei Baukörper verteilen sich um diesen Hof: An das bestehende Zeughaus OST II mit seiner Backsteinfassade docken der «Kultursaal» aus Betonfertigteilen und das mit Polycarbonatplatten verhüllte «Kulturregal» an. Durch die differenzierte Höhengliederung und Materialisierung bleibt die Identität jedes Baukörpers gewahrt.

In ihren acht Punkten für das neue Kulturzentrum Uster konstatieren die Verfasser, das Raumprogramm sei für den städtebau­lichen Mantel zu klein. Um diesen Missstand zu kompensieren und ein Nachverdichtungspotenzial aufzuzeigen, schaffen sie ein «Überangebot an günstigem Raumvolumen». Ähnlich dem Konzept des wandel­baren «Fun Palace» der Theater­macherin Joan Littlewood und des Architekten Cedric Price aus dem Jahr 1964 solle «eine vielfältig nutzbare, veränderbare und experimentelle Raummaschine» entstehen.

Während das «Kulturregal» mit seinem halb offenen, halb geschlossenen Raumvolumen einen unfertigen, veränderlichen Eindruck macht und mit seiner offenen «Kulturterrasse» zur Aneignung und zum späteren Weiterbauen einlädt, wirkt der «Kultursaal» aus Betonfertig­teilen solide und abgeschlossen.

Über den Hof können sich die verschiedenen Nutzungen in den Aussenraum ausweiten. An diesem zentral gelegenen Innenhof befinden sich die Besuchereingänge und Foyers mit Zugang zu den Kinosälen und zum kleinen Saal im «Kultur­regal». Restaurant und Bar siedeln sich im am Zugang zum Areal Richtung Berchtoldstrasse und Stadt­zentrum an. Der Kunstraum im zweiten Obergeschoss erhält zusätzlich einen Kunstbalkon. Der «Kultursaal» kann sich ganz zum Hof öffnen. Im Zeughaus befinden sich alle Kassen und Nebenräume sowie im Ober- und Dachgeschoss die Musikschule.

Das Projekt schafft viele neue Impulse für die Stadt Uster, muss seine Kosten jedoch durch «Verzichts­planung oder Et­ap­pie­rung» reduzieren und die «Materialisierung und Konstruk­tionsweise» in Bezug auf graue Energie und eine nachhaltige Bauweise optimieren. In der Weiterbearbeitung soll aus­serdem eine Begrünung des Hofs entwickelt werden.

Hallenbauten

Das Projekt «Alles in Allem» von Adrian Streich Architekten (mit Energiehoch4 und Synaxis) lehnt sich an die Typologie der Zeughaus-Hallenbauten an. Zwei Hallen docken pa­rallel an den bestehenden Bau an. Durch eine 2 m breite Erschliessungsschicht entsteht ein Lichtraum ­zwischen Alt und Neu, und die Materialisierung in Holz schafft ein atmosphärisches Pendant zum Backsteinbau.

Ein Vordach öffnet sich über die gesamte Gebäudelänge zum Zeughausplatz, wirkt als Willkommensgeste und leitet ins Foyer über. Während das Foyer in den «Saalbau» mit den beiden Sälen samt Kunst­raum und Kino im Obergeschoss führt, stellt die Korridorschicht die Verbindung zum ehemaligen Zeughaus her, in dem sich im Erdgeschoss die Neben- und Gast­räume und im Obergeschoss die Musikschule befinden. Das Restaurant orientiert sich zum öffentlichen Raum gen Berchtoldstrasse und Stadtzentrum; im Innenraum entsteht durch das Aufbrechen der Decken ein überhoher Raum, der das Betonskelett erlebbar macht.

Die Konstruktion von Foyer- und Saalbau soll sich auf den ephemeren Charakter von Zwischen­nutzungen und Festarchitekturen beziehen. Die Architekten zitieren die hölzerne Festarchitektur «der Landi 1939 oder der Manifesta 11 von 2016». Durch die Gliederung in Schichten werden alle Räume kompakt mitein­ander verwoben. Laut Jury ermöglicht die «Denk­malpflege im Sinn einer Weiter­ent­wicklung» jedoch nicht genügend neue Impulse für den Freiraum und die Adressbildung des neuen Kul­turzent­rums.

Potenziale des Areals

Bei den ersten beiden Rängen handelt es sich um charaktervolle Projekte mit unterschiedlichen Ansätzen. Entwickelt «KUZU» den dichten Städtebau weiter, so lehnt sich «Alles in Allem» an die vorhandenen Qualitäten des Zeughausareals an. Mit Blick auf den Gestaltungsplan und die beabsichtigte Verdichtung der arma­suisse im Westen mit Wohnbauten mag der erste Rang eine realistische Perspektive aufzeigen. Seine beiden unterschiedlich hohen, die Zeughaushalle überragenden Baukörper mit einem «Überangebot an günstigem Raumvolumen» antizipiert ein kräftiges Gegenüber. «KUZU» ermöglicht einen wandelbaren Dialog zwischen den drei Bauten, der Flexibilität und Adaption – sozusagen die Idee eines «Fun Palace» – mit einem soliden Städtebau verbindet.

Weitere Pläne und Visualisierungen zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «KUZU»
EM2N Architekten, Zürich; Abicht Zug, Zug; Dr. Deuring + Oehninger, Winterthur; Balliana Schubert Landschaftsarchitekten, Zürich; Applied Acoustics, Gelterkinden
2. Rang / 2. Preis: «Alles in Allem»
Adrian Streich Architekten, Zürich; Energiehoch4, Zürich; Synaxis Zürich
3. Rang / 3. Preis: «Hegel»
moos giuliani herrmann architekten, Uster / Zollinger Architekten, Winterthur; Haerter & Partner, Zürich; Dr. Lüchinger + Meyer, Zürich
4. Rang / 4. Preis: «La dolce vita»
Jomini & Zimmermann Architekten, Zürich; Raumanzug, Zürich; Meichtry & Widmer, Zürich / IHT Rafz Inge­nieur­holzbau + Holzbautechnik, Rafz

FachJury

Meinrad Morger, Architekt, Basel (Moderation); Barbara Buser, Archi­tektin, Basel; Maria Conen, Archi­tektin, Zürich; Lukas Schwein­gruber, Landschafts­architekt, Zürich; ­Emmanuelle Urban, Kantonale Denkmalpflege

SachJury

Barbara Thalmann, Stadtpräsidentin Stadt Uster; Cla Famos, Stadtrat, Stadt Uster; Oliver Hagen, Mitglied Kultur­kommission; Christian Zwinggi, Abtei­lungsleiter Präsidiales, Stadt Uster

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