Von Wun­der­kam­mern und Spiel­zeug­ro­bo­tern

Dieses Jahr ehrte die Vereinigung Schweizer Innenarchitekten / Architektinnen vsi.asai an der 60. Ausgabe des World Interior Day ein ganz besonderes Architektengespann: Marianne Burkhalter und Christian Sumi. Ein Rückblick auf beinahe 40 Jahre Pionierarbeit.

Publikationsdatum
20-09-2023

Eine Führung im Werd-Hochhaus in Zürich stimmt auf den Abend ein. Blau schimmert die gerasterte Fassade der ­Kom­position aus den 1970er-Jahren, die aus einem Turm und einer liegenden Scheibe in Mies’scher Manier besteht und sich den Sockel mit einem Pavillon teilt. 2004 beendete das Büro Burkhalter Sumi Architekten die umfassende Sanierung des Büro­komplexes – in einer Zeit wohlgemerkt, in der viele Bauten aus der Nachkriegszeit abgerissen wurden. Die Aussenhülle blieb unversehrt, das Innere wurde bis auf den Rohbau entkernt. Um mehr Raumhöhe zu gewinnen, wurden Doppelböden sowie die abgehängten Decken entfernt und die Leitungen offen geführt.

Aus dem doppelgeschossigen Aussenraum unter dem nördlichen Turm machte das Architektenduo im Jahr 2006 einen Innenraum. Hier, in der Bar Werd, findet die Ehrung statt. Man betritt die Bar, wie fast alle Gebäude im Quartier, über die Ecke. Durch den mit stark vergrösserten Blättern bedruckten Sonnenschutz fällt ein diffuses Licht. Zusammen mit einer kleinen Baumgruppe neben dem Hochhaus wirkt der eingeschobene Raum mit Galerie wie ein Gartenzimmer.

Wie in vielen Projekten von Burkhalter Sumi Architekten spielt die Farbe auch hier eine zentrale Rolle. Inspirationsquelle waren oft die Farbklaviaturen von Le Corbusier, deren 63 Farben sich harmonisch kombinieren lassen. In der Bar bestimmen neben einer quietsch­gelben Wand die Komplementär­farben Grün und Rot den Innenraum, zwei Farben, die sich gleichzeitig anziehen und abstossen. Das «vert» von Le Corbusier transportiert den Aussenraum nach Innen, die Galerie sticht im kräftigen «Burkhalter-­Sumi-Rot» hervor. Die beiden Farben kommen in der Spindeltreppe, die als Mittelpunkt den Raum gliedert, zusammen und drehen sich ineinander ein.

In ihrer Laudatio erinnert Annette Gigon an die Anfangsjahre des Büros. Im Jahr 1984 gründeten Marianne Burkhalter und Christian Sumi ihr Büro in einer winzigen Kammer eines Bürgerhauses an der Freudenberg­stras­se in Zürich: ein Abbruchobjekt, das als Zwischennutzung für junge ­Architektinnen und Architekten diente und im Winter eiskalt war. Dieser Raum hatte für die Stu­dierenden etwas Ge­heim­nisvolles. Eine Wunder­kammer, in der viele Projekte ihren Anfang fanden.

Mehr als Bauen

Burkhalter Sumi Architekten de­kli­nierten den Holzbau für unterschiedlichste Nutzungen schon vor der Jahrtausendwende durch und waren damit ihrer Zeit – wie so oft – ­voraus. Selbst vor städtebaulichen Visionen machten sie nicht halt. Aber auch das Thema Re-use war ihnen schon früh ein Begriff und fand in Um- und Einbauten sowie Erweiterungen Anwendung. Im Lauf der Jahre passierten unzählige Projekte den Schreibtisch – und trotzdem ist das nur die Spitze des Eisbergs. Neben dem Bauen gaben Burkhalter und Sumi an Hochschulen ihr Wissen weiter, leisteten als Jurymitglieder bei zahlreichen Wettbewerben ihren Beitrag an die Bau- und Wett­bewerbs­kultur, planten Ausstellungen und forschten unermüdlich.

Doch die wachsende Sammlung von Spielzeugrobotern und die Liebe zu ihrem alten Citroën zeigen: Marianne Burk­halter und Christian Sumi sind menschlich. Auch wenn ihnen an diesem Abend die ganze Aufmerksamkeit gilt, stellen die beiden klar, dass ihr Gesamtwerk keine «one-man-one-woman-show» ist, sondern über die Jahre nur durch den Einsatz eines grossen Teams ermöglicht wurde.

Hier, in diesem sinnlichen, farbigen Raum kommt alles zusammen: Freundinnen, Bauherren und Bewunderinnen, gute Musik von Baba Shrimps und leckeres Essen. Menschen, die auf ein facetten­reiches Werk anstossen und sich auf Grossartiges freuen, das noch kommt. Denn eines ist sicher: Marianne Burkhalter und Christian Sumi haben noch lange nicht genug.

Verwandte Beiträge