Ein Kul­tur­er­be si­chern

Die Liste der Schutzobjekte

ICOMOS Suisse hat während 20 Jahren rund 30 000 schützenswerte Gärten und Anlagen erfasst. Die Liste ist nicht rechtsverbindlich – weshalb sie dennoch nötig war, erklärt die Leiterin der Arbeitsgruppe ­Gartendenkmalpflege.

Publikationsdatum
19-03-2015
Revision
06-10-2015

Der Garten ist ein lebendiges Kulturdenkmal. Um seinen Wert als Zeuge der Vergangenheit zu wahren, sind daher besondere Anstrengungen erforderlich. Er ist zum grössten Teil aus vergänglichem Material geformt. Dieses Pflanzenmaterial ist nicht nur dem Wechsel der Jahreszeiten ausgesetzt, sondern durchlebt auch ein eigenes Leben von der Keimung bis zum Absterben und gänzlichen Verfall. Sein sich stets wandelndes Erscheinungsbild prägt mit den verschiedenen Pflanzen- und Gehölz­gruppen die unverwechselbare Atmosphäre einer Anlage. Die «Wesenhaftigkeit» des Gartens, seine sinnlichen Qualitäten schaffen einen unmittelbaren und emotionalen Bezug zum Menschen; das zeigt sich an der grossen Anzahl von Gartenbegeis­terten. 

Auch wenn sie nicht immer sofort erkennbar ist – zum Garten gehört eine mehr oder weniger klare gestalterische Absicht, die oft mit der Nutzung verbunden ist. Diese gartenkünstlerische Gestaltung – sei es eine simple Anlage von rechteckigen Gartenbeeten, eingefasst mit niedrigem Buchs, sei es die absichtsvolle Überhöhung einer vorbestandenen Gehölzgruppe – gilt es zu erkennen, zu dokumentieren und über den natürlichen Wechsel hinaus zu bewahren. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn in Unkenntnis der «Gartenidee» kann diese allein schon durch Neupflanzungen und gedankenlose Ersatzpflanzungen verloren gehen. Ist ein Garten in seiner Gestaltungsidee nicht mehr erkennbar, verliert er an Wertschätzung. Historische Gärten dagegen, die aufgrund ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung einen hohen Zeugniswert haben, stehen im Rang eines Denkmals im Blickpunkt des öffentlichen Interesses. 

Eine Lücke schliessen 

Mit der geforderten baulichen Verdichtung hat der wirtschaftliche und politische Druck auf das fragile Kulturgut Garten deutlich zugenommen. Sollen in den ohnehin schon hoch ausgenutzten Orts- und Stadtkernen nun auch die Gartenräume überbaut werden? Beschäftigt man sich differenzierter mit dem Thema, so erkennt man, welch hohe gesellschaftliche und städtebauliche Bedeutung den Gartenräumen für Begegnung und Erholung zukommt: Je mehr an einem Ort verdichtet wird, desto wichtiger sind ausreichend grosse Gartenräume. 

Schon anfangs der 1990er-Jahre kam es zu teilweise hefti­gen Protesten der Öffentlichkeit, die sich gegen die Aufhe­bung oder Zerstörung von historischen Gartenanlagen richteten. Gleichzeitig wurde ­Fach­leuten und Gartenliebhabern bewusst, dass zur vielfältigen Schweizer Garten­kultur bislang kein gesichertes Wissen vorhanden war. Diese Lücke galt es zu schliessen. Schnell verständigte man sich darauf, dass erste Schritte über ein Inventar erfolgen müssten, und gründete 1992 die ICOMOS-Arbeitsgruppe Gartendenkmalpflege1,­ die die Zusammenarbeit von Fachleuten verschiedener Disziplinen gewährleisten soll. 

Mehr als 20 Jahre später, am 4. Juli 2014, gab das Bundesamt für Kultur im Terrassengarten des Von-Wattenwyl-Hauses in Bern eine Einladung – ge­-feiert wurden die Fertigstellung der ­ICOMOS-Liste ­historischer Gärten und Anlagen der Schweiz und die Veröffentlichung eines «Leitfadens für Behörden und Fachleute zum Umgang mit Gartendenkmälern in der Planung».2 Darin werden exemplarische Wege aufgezeigt, wie Gärten und Anlagen geschützt und langfristig erhalten werden können.Die Liste ist ein einfaches, nicht rechtsverbindliches Hinweisinventar und wurde ab 1993 auf privater Ebene initiiert. Aufgelistet sind möglicher­-
weise schutzwürdige, «denkmalverdächtige» historische Gärten und Anlagen. Ab 1994 bis 2014 leitete die ICOMOS-Gruppe Gartendenkmalpflege die Inventa­risierung. 

Vom Schoggitaler zum Gartenjahr 

Bereits 1994 startete im Kanton Aargau ein Testlauf zur Listenerfassung. Ein Jahr später begann in sechs weiteren Kantonen die Arbeit. Über die Aufnahme auf die Liste entschied die ICOMOS-Arbeitsgruppe Gartendenkmalpflege. Gesamt­organisation, fachliche Beratung und Betreuung sowie Sammeln und Verarbeiten der Daten lagen ebenfalls in ihrer Kompetenz. Im Jahr 1995 widmete zudem der Heimatschutz seinen «Schoggitaler» den historischen Gärten. Damit lenkte man zusätzliches Interesse auf das Thema und stärkte die Bestrebungen, das bedrohte Kulturgut zu schützen. Der Verkaufserlös floss unter anderem in Instandstellungsarbeiten an den gefährdeten Gartendenkmälern im südbündnerischen Bergell und an den Schlossgärten von Vullierens VD und Teufen ZH. Parallel zur laufenden Listenerfassung wurde bei jedem Listenabschluss eines Kantons die Öffentlichkeit informiert und der kantonalen Denkmalbehörde die komplette ICOMOS-Gartenliste feierlich übergeben. Erste Ergebnisse der Erfassung wurden anlässlich des Gartenjahrs 2006 in einer inzwischen vergriffenen Publikation dargelegt.3

Bei den Rundgängen durch Dörfer und Städte sind alle Gärten und Anlagen sowie vor 1960 erstellte Gartenstadtsiedlungen in urbanen Gebieten berücksichtigt worden. Voraussetzung war, dass sie in ihren gartenbaulichen Grundzügen noch erkennbar sind. Verfallene Gärten oder solche, die nur aus Archivalien bekannt sind, wurden nicht aufgenommen. Die Dokumentation der Gärten umfasst einen Kurztext und Fotos. Die Aufnahmekriterien, die einen Denkmalwert begründen, sind folgende: 

die materielle geschichtliche Substanz;  die für eine bestimmte Zeit typische Gestaltung;  die für eine bestimmte Zeit typische Gestaltung;  die Bedeutung für die lokale bzw. regionale Gartengeschichte;  die Bedeutung des Auftraggebers/Benutzers im ­Zusammenhang mit einem geschichtlichen Ereignis;  der Pflanzenbestand;  der Stellenwert im Gesamtwerk eines Gartengestalters;  ein besonders seltener Gartentyp;  der Ort, an dem sich ein Garten befindet. 

Begangen wurden Hausgärten, Separatgärten wie Baumgärten sowie öffentliche und kirchliche Gärten und Anlagen; des Weiteren auch Anlagen öffentlicher oder staatlicher Institutionen wie Regierung, Justiz, Militär, Gesundheit, Sport, Bildung, Wissenschaft, Handel, Fabriken, Industrie, Gastgewerbe und Verkehr. 

Erste Hilfe für die Gärten

Die Gartenliste allein schützt jedoch noch keinen einzigen Garten. Bis heute ist es nicht selbstverständlich, historische Gärten von hohem Zeugniswert als Kulturdenkmäler in den kantonalen Gesetzen zum Denkmalschutz aufzuführen. 

Damit die Liste zu einer rechtsverbindlichen Unterschutzstellung führt, sind eine sorgfältige Inventarisierung sowie die Festlegung des Schutzumfangs und der mittel- bis langfristigen Pflege notwendige Bindeglieder. Die grundeigentümerverbindliche Unterschutzstellung ist Sache der Kantone und der Gemeinden. Planungsrechtlich können die Gärten und Anlagen in den kommunalen Nutzungsplanungen bezeichnet und die konkreten Bestimmungen im dazugehörenden Reglement aufgeführt werden.

Anmerkungen

  1. Das 1992 gegründete International Scientific Committee on Cultural Landscapes (ISCCL-IFLA) beauftragte die Landesgruppen, Listen schützens­werter Gärten zu erstellen.
  2. Leitfaden
  3. Brigitt Sigel, Catherine Waeber und Katharina Medici-Mall (Hrsg.), Nutzen und Zierde, fünfzig historische Gärten in der Schweiz, Fotografien von Heinz Dieter Finck, Zürich 2006. 

Die komplette ICOMOS-Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz ist bei jedem kantonalen Denkmalamt zu beziehen. Auszüge zu einzelnen Gärten oder Gemeinden können zudem über gaerten [at] icomos.ch (gaerten[at]icomos[dot]ch) bestellt werden.


ICOMOS, das «International Council of Monuments and Sights», hat seinen Sitz in Paris. Es wurde 1965 als Unterorganisation der UNESCO gegründet. Die Gründung der nationalen Landesgruppe ICOMOS Suisse erfolgte 1966 in Chur. Als Vereinigung von am Denkmal tätigen Fachleuten in den Bereichen Architektur, Archäologie und Bauforschung, Denkmalpflege, Konservierung und Res­taurierung setzt sich ICOMOS für die Bewahrung des Kulturerbes ein: von bedeutenden Einzelobjekten und Ensembles über historische Stadtbilder und -strukturen bis hin zu Verkehrs-, Industrie- und Kulturlandschaften. Ziel von ICOMOS Suisse ist die kontinuier­liche Förderung und Bereitstellung gültiger Standards sowie deren Vermittlung. Eine Besonderheit von ­ICOMOS Suisse sind die wissenschaftlichen Komitees, die sich mit aktuellen Themen und Fragestellungen auseinandersetzen. www.icomos.ch

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