«Für die­sen Wett­be­werb braucht es gleich­wer­ti­ge Part­ner»

Investorenstudienauftrag Areal Hardturm in Zürich

Die Bieter- und Planungsteams für das Hardturm-Areal stehen seit Kurzem fest. Warum ist hier ein Investorenwettbewerb im selektiven Verfahren die beste Lösung? Patrick Gmür, Direktor des Zürcher Amts für Städtebau und Jurymitglied, erklärt die politischen und wirtschaftlichen Hintergründe.

Publikationsdatum
16-12-2015
Revision
18-12-2015

TEC21: Herr Gmür, in der langen Planungsgeschichte des Hardturm-Areals und des Fussballstadions läuft ein weiterer Wettbewerb. Wie kommt es dazu?
Patrick Gmür: Vorweg möchte ich festhalten, dass in der Stadt Zürich alle wichtigen und grossen Projekte über Architekturwettbewerbe beziehungsweise Studienaufträge entwickelt werden. Wir sichern damit eine überdurchschnittliche städtebauliche und architektonische Qualität. Dieses hohe Gut, das wir besitzen und für das wir bekannt sind, wollen wir auch in Zukunft weiter pflegen.
Beim Hardturm-Areal präsentiert sich alles ein wenig anders: Einerseits hat die Entwicklung des Areals schon eine lange Geschichte; andererseits sind noch andere Faktoren als nur der Wettbewerb zu berücksichtigen. Zusammenfassend und in der Sprache des Fussballs könnte man sagen: Die erste Halbzeit war das Projekt «Pentagon» von Marcel Meili, Markus Peter Architekten um die Jahrtausendwende.
Dann folgte die zweite Halbzeit mit den Stadion- und Wohnungsbauwettbewerben der Stadt Zürich und den Siegerprojekten von Burkhard Meyer für das Stadion und von Bob Gysin + Partner für den Wohnungsbau. Und im September 2013 kam die Volksabstimmung, die das gesamte Vorhaben scheitern liess und aufgrund derer das Spiel abgepfiffen werden musste.

TEC21: Folgt mit dem Investorenwett­bewerb nun die Nachspielzeit oder die Revanche?
Patrick Gmür: Es handelt sich weder um die Nachspielzeit noch um eine Revanche, sondern um ein neues Spiel. Die Stadt Zürich musste gerade von den Investoren und Entwicklern im Vorfeld immer viel Kritik einstecken. Jetzt bietet sich für genau diese Kreise die Chance, zu beweisen, dass ein Stadion finanziert und gebaut werden kann und dazu noch wirtschaftlich ist. Das Nein des Volks ist Tatsache. Mit dem Investorenwettbewerb geht die Entwicklung des Hardturm-Areals in eine neue Runde, ohne die finan­zielle Beteiligung der Stadt und ohne die Beteiligung der Steuerzahlenden.
Für das Spiel werden jetzt Teams gesucht, die aus privaten Investoren und Architekten bestehen. Die grosse Herausforderung wird darin liegen, private Investoren zu finden, die dieses Stadion bauen und finanzieren können. Natürlich hätten diese Investoren für derart grosse komplexe Vorhaben am liebsten maximale Freiheiten.

TEC21: Dabei wurden die Wettbewerbs­regeln ja bereits gelockert; der ­Perimeter wurde erweitert, und mit einem Investorenprojekt für die Querfinanzierung des Stadions können die Investoren eigene ­Projekte und Ideen einbringen.
Patrick Gmür: Richtig! Aber aus der Sicht der privaten Investoren könnten diese Freiheiten noch grösser sein. Zudem verhält es sich mit dem Grundstück auch nicht ganz einfach. Wir haben die Gewässerschutzzone und den Lärmschutz, die es zu berücksichtigen gilt. Dazu kommt, dass das Baugesetz auf diesem Grundstück angepasst bzw. noch geschaffen werden muss.
Mit anderen Worten: Es braucht Sonderbauvorschriften oder einen Gestaltungsplan. Für diese Planungsinstrumente gibt es klare Vorgaben; zudem setzt der Gemeinderat sie am Schluss in Kraft. Eine «Carte blanche» ist schon rein deshalb nicht möglich. Dem gegenüber steht, dass wir in der Stadt Zürich einfach über keinen anderen geeigneten Standort für ein Fussballstadion verfügen.

TEC21: Es gab auch Stadionvorschläge für Dübendorf und Altstetten. Trotzdem wird am Standort Hardturm festgehalten.
Patrick Gmür: Unsere Analysen zeigen, dass all diese Standorte gemäss unserem heutigen Wissen nicht geeignet sind. Auf den ersten Blick und aus raumplanerischer Sicht mögen diese Ideen und Vorschläge zwar nicht falsch sein. So könnte man sich beim Bahnhof Altstetten mit dem Eishockeystadion und einem neuen Fussballstadion durchaus eine «Sportmeile» vorstellen. Doch mit der Umsetzung der Kulturlandinitiative und den bestehenden Schrebergärten ist es dort vermutlich noch schwieriger, ein Fussballstadion zu realisieren.
Auch in Dübendorf ist es nicht einfacher. Auf dem besagten Gebiet in Stettbach war früher einmal ein Autobahnzubringer geplant; dieser ist immer noch im Richtplan eingetragen. Um mit einer Planung beginnen zu können, müsste dieser Eintrag zuerst aufgehoben werden, sonst läuft es ähnlich wie bei unserem Vorschlag für das Kongresszentrum auf dem heutigen Sihlquai-Carparkplatz, wo die unterirdische Baulinie für den City-Strassentunnel konkrete Planungen fast verunmöglichte.
Derartige Eintragungen können meist nicht in einem realistischen Zeithorizont geändert werden, da bei solchen Vorgaben nicht mehr die Gemeinde, sondern der Bund oder der Kanton zu­ständig ist. In diesem Sinn ist zu akzeptieren, dass es in Zürich keinen anderen Standort für ein Fussballstadion gibt als das Hardturm-Areal.

TEC21: Ist denn das Hardturm-Stadion für das Quartier ein Fluch oder ein Segen?
Patrick Gmür: Das Hardturm-Areal ist sehr gut erschlossen; mit dem ehemaligen Stadion haben wir zudem bereits eine langjährige Fussballtradition im Quartier. Der Stadtrat hat im letzten Sommer beschlossen, für das Hardturm-Areal einen Investorenwettbewerb auszuschreiben, um die Realisierbarkeit eines von Privaten gebauten und betriebenen Stadions auszuloten. Dazu hat das Parlament einen Kredit von einer Million Franken für den Investorenwettbewerb inklusive Preis­gelder gesprochen.
Die Stadt plant also selber kein neues Fussballstadion, sondern schafft die Bedingungen dafür, dass dieses Projekt möglich wird. Das Wettbewerbsprogramm wurde von einem privaten Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Stadt ausgearbeitet. Dabei lag der Fokus weniger auf städtebaulichen Vorgaben, sondern auf solchen, die eine grösstmögliche Wirtschaftlichkeit garantieren.

TEC21: Warum genau ein Investoren­stu­dien­auftrag mit Präqualifikation?
Patrick Gmür: Für das gesamte Projekt auf dem Hardturm-Areal wird ein Investor gesucht, der für den Baurechtszins aufkommen und die Finanzierung sämtlicher Bauten übernehmen kann. Er muss somit über gute Solvenz und Bonität verfügen und grob gesagt eine halbe Milliarde Franken aufbringen und stemmen können. Mit der Präqualifikation soll die Bonität dieser Bewerber überprüft werden, bevor mit den grossen Planungen begonnen wird. Ich bin überzeugt: Für diesen Wettbewerb braucht es gleichwertige Partner, die sich auf Augenhöhe begegnen und gemeinsam einen guten Vorschlag ausarbeiten können.

TEC21: Also kein Wettbewerb für junge Architekturbüros, die vom grossen Stadionwurf träumen …
Patrick Gmür: Eher nicht. Denn schon rein wegen der Grösse und Komplexität des Projekts sind grössere Büros mit Erfahrung in derartigen Prozessen und Planungen im Vorteil. Für die Nachwuchsförderung haben wir mit anderen Wettbewerben und Studienaufträgen sehr gute Möglichkeiten und Gefässe, speziell auch beim Amt für Städtebau, gezielt nach Ideen und Beiträgen der jungen Architektengeneration zu suchen.

TEC21: Welche Rolle spielt denn überhaupt die Architektur bei diesem Hardturm-Wettbewerb?
Patrick Gmür: Wenn ein derart grosses Stück Land in der Stadt Zürich auf den Markt kommt, sind aus meiner Sicht als Direktor des Amts für Städtebau neben der Wirtschaftlichkeit der Städtebau und die Architektur sehr wichtige Krite­rien. Auf der anderen Seite weiss ich, dass dieses Grundstück mit dem Stadion, ungefähr 170 gemein­nützigen Wohnungen und einer zusätzlichen Nutzung, mit der das Stadion querfinanziert werden soll, sehr hohe Forderungen und Ansprüche an die Investoren und Architekten stellt.
Neben dem Städte­bau und der Architektur spielen deshalb auch Konzeption, Nutzungsverteilung, Etappierung und Bauprozess eine enorm wichtige Rolle. Dementsprechend sind wir auf grosse und namhafte Architekturbüros angewiesen, die Erfahrungen in diesen Bereichen mitbringen, die genau in diesen Fragestellungen trainiert sind und mit guten Lösungen reagieren können.

TEC21: Gibt es städtebauliche Vorgaben oder Leitbilder?
Patrick Gmür: Grundsätzlich sind wir frei und offen. Aus Erfahrung wissen wir aber, dass aufgrund von baurechtlichen Vorgaben nicht alles möglich ist: Hohes Grund­wasser, eine schräg verlaufende Grundwasserschutzlinie, die in Zürich geltende Zwei-Stunden-­Schatten-Regel oder die Geometrie des Grundstücks machen die Auf­gabenstellung in Bezug auf den Städtebau und die Architektur «tricky».
Und neben dem Stadion und den sicheren Aufmarsch­routen soll ja auch noch ein öffentlicher Platz entstehen und eine gute städtebauliche Lösung für das Quartier vorgeschlagen werden, die von der Jury beurteilt werden kann.

TEC21: Im Zusammenhang mit dem Investorenprojekt hört man immer wieder das Thema Hochhaus. Ist das Hochhaus der gesuchte Lösungsansatz?
Patrick Gmür: Das Thema Hochhaus bzw. Hochhäuser ist im Spickel zwischen Berner- und Pfingstweidstrasse kein einfaches und muss sehr gut gelöst sein; das weisen auch die Projektstudien von Marcel Meili, Markus Peter Architekten nach. Denn neben der Parkierung, die aufgrund des Grundwassers kaum unterirdisch gelöst werden kann, wirkt ein Hochhaus wie ein «Space-Divider», der den Autobahn­zubringer teilt.
Damit das Hochhaus für Wohnungen attraktiv wird, müssen für das Erdgeschoss und den Sockelbereich gute Lö­sungen und die entsprechenden Nutzungen gefunden werden. Mit anderen Worten: ein Mix, der sowohl das städtebauliche Konzept unterstützt als auch für den Investor genügend Rendite für die Quersubventionierung abwirft. Da ein Hochhaus in seiner Erstellung auch nicht günstig ist, stellt sich letztlich die Frage, ob damit ausreichend Gewinn erzielt werden kann, um das Fussball­stadion querzufinanzieren.

TEC21: Auch das Fussballstadion birgt seine Tücken.
Patrick Gmür: Richtig. Auch gibt es vom Fussballverband für das Stadion Richtlinien und Vorgaben. So muss es in Nord-Süd-Richtung angelegt sein und spezifische Sicherheitsanforderungen erfüllen. Beispielsweise dürfen die beiden Fan­kurven nicht direkt nebeneinander liegen, was unmittelbare Auswirkungen auf die Zugänge hat. Diese müssen diagonal versetzt sein, damit die unterschiedlichen Fangruppen über verschiedene Aufmarschrouten und Zugänge ins Stadion gelangen können, ohne sich direkt zu begegnen.
Die Frage des sicheren Zugangs hat uns beim letzten Projekt sehr lang und intensiv beschäftigt. Jetzt sind wir wieder offen und gespannt auf neue gute Lösungen.

TEC21: Wie kann architektonische Qualitätssicherung gewährleistet werden?
Patrick Gmür: Mit dem Präqualifikationsverfahren kann schrittweise vorgegangen werden. Nach der Prüfung der Bonität und Zahlungsfähigkeit der privaten Investoren und der Auswahl von geeigneten Teams wird mit dem anschliessenden Studienauftrag nach dem besten Projekt gesucht. Die Fachjury wird die Projekte neben wirtschaftlichen und betrieblichen Aspekten selbstverständlich auch nach architektonischen und städtebaulichen Kriterien beur­teilen. Für die Realisierung des Siegerprojekts muss das Bieterteam einen Gestaltungsplan oder Sonderbauvorschriften aus­arbeiten; diese werden dann im Gemeinderat diskutiert und von diesem genehmigt.
Mit diesen Instrumenten haben wir die Möglichkeit, die Qualität und die nachhaltige Entwicklung der Stadt zu sichern. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, und ich bin sicher, dass sie auch für dieses Projekt zielführend sind. Zudem liegt es auch im Interesse der Investoren und Architekten, möglichst rasch und effizient ihr Ziel zu erreichen.

TEC21: Ist dieser Investorenwettbewerb die letzte Chance ein Fussballstadion/Hardturm-Stadion in Zürich zu realisieren?
Patrick Gmür: Die Erfahrungen mit «letzten Chancen» sind ja, dass es manchmal doch eine neue gibt. Aber an diesem Ort haben wir wohl tatsächlich alle Möglich­kei­ten durchgespielt: Private Inves­toren sind mit ihrem Pentagon ebenso gescheitert wie die Stadt mit ihrem redimensionierten Projekt; das Grossstadion wurde versenkt und das kleinere abgelehnt.

TEC21: Wir sind gespannt und bleiben dran. Besten Dank für das interessante Gespräch!

Patrick Gmür ist seit 2009 Direktor des Amts für Städtebau in Zürich. Nach dem Architekturstudium an der ETH Zürich führte er von 1989 bis 2009 ein Architekturbüro in Zürich, bis 1998 mit Regula Lüscher. 1998–2008 war er zudem Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Er ist Jurymitglied beim Investorenstudienauftrag Areal Hardturm 2015 und war bereits beim Stadionwettbewerb Hardturm 2012 im Beurteilungsgremium.

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