Echt­holz und Kunst­harz

Der Trend zu Naherholung und Wellness ist in unserer Gesellschaft ungebrochen. Diesem folgend, wurde im März 2010 in Pratteln ein Komplex aus Hotel, Bürogebäude und Freizeitanlage nach Plänen des Zürcher Architekten Justus Dahinden eröffnet. Der zentrale Teil des Gesamtbauwerks ist das Freizeit- und Spassbad «aquabasilea». Die Überdachung des Schwimmbades wurde auf Wunsch der Bauherrschaft in Holzbauweise geplant und realisiert.

Publikationsdatum
12-02-2010

Bereits 1996 hat die Bauherrschaft den Zürcher Architekten Justus Dahinden mit der Planung eines Hotel-, Büro- und Naherholungskomplexes auf dem ehemaligen Werksgelände der Henkel & Cie AG in Pratteln beauftragt. In Anlehnung an die im Nachbarort Augst beheimateten Römerthermen «Augusta Raurica» erhielt das Gesamtprojekt zunächst den Namen «Raurica Nova», der aber später durch die Bezeichnung «aquabasilea» ersetzt wurde.

Nach mehreren Jahren Planung und vielen Auflagen der Gemeinde wurde 2004 die Baugenehmigung zur Erstellung des Gesamtkomplexes erteilt. Die Marazzi Generalunternehmung AG konnte den Gesamtauftrag im Jahr 2006 für sich gewinnen. Anschliessend wurde ein Team aus Fachplanern zusammengestellt, das die konstruktiven, architektonischen und technischen Anforderungen des Bauwerks in die Praxis umzusetzen hatte. Von Mai 2007 bis Dezember 2008 wurde durchgehend am Holzbau gearbeitet, um alle Planungsarbeiten wie Stab- und Detailstatik, Ausschreibung und Vergabe sowie Werkstattplanung inklusive aller Holz- und Stahlbauteile zu erstellen. Der Holzbau wurde von Januar bis März 2009 aufgerichtet. Aufgrund einer Bauverzögerung erfolgt die offizielle Eröffnung des Gesamtkomplexes erst am 5. März 2010 – nach ca. 14 Jahren Planung und Realisierung.

Dach aus gewölbten Kreissegmenten

Als Grundidee der Architekten soll der Grundriss des Freizeitbades «aquabasilea» in grober Form die Landkarte der Schweiz inklusive Kreuz der Schweizer Landesfahne inmitten der Konstruktion widerspiegeln. Aus dieser Idee heraus ergibt sich die radiale Gebäudegeometrie mit Teil-Kegeldächern in unterschiedlichen Dachneigungen (von 5° bis 33°) und ungleichen Grundlängen (von 21.75 m bis 77.30 m). In der Gebäudemitte erfolgt der Zusammenschluss der einzelnen Dachsegmente über einen Firstring, der auf vier geneigten Rundholzstützen gelagert ist. Die Stützendurchmesser verlaufen konisch von 750 mm auf 900 mm bei einer Länge von knapp 20 m. Der Firstring ist das zentrale Konstruktions- und Gestaltungselement der gesamten Dachkonstruktion mit einem Innendurchmesser von 8.60 m. Es besteht ein Konzept, die Ringöffnung mit einem drehbaren Spiegel auszurüsten, der das Sonnenlicht einfangen und in das Gebäudeinnere lenken kann.

Ob dies umgesetzt wird, ist aber noch nicht sicher. Die an den Firstring angeschlossene Holzkonstruktion besteht aus radial angeordneten Fachwerk- und Vollwandträgern. Die Vollwandträger überbrücken mit einem Querschnitt von 240/1750 mm eine Spannweite von 32.50 m. Die Fachwerkträger erreichen eine Systemhöhe von über 4 m und sind bis zu 38.50 m frei gespannt. Im Bereich der Action- und Rutschenanlagen wurden räumlich gekrümmte Unterzugträger eingebaut, sodass Spannweiten von über 70 m ohne Stützen überbrückt werden konnten. Die formalen und technischen Vorgaben der Architekten und Fachplaner ergaben zusammen mit dem Bauen in einer «Hallenbadatmosphäre» sehr komplexe Anforderungen an die Tragwerksplanung. Interdisziplinäre Zusammenarbeit war daher unabdingbar für die Erfüllung der gestellten Aufgabe. Nachfolgend werden einige spezielle Herausforderungen der statischen Planung aufgezeigt.

Brennpunkt Firstring

Von allem Anfang an war das Ziel der planenden Ingenieure, den Firstring in Holz auszuführen. Dies trotz den äusserst einseitigen Beanspruchungen und den daraus resultierenden enormem Schnittgrössen mit Biegemomenten Md,y bis ca. 6000 kNm und Md,z bis ca. 1200 kNm sowie massgebender Torsionsmomente MT,d bis ca. 400 kNm und Querkräfte Vd,y bis ca. 1300 kN sowie Vd,z bis ca. 400 kN. Die Bemessung des Firstrings erfolgte mit FEM-Software.

Das Volumenmodell wurde inkl. aller einzelnen Holz- und Leimschichten und der Verbindungsmittel aufgebaut und die Randbedingungen im Preprocessing definiert. Anschliessend wurden aussagekräftige und wirklichkeitsnahe Resultate berechnet und ausgewertet. Der grosse Rechteckquerschnitt von 1120/1760 mm konnte bei einem Ring-Aussendurchmesser von 10.84 m nicht aus einem Stück hergestellt werden. Stückgrösse, Gewicht – jedes Segment wiegt ca. 11 t –, Transport und Montage bewirkten, dass der Firstring 3-teilig hergestellt wurde. Das Fügen der Ringteile in der richtigen Höhe und Position stellte besondere Anforderungen an Planer und Unternehmer. Gesucht wurde ein Anschluss, der den Abmessungen entsprechend einige Toleranzen aufnehmen kann, verbaut aber als Einheit wirkt. Die Stösse wurden wie Betonfertigelemente durch sich überlappende Stahlbügel und durchgestossene Bewehrungsstähle verbunden und mit Epoxidharz vergossen.

Bei der Anordnung und Bemessung der Bügel wurde besonderer Wert auf ein duktiles Verhalten des Stosses gelegt. Dazu wurden Probekörper mit verschiedenen Bügelanordnungen hergestellt und geprüft. Eine weitere Herausforderung bildeten alle Anschlussknoten am Firstring, denn zur Herstellung der Gesamtstabilität musste ein Grossteil der Fachwerk- und Vollholzträger biegesteif mit dem Firstring verbunden werden. Die geforderte Einspannung ist nur möglich, wenn sowohl der obere als auch der untere Anschluss mit sehr wenig Spiel angeschlossen werden kann – bei Trägerlängen von über 37 m eine besondere Herausforderung an die Prozesse Herstellung, Transport, Positionierung und Montage der verschiedenen Bauteile. Da der Ring nur auf vier Stützen liegt, werden quer zur Faser (für das Holz ungünstig) Kräfte bis zu Fd = 3700 kN eingeleitet.

Edelstahl und Hallenbad

Die Gefahren der Spannungsrisskorrosion von Edelstahlbauteilen in Schwimmbädern sind hinlänglich bekannt. Aus diesem Grunde wurde seitens der Bauherrschaft der Einsatz eines geeigneten Edelstahls vorgeschrieben. Die Auswahl des Stahls sowie dessen Verarbeitung erfolgte gemäss der Zulassung Z-30.3-6. Zum Einsatz kam ein Stahl der Widerstandsklasse IV mit der Werkstoff-Nummer 1.4529. Wegen der diversen Bestandteile (Molybdän, Chrom, Nickel) war die Detailentwicklung stets von der Be- und Verarbeitbarkeit dieses Stahls geprägt.

Herkömmliche Methoden des Schweissens und der CNC-Bearbeitung konnten nur sehr bedingt auf die Edelstahlverarbeitung angewandt werden, die Verfügbarkeit des Baustoffs musste vor der Planung zwingend mit dem ausführenden Stahlbaubetrieb geklärt werden. Die Bemessung der Edelstahlbauteile erfolgte aufgrund der deutschen Zulassung auch über die deutsche Stahlbaunorm DIN 18800. Die speziellen Geometrien der einzelnen Bauteile wurden mit der Finite-Elemente-Methode (FEM) anaylsiert. Mit diesen Simulationen waren Optimierungen und Materialeinsparungen möglich, was bei einem Stahlpreis von ca. 60 Fr./kg mehr als sinnvoll erscheint.

Unternehmervariante: GSA

Die Holzkonstruktion wurde zunächst mittels konventioneller Stabdübel und Schlitzverbindungen statisch dimensioniert und ausgeschrieben. Aufgrund des hohen Stahlpreises und der vorteilhaften Verbindungsmitteltechnologie setzte sich aber die Unternehmervariante der Firma neue Holzbau AG Lungern mit dem Einsatz des GSA-Systems durch. GSA steht für Gewinde-Stangen-Anker. Es handelt sich dabei um ein Verbindungssystem im Ingenieurholzbau mit eingeklebten Stahlstäben. Das System zeichnet sich durch eine hohe Tragfestigkeit und Steifigkeit sowie durch sein duktiles Verhalten aus. Die Entwicklung begann 1983 an der ETH Zürich, zuerst an der Professur für Baustatik, Stahl- und Holzbau, später an der Professur für Holztechnologie. Ausgangspunkt war dabei ein speziell für diese Anwendung entwickeltes Epoxidharz (GSA-Harz1).

Der Wechsel zur GSA-Variante erforderte eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen Holzbauingenieur und Unternehmer, denn er bedingte die Neugestaltung und Umrechnung fast aller Anschlussdetails. Das System mit den eingeklebten Ankern hatte aber den Vorteil, dass viel Stahl eingespart werden konnte. Mithilfe der Empa Dübendorf war es zudem möglich, die Bauherrschaft zu überzeugen, dass bei den reinen Holz-Holz-Verbindungen mit normalen Baustahlgewindestangen gearbeitet werden konnte. Diese sind im Holz durch den umgebenden Epoxidharzklebstoff – im Übergangsbereich durch eine Spezialbehandlung – genügend korrosionsbeständig. So konnten im Vergleich zur Schlitzblechvariante Kosten in der Höhe von ca. 250 000 Fr. eingespart werden. Seit 2000 wird die GSA-Technologie durch die neue Holzbau AG Lungern in Zusammenarbeit mit Ernst Gehri, emeritierter Professor für Holztechnologie ETH Zürich, stetig weiterentwickelt und durch umfangreiche Prüfungen weiter optimiert. Entstanden sind neben Bemessungsgrundlagen auch Normstahlteile, die es ermöglichen, sowohl gelenkige auch als biegesteife Knoten mit hohem Tragwiderstand herzustellen.

Anmerkung
1 Entwicklung GSA-Harz Firma Astorit AG, Einsiedeln

 

Schwimmhallenbau
(ms) Wer sich mit dem Planen, Bauen und/oder Betreiben von Schwimmhallen befasst, sollte unter anderem folgende Dokumente sichten. Darin finden sich Informationen und Hinweise, um dem speziellen Milieu materialtechnisch und konstruktiv Rechnung zu tragen:

  • SIA179 Empfehlung Ausgabe 1998
  • DIN EN 15288-1, November 2008. Schwimmbäder – Teil 1: Sicherheitstechnische Anforderungen an Planung und Bau; Deutsche Fassung, EN 15288-1:2008.
  • DIN EN 15288-2, November 2008. Schwimmbäder – Teil 2: Sicherheitstechnische Anforderungen an den Betrieb; Deutsche Fassung, EN 15288-2:2008.
  • Merkblatt 830 Edelstahl rostfrei in chloridhaltigen Wässern
  • Merkblatt 831 Edelstahl Rostfrei in Schwimmbädern
  • Merkblatt 875 Edelstahl Rostfrei im Bauwesen – Technische Leitfäden der «Informationsstelle Edelstahl Rostfrei»
  • Sicherheitsrelevante Bauteile in Hallenbädern: Werkstoffwahl und Kontrollierbarkeit, Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 16, 20. April 2000

 

Beim Planen von Metallbauteilen ist zudem immer die Verwendung von Stahl mit Feuerverzinkung oder Duplexierung als Alternative zum Edelstahl zu prüfen. Manchmal bietet diese Variante besse- re Eigenschaften zur Erfüllung der statischen und/oder konstruktiven Aufgaben.

 

Am Bau Beteiligte
Bauherrschaft: Credit Suisse, Zürich Architektur: Justus Dahinden, Zürich Tragwerksplanung: Pirmin Jung Ingenieure für Holzbau AG, Rain
Risikoanalyse und Sicherheitskonzept: Simultec AG, Zürich
Beleuchtungsplanung: SSE Engineering AG, Gümligen
Badtechnik: Kannewischer Ingenieurbüro AG, Zug
Generalunternehmung: Marazzi AG, Bern Holzbau: ARGE Aquabasilea

  • Brawand Zimmerei AG, Grindelwald
  • Holzbau Bucher AG, Kerns
  • Hess Holzbau AG, Ziefen
  • neue Holzbau AG, Lungern
  • Mauchle Metallbau AG, Sursee

 

Weitere Unternehmen:

  • Schindler Aufzüge AG, Pratteln/Ebikon
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Magazine

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