An der Schnitt­stel­le zwi­schen Mensch und Raum

World Interiors Day 2016 in der Schweiz

Am 28. Mai 2016 lud die Vereinigung der Schweizer Innenarchitekten zum World Interiors Day ein. Im Stilhaus in Rothrist liess sich die Möbelsammlung des viel zu früh verstorbenen vsi-Mitglieds Leo Zimmermann zu besichtigen und Bauherren, Innenarchitekten, Architekten und Einrichter tauschten sich über die Schnittmenge von Bauen und Einrichten aus.

Revision
08-06-2016

Spricht man von Innenarchitektur, denkt man zuerst an das Möbel. So entstand auch die Vereinigung Schweizer Innenarchitekten/architektinnen vsi.asai 1942 aus der Zürcher Kunstgewerbeschule für Schreiner und Möbelhandwerk. Damals kamen der dort lehrende Basler Möbeldesigner Wilhelm Kienzle und neun Studenten zusammen, um Innenarchitektur nicht nur als Kunsthandwerk zu verstehen, sondern die planerische Leistung für spezifische Kundenbedürfnisse in den Vordergrund zustellen.

Wechselbeziehung und Individualität

In der Innenarchitektur steht das Möbel an der Schnittstelle zwischen Mensch und Raum: Im Bett wird geschlafen, auf dem Stuhl gesessen, am Tisch gearbeitet und im Schrank werden die persönlichen Gegenstände aufbewahrt – das Möbel steht in einer direkter Beziehung zum Menschen und seinen persönlichen Dingen.
Das Möbel steht aber auch in der Beziehung zum Raum: Es braucht einen Raum und beeinflusst wiederum diesen Raum. Diese Wechselbeziehung ist für die Innenarchitektur entscheidend. Innenarchitektur schafft aus Raum und Möbeln eine Einheit – eine Einheit, die auf eine spezifische Nutzung für individuelle Nutzer zugeschnitten ist; eine Einheit, die Identität stiftet.
Hier unterscheidet sich die Innenarchitektur grundlegend von der Architektur. Gute Architektur ist nutzungsneutral und sozial flexibel, im höchsten Fall Abbild einer gesellschaftlichen Ideologie und Identität. Aber Architektur sollte niemals Ausdruck einer individuellen oder totalitären Identität werden – dies würde zu einer sozialen Spaltung führen und der öffentliche Raum würde zur Marken- oder Ideologiearchitektur verkommen. Deshalb funktioniert die Innenarchitektur auch nur in der direkten Beziehung zwischen Mensch und Raum - und nicht in der Schnittstelle zwischen dem Raum und einer sozialen Gesellschaft.

Trotzdem hat heute Innenarchitektur nur noch bedingt mit dem Innenraum zutun, Viel mehr bezeichnet Innenarchitektur das Denken von Innen nach Aussen, während die Architektur von Aussen auf das Innen schaut. Beides hat seinen guten Grund und darf nicht vermischt werden. Architektur und Innenarchitektur sind zwei Disziplinen die mit demselben Objekt arbeiten – dem Gebäude. Sie verwenden dieselbe Bautechnik, aber sie verfolgen eine grundsätzlich andere Zielsetzung und sie erfüllen eine unterschiedliche baukulturelle Aufgabe. Innenarchitektur bezeichnet die Arbeit mit einem Raum, der auf die individuellen Bedürfnisse des Menschen ausgerichtet ist. Ob Aussen- oder Innenraum, ob gross oder klein, seriell gefertigt oder handwerklich gebaut ist Nebensache. Im Zentrum steht der Mensch, seine Identität, seine Marke und seine Beziehung zum spezifischen Raum.

Was die vsi.asai will
Für eine nachhaltige Baukultur braucht es beide Sichtweisen – in der Architektur von Aussen nach Innen und in der Innenarchitektur von Innen nach Aussen. Diese beiden Zielsetzungen vereinigen die gesellschaftlichen Ansprüche einer langfristigen sozialen und einer individuellen identitätsstiftenden Baukultur. Diese differenzierte Sichtweise auf die gebaute Umwelt sollte sich auch in einem differenzierten Ausbildungsangebot abzeichnen.

Die Schweiz bietet neben verschiedenen Architekturschulen auch vier Bachelor-Innenarchitekturausbildungen in den drei grossen Landessprachen an. Der internationale Standard einer Masterausbildung für Innenarchitektur wurde bis jetzt allerdings noch nicht erreicht. Das erklärt unter anderem auch, warum die öffentliche Hand die Innenarchitektur noch kaum als Partner wahrgenommen hat.

Für diese Anliegen setzt sich der vsi.asai ein. Mit dem World Interiors Day soll die Sichtweise der Innenarchitektur einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und ein Beitrag zur Stärkung der Baukultur geleistet werden..

World Interiors Day
Der World Interiors Day entstand aus einer Initiative der IFI, (International Federation of Interiors Architects/Designers) des Weltdachverbands der Innenarchitektur.
Die vsi.asai gehört seit 1963 zu den Initiatoren und Gründungsmitgliedern der IFI.
Damals erkannt man, dass es Innenarchitektinnen und –architekten als Ergänzung zur klassischen Architektur braucht. Der Aktionstag des World Interiors Day, mit weltweiter Ausstrahlung national organisiert,soll  eine breite Öffentlichkeit für die Aufgaben der Innenarchitektur sensibilisieren.
Weitere Informationen: www.vsi-asai.ch

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