«Der Team­spi­rit lei­det»

Die Bauingenieurin Salome Hug, Mitglied der Geschäftsleitung von Schnetzer Puskas Ingenieure, spricht über das Arbeiten in der Pandemie – über behördlich verordnete Quarantäne, die Hürden des Homeoffice und die Chancen, aus der Krise zu lernen.

Publikationsdatum
05-04-2020

Espazium: Frau Hug, wie erlebt Ihr Büro die Pandemie?

Salome Hug: Wir wurden abrupt damit konfrontiert: Einer der ersten Covid-19-Fälle in Basel war einer unserer Mitarbeiter. Der Bescheid kam Ende Februar. Buchstäblich über Nacht mussten sich 48 der 60 Personen, die im Basler Büro tätig sind, in behördlich verordnete Quarantäne begeben. Darauf waren wir überhaupt nicht vorbereitet: Homeoffice war bei uns nur sehr beschränkt üblich, wir arbeiteten grundsätzlich immer im Büro, alle zusammen.

Wir mussten uns behelfsmässig organisieren, Computer zu den Leuten nach Hause bringen, zusätzliche Laptops anschaffen, zusätzliche VPN-Verbindungen aufschalten, ein Tool für digitale Sitzungen finden – wir haben jetzt Webex – und uns neu organisieren. Zusätzlich geschürt durch die Berichterstattung der Medien war die Verunsicherung anfangs gross.


Und jetzt?

Jetzt haben wir ein Splitting-System mit Einsatzplanung, das sich bewährt. Rund ein Drittel der 60 Personen im Basler Büro sind fix im Homeoffice, weil sie Grenzgänger sind, ihre Kinder betreuen oder mit ihren Eltern zusammenwohnen. Die anderen rund zwei Drittel arbeiten wechselweise jeweils eine Woche im Homeoffice und im Büro. Und dann gibt es einige wenige, die durchgehend im Büro arbeiten: fast alle aus der Geschäftsleitung plus einige, die zu Hause schlecht arbeiten können, zum Beispiel weil sie in einer Wohngemeinschaft leben.


Wie reagiert das Team auf die ungewohnte Arbeitsweise?

Gut. Heute, in der dritten Woche nach den einschneidenden Massnahmen des Bundes, sind wir gut eingespielt. Alle sind motiviert und tun ihr Mögliches, damit die Arbeit an den Projekten trotz diesen aussergewöhnlichen Umständen gut läuft. Doch gibt es auch Reibungen: Die Zusammenarbeit braucht infolge der räumlichen Trennung mehr Zeit. Zudem vermissen wir den informellen Austausch und die Motivation, die wir spüren, wenn alle da sind und gemeinsam arbeiten. Klar kann man anrufen; aber Kommunikationstools sind eine Hürde, technisch wie zwischenmenschlich. Der Teamspirit leidet, auch wenn das technische Ergebnis am Ende stimmt.


Welche wirtschaftlichen Folgen hat die Pandemie für Ihr Büro?

Zwei unserer Projekte sind sistiert. Eines ist das Kantonsspital Frauenfeld: Nach der Fertigstellung des Neubaus sollte der Altbau rückgebaut werden, nun wird er für eine Zwischennutzung benötigt. Ein weiteres grosses Projekt wurde in der Planung gestoppt. Bei drei Baustellen in Zürich verzögert sich der Start, eine in Bern wurde unterbrochen.

Sonst läuft alles weiter: Alle unsere Auftraggeber haben die Absicht geäussert, vorerst weiterzumachen. Die Architekturbüros, mit denen wir zusammenarbeiten, arrangieren sich mit Homeoffice und Videokonferenzen. Das funktioniert, aber auch hier stellen wir fest: Gewisse Arbeiten dauern länger.

Auf der Baustelle ist es ähnlich: Schon jetzt tauchen erste Regierapporte auf, bei denen «Corona» als Grund steht. Wer soll dafür bezahlen? Wie gesagt, zurzeit geht es uns gut, aber all die Verzögerungen, der Mehraufwand, die aufgeschobenen Wettbewerbe, die ausbleibenden neuen Aufträge – das wird auf die Dauer Folgen haben, die zurzeit schwer abzuschätzen sind.

Als wir Ende Februar in Quarantäne mussten, haben wir Kurzarbeit für das Basler Büro beantragt, später auch für Zürich und Bern. Die Anträge wurden bewilligt, aber glücklicherweise mussten wir bisher nicht darauf zurückgreifen.


Im konstruktiven Ingenieurbau kommen traditionell physische Arbeitswerkzeuge zum Einsatz, etwa Skizzen und Modelle. Kann man sie durch digitale Werkzeuge ersetzen?

Die Zusammenarbeit mit den Architekturbüros leidet. Wir behelfen uns mit Videokonferenzen, um über konzeptuelle Fragen zu sprechen, aber die Diskussion büsst an Feinheit ein, Qualität und Substanz gehen verloren. Im Ingenieurprojekt dagegen sind wir schon weiter: Dort hat sich das Modellbauen in den letzten Jahren ohnehin stark ins Digitale verlagert, die jüngeren Ingenieurinnen und Ingenieure sind fit beispielsweise mit Rhino und Grasshopper. Es ist auch eine Generationenfrage – und wir alle lernen jetzt dazu.


Gibt es Erfahrungen, die Ihre Arbeitsweise langfristig positiv prägen werden?

Wir sind gezwungen umzudenken. Ein Beispiel: Weil das Büro drei Standorte hat, gibt es theoretisch ein wöchentliches Treffen für den Austausch. Allerdings sind diese Treffen früher oft ausgefallen, weil die Zeit für die An- und Rückreise fehlte. Nun haben wir gelernt, digitale Sitzungen abzuhalten; das wird uns helfen, die Regelmässigkeit der Treffen auch nach der Pandemie aufrechtzuerhalten.

Allgemein machen wir uns mehr Gedanken darüber, welche Sitzungen es wirklich braucht und in welcher Form. Auch in Bezug auf das Homeoffice sind wir am Evaluieren, ob es ein Vorteil ist oder nicht. Wie gesagt, es war bei uns nicht üblich. Nun können die Mitarbeitenden, die es immer gewünscht haben, beweisen, dass es auch im grossen Stil gut funktioniert.

Ob Homeoffice auf regelmässiger Basis erlaubt sein soll, wenn der Normalzustand wieder einkehrt, ist noch unklar. Ich selbst bin gespalten. Ich bin für Flexibilität und Eigenverantwortung, sehe nun aber auch den negativen Einfluss der Vereinzelung auf den Austausch und die Arbeitsqualität. Dies wird eine Gratwanderung bleiben.


Wie können Berufsverbände wie der SIA und die usic Planungsbüros unterstützen?

Beide Verbände haben früh und gut reagiert – die usic mit ihrem Aufruf an die Auftraggeber, die Projekte weiterlaufen zu lassen, weil Homeoffice in der Planungsphase möglich ist, und der SIA mit der Aufforderung an Wettbewerbsauslober, die Verfahren nicht zu stoppen, sondern zu verlängern. Ich bin froh, dass die Verbände so dezidiert dahinterstehen, dass die Planungsbüros ihre Aufträge erfüllen können. Ich bin zuversichtlich, dass ihre Stimme auch politisch ins Gewicht fällt: Dank der Lobbyarbeit im Zusammenhang mit der Revision des BöB gibt es heute eine höhere Gesprächsbereitschaft.


Welche Hilfe erwarten Sie von der öffentlichen Hand?

Dass sie die nötigen Massnahmen wie bisher mit Augenmass verordnet; dass sie, ebenfalls wie bisher, niederschwellige Unterstützung anbietet für alle Planungsbüros, die es hart trifft. Falls es zu einer Krise kommt, hoffe ich, dass die öffentliche Hand sich antizyklisch verhält und weiter ins Bauen investiert. Es geht darum, Arbeitsplätze zu erhalten.
 

Zur Person:

Salome Hug, Dipl. Bauingenieurin ETH SIA, Mitglied der Geschäftsleitung Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel

Zum Büro Schnetzer Puskas Ingenieure:

  • Geschäftsleitung: Dr. Heinrich Schnetzer, Tivadar Puskas, Stefan Bänziger, Dr. Kevin Rahner, Jan Stebler, Salome Hug, Giotto Messi
  • Anzahl Mitarbeitende, Basel 60, Zürich 20, Bern 10
  • Anzahl laufender Baustellen: 19 (Basel 13, Zürich 2, Bern 4)
  • Projektauswahl: USZ Campus Mitte 1, Zürich, 2019–2028; Neubau Claraturm, Basel, 2007–2021; HSG Learning Center, St. Gallen, 2018–2021

     

Baukultur in Zeiten von Covid-19

Die Krise, die wir derzeit erleben, trifft alle Planerinnen und Planer. Wie bewältigen sie die wirtschaftlichen und juristischen Schwierigkeiten, die die Pandemie mit sich bringt? Was sind die Auswirkungen auf die Schweizer Baukultur? Antworten von Baufachleuten, Links und Informationen versammeln wir im E-Dossier «Covid-19» – als Austauschplattform und als Hilfe in unsicheren Zeiten.

 

Verwandte Beiträge