Fo­go – In­sel mit An­schluss

Die zweiteilige Wohn- und Ateliersiedlung Fogo in Zürich Altstetten besteht grösstenteils aus Holzmodulen. Junge Erwachsene in Ausbildung, Asylsuchende, Kreative, innovative Köche und Köchinnen sowie Klein­gewerbetreibende sind hier seit Ende 2018 kostengünstig untergekommen.

Publikationsdatum
19-11-2019

Die beiden Fogo-Siedlungen links und rechts des Geerenwegs bereichern den vorwiegend durch Bürobauten, Tramendstation, Autobahn- und Europabrücke sowie den Bahnhof Altstetten geprägten Ort: Die markant einfache Architektur des Fogo, die jungen Bewohner und Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen bilden dazu einen lebendigen Kontrast. Auf der Westseite des Wegs vermietet die Stiftung Einfach Wohnen (SEW) einen Teil ­ihrer WG-Wohnungen in zwei dreistöckigen Holzmodulzeilen an das Ju­gen­d­­wohn­netz (Juwo) und an die Asylorga­nisation Zürich (AOZ).

Auf der Ostseite ­befindet sich die von der AOZ erstellte Holzmodulsiedlung mit Ateliers. In ihrem Zentrum stehen Metallcontainer, die nach acht Jahren von der Asylsiedlung in Leutschenbach an den Vulkanplatz verlegt wurden. 20 Jahre können nun die AOZ und die SEW die beiden städtischen Grundstücke zwischennutzen. Im Fogo wird ein Unterbringungskonzept mit Geflüchteten und jungen ­Erwachsenen in Ausbildung nach Inklu­sionsprinzipien erprobt.

Treffpunkt und Hafen auf Zeit

Den mit der SEW als Bauherrin erstellten westlichen Teil gestaltete die KHS, eine Arbeitsgemeinschaft der HDPF Architekten, des Architekten Johannes Kaufmann und des Bautechnikers Urs Schläpfer. Die TU-Ausschreibung für die Vergabe der Planung und Ausführung erfolgte zu einem definierten Werkpreis. Vorgaben waren die Grundsätze der 2000-Watt-Gesellschaft und ein Holzmodulbau. Luftwärme-, Wasserwärmepumpe und PV-Anlage sind darum Teil des Energiekonzepts. Robuste Materialien wie Chromstahl in den ­Küchen halten die Kosten unter ­Berücksichtigung des Lebenszyklus tief.

Eine 8 m hohe Mauer schützt den gemeinschaftlichen Innenhof vor den Immissionen der Auto­bahn. Die 93 Module wurden ein­schliesslich Küchen und Nasszellen mit Leitungen vorgefertigt ge­liefert, in einer Woche aufgestellt und sind dereinst wiederverwendbar. Erfreulicherweise gab es nach Bauabschluss keine Nachbesserungsarbeiten, wie Patrik Suter von der Juwo betont. Das Juwo ist für mehr als 1500 junge Leute, die zurzeit in der Stadt Zürich auf der Suche nach einer günstigen Unterkunft sind, eine gefragte Anlaufstelle.

Bunt, elementar, bezahlbar

hoffmannfontana architekturen waren zuständig für den Teil der AOZ östlich des Geerenwegs. Die alten Metallcon­tainer aus Leutschenbach brauchten lediglich neue Dächer und einen Sonnenschutz – dafür wurde zur Optimierung von Unterhaltsaufwänden auf zusätzliche Balkone für die Asylsuchenden verzichtet. Ebenso liessen sich Kosten sparen, indem die Container und die neuen Modulbauten auf Punktfundamenten stehen.

Der Aushub musste minimiert werden, denn auf dem Terrain befanden sich nebst Altlasten und zahlreichen invasiven Neophyten auch seltene einheimische Arten, die es zu schützen gilt. Um die horizontalen Anschlüsse der Module mit den Containern abzustimmen, übernahmen die Architekten deren Masse von 3 m × 10 m.

Die Ateliers, die als «Mantel» um die Metallcontainer herum gestellt sind, bilden einen Platz, den sie gegen den Lärm von der Autobahn- und der Europabrücke schützen. Dennoch sind die Holzbauten gegen die Autobahn nicht hermetisch abgeschlossen, sondern durch Terrassen und Aus­blicke gegliedert. Ein Standplatz für ­Fahrende und der Blick auf die Autobahnbrücke tragen zur besonderen urbanen Stimmung bei.

Sämtliche aussen liegenden Erschliessungen sind aus Metall, und die Holzelemente sind trenn- und rezyklierbar. Das thermobehandelte Tannenholz sollte 20 Jahren Wind, Regen und Ab­gasen standhalten. Ein Wiederaufbau an anderer Stelle ist theoretisch möglich – ob es sich dann aber kostenmässig auszahlt, die Haustechnik mit Steigzonen und Wasserzufuhr neu zu verlegen, muss zu gegebener Zeit entschieden werden.

Die alten Metallcontainer aus Leutschenbach sind gelb-, creme- und orangefarben. Visuell springen beim Fogo im öst­lichen Teil das von Beatrice Fontana entwickelte Farb- und Materialkonzept und das von Studierenden der ZHDK entworfene Logo am Turm ins Auge. Die Anlage auf der Ostseite wirkt dagegen mit den gegen aussen geschlossenen Holz­zeilen, die den Innenhof umgeben, schlichter und zurückhaltend.

Die unterschiedliche Gestaltung der beiden Be­reiche hängt vermutlich von der jeweiligen Nutzung ab – eigentlich schade, dass sie nicht verwandter erscheinen. Alles in allem aber wirkt das Fogo, dessen Name von einem kapverdischen Vulkan stammt, wie eine einladende, gelassene Insel hinter dem Bahnhof Altstetten, umspült von der beflissenen Arbeitswelt, dem Verkehr und umgeben von uniformen Geschäftsbauten.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Stadt aus Holz – Module, Elemente, Partizipation, BIM und Provisorien». Weitere Artikel zum Thema Holz finden Sie in unserem digitalen Dossier.

 

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft:
AOZ, Asylorganisation Zürich (O)
und SEW, Stiftung Einfach Wohnen (W)

TU/Architektur:
Ostteil (O): hoffmannfontana architekturen, Zürich
Westteil (W): KHS, Appenzell (Arbeitsgemeinschaft HDPF, Zürich/Johannes Kaufmann Architekten, Dornbirn [A]/Simuba, Appenzell)

Montagebau Holz:
Kifa, Aadorf (O), und Kaufmann Zimmerei und Tischlerei, Reuthe (A) (W)

Bauphysik:
Wichser Akustik & Bauphysik, Zürich (O), und Gartenmann Engineering, Zürich (W)

Landschaft:
Laubrausch, Zürich (W); GGZ, Zürich, und Alder Eisenhut, Ebnat-Kappel (O)

 

Gebäude

Wohnungen (O) und (W): 33 x 4–6 Zimmer-Whg., 139 Einzelzimmer und 87 m2 Gemeinschaftsraum, Gewerbe, Ateliers, Gastronomie

Geschossfläche: 4608 m2 (W) und 2800 m2 (O)

Label: Minergie/Minergie-P (O) und 2000 Watt (W)

 

Holz und Konstruktion

Bauweise: Modulbau

Module/Elemente: 90 Container umgezogen,
72 Module neu (O); 93 Module (W)

Holz: Österreich (W)

 

Daten

Montage Module: 8 Tage (W); Metallcontainer
5 Tage; Holzmodule 15 Tage (Rohbau) (O)

Bauzeit: 6 Monate (W); 6 Monate (O)

Vorfertigung Werk: 3 Monate (W)


Kosten

Kosten (BKP 1–5): SEW 12 Mio CHF (W);
AOZ 8 Mio  CHF inkl. Umzug Container
Leutschenbach (O)

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