Ent­wick­lungs­zu­sam­men­ar­beit im Kon­text

Die Jahreskonferenz der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit 2012 fand im August in Bern statt. An der Veranstaltung mit dem Titel «Zusammenarbeit wirkt» sprachen u.a. Bundesrat Didier Burkhalter und der Direktor der DEZA, Martin Dahinden, darüber, wie die vorhandenen Mittel verwendet und die Erfolge gemessen werden, über die Forschritte der Entwicklungsländer und die Position der Schweiz.

Publikationsdatum
14-12-2012
Revision
01-09-2015

Zum ersten Mal gehen die Agentur für internationale Zusammenarbeit im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten DEZA und das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO in der internationalen Zusammenarbeit 2013–2016 von einer gemeinsamen Strategie aus: Humanitäre Hilfe, Entwicklungs-, Ost- und wirtschaftliche Zusammenarbeit werden den gleichen politischen Vorgaben und Leitlinien folgen. Die Rahmenkredite sind auf gemeinsame Eckwerte ausgerichtet. Zudem wurden in der neuen Strategie die Globalprogramme Klimawandel, Ernährungssicherheit, Wasser, Gesundheit, Migration sowie Finanz und Handel definiert. Das Parlament hat Anfang 2012 der Erhöhung der Mittel für die öffentliche Entwicklungshilfe (ADP) um 0.04 % bis 2015 zugestimmt. Die Schweiz befindet sich mit Ausgaben von 0.5 % ihres BNP im europäischen Vergleich im Mittelfeld.1 2011 betrugen die Ausgaben mit 0.46 % 2.7 Mrd. Franken. Die grössten Beträge fielen auf das DEZA mit 1.496 Mrd., das SECO mit 246 Mio. und auf das Bundesamt für Migration BFM mit 395 Mio. Vom letztgenannten Betrag gingen 381 Mio. an Asylsuchende in der Schweiz.

Von der Hilfe zur Zusammenarbeit

Entwicklungshilfe hat sich zur Entwicklungszusammenarbeit gewandelt. Wasserknappheit, Klimawandel. Ernährungsunsicherheit, politische Konflikte, aber auch Erkenntnisse, die bei Projektumsetzungen gemacht wurden, verlangen nach anderen Lösungsansätzen als noch vor einigen Jahren. Sachliche Hilfestellungen oder Nothilfe in der Krise werden immer öfters durch einen umfassenden, Struktur bildenden Aufbau ersetzt, an dem verschiedene Akteure beteiligt sind. So werden Projekte etwa in eine Wertschöpfungskette gestellt: Auf verbesserte landwirtschaftliche Produkte folgen deren angemessene Weiterverarbeitung, das Marketing und vorteilhaftere Exportbedingungen. Ein Schulhaus soll eine sinkende Analphabetenrate zur Folge haben, und Projekte sollen von den betroffenen Menschen mitgetragen oder sogar von ihnen initiiert worden sein. Teilweise bekannte Themen wie Frauenförderung, Bildung, Friedenssicherung, Umweltschutz und Aufbau funktionierender Staatsstrukturen werden noch wichtiger. Zukünftige Aufgaben müssen mit privaten Organisationen wie der Bill & Melinda Gates Foundation oder Ländern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika koordiniert werden.

Schwellenländer sind 2011 für mehr als drei Viertel des weltwirtschaftlichen Wachstums verantwortlich. Ihr Beitrag kann beispielsweise beim Umweltschutz optimiert werden, und ihre wirtschaftlichen und politischen Ziele müssen in die Gesamtplanung mit einbezogen werden. So beteiligt sich die Schweiz im Rahmen der Initiative «Low Carbon Cities China» an einem Programm mit fünf chinesischen Millionenstädten, in denen ein klimaschonendes Energiemanagement eingeführt wird.

Angesichts dieser komplexer werdenden Zusammenhänge und der Themenvielfalt stellt sich sogar die Frage, ob unter den Geberländern zukünftig eine Rollenteilung oder eine Spezialisierung erfolgen sollte – und wie sich die Schweiz darin positioniert.

Zukünftige Herausforderungen

Der Titel der Konferenz «Entwicklungszusammenarbeit wirkt» stellt sich gegen die in letzter Zeit in der Presse oder in politischen Debatten geäusserte Meinung, dass Entwicklungshilfe ineffizient oder gar überflüssig sei. Dass dies auf manche Projekte zutrifft, hat dem Ruf der Entwicklungshilfe geschadet. Tatsache ist hingegen auch, dass viel erreicht wurde und noch viel mehr getan werden muss. Die Schweiz engagiert sich in der ADP in zwei Bereichen: der bilateralen und der multilateralen Zusammenarbeit. Durch die bilaterale Zusammenarbeit erhielten beispielsweise seit 2006 400.000 Menschen dank DEZA-Programmen Zugang zu sauberem Wasser und sanitärer Grundversorgung. In den Schwerpunktländern Tansania und Mosambik ging dank Schweizer Programmen die Kindersterblichkeit in den letzten zehn Jahren um ein Drittel zurück. Multilaterale Programme, an denen sich die Schweiz beteiligt, bewirken, dass an die 15 Mio. Kinder nicht mehr fehlernährt sind. Einige der unterstützten Länder wie Ghana oder Vietnam wandeln sich zu Entwicklungsländern mit mittlerem Einkommen.2
Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass die von der Uno gesetzten Millenniums-Entwicklungsziele3 2001-2015 in den meisten Teilen der Welt nicht erreichbar sind: Zwei Milliarden Menschen leben noch immer von weniger als 2 US-Dollar pro Tag, eine Milliarde ist bei täglich steigendem Ressourcenbedarf unterernährt. Wie relevant der Beitrag der Schweiz im internationalen Kontext ist, hängt auch damit zusammen, dass er sich nicht nur auf finanzielle Leistungen beschränkt: Er besteht ebenso aus wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Kompetenz und der Glaubwürdigkeit im politischen Handeln der Beteiligten.

Messen und lernen

Wie schwierig es ist, manche Erfolge zu messen, veranschaulicht Bundesrat Didier Burkhalter am Beispiel einer Brücke: Man kann einfach zählen, wie viele Leute sie überqueren, es ist aber sehr schwierig zu belegen, inwiefern die Armut in der Region durch den Brückenbau vermindert wurde. Das Geld des ADP soll aber nicht für Statistiken und Erfolgskurven verwendet werden, sondern zur Armutsbekämpfung. Vernunft walten lassen – so viel wie nötig, so wenig wie möglich, ist die Devise.
Es sei auch wichtig, dass die Projektwahl nicht von der Aussicht auf positive Ergebnisse geleitet wird, sondern gerade dort ansetzt, wo Hilfe schwierig ist. Genau diese Menschen sind dringend darauf angewiesen – ein Konsens, der durch die ganze Konferenz hindurch spürbar war. Schliesslich ist das Umfeld der Entwicklungshilfe schwierig, und nicht alles sei kalkulierbar. Aus Fehlern lernen, lautete einer der Punkte in Didier Burkhalters Rede, und es wäre interessant gewesen, auch darüber mehr zu erfahren. Neben den präsentierten erfolgreichen Beispielen hätten auch konkrete, kritische Betrachtungen von Projekten das komplexe Gebiet noch besser veranschaulichen können.

Anmerkungen

  1. Schweden steht im Jahre 2011 mit Ausgaben von 1.02 % des BNP an der Spitze, gefolgt von Norwegen mit 1 %.
  2. Ein von der Weltbank festgesetzter Status: Entwicklungsländer mit einem BNP pro Kopf und Jahr von weniger als 1005 US Dollar werden als LIC (Low Income Country) bezeichnet, solche mit einem höheren Einkommen als MIC (Middle Income Country).
  3. Unter anderem ist in den Millennium-Entwicklungszielen festgehalten, dass bis zum Jahr 2015 der Anteil der Menschen, die mit weniger als 1.25 Dollar pro Tag auskommen müssen, im Vergleich zu 1990 halbiert werden soll. 2005 sank die Zahl von 1.8 auf 1.4 Mrd. Menschen. Nun wird aber erwartet, dass die Zahl wieder um 55 bis 90 Mio. höher liegen wird als vor der Wirtschaftskrise.

Verwandte Beiträge