Das zwei­te Le­ben des Let­ten­via­dukts

Erhaltung von Kunstbauten

Nach viereinhalb Jahren Planen und Bauen sind die ehemals korrodierten Brücken der Zürcher Viaduktanlage nun instand gesetzt. Die Schutzobjekte von kommunaler Bedeutung wurden vor dem Zerfall bewahrt.

Publikationsdatum
02-04-2014
Revision
18-10-2015

Die Viaduktanlage besteht aus unterschiedlich konzeptionierten Brücken aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert und stellt in der Form ein Denkmal erster Güte für die Bahn-, Industrie- und Technikgeschichte dar. 

Die Gesamtanlage wurde in den Jahren 1889 bis 1898 von der Schweizer Nordostbahn erstellt. Sie diente als Verbindung vom Bahnhof Zürich via Letten ans rechte Zürichseeufer. Mit der Inbetriebnahme der Zürcher S-Bahn im Jahr 1990 erfolgte die Stilllegung. Im Jahr 1998 übernahm die Stadt Zürich das Trassee und baute es für den Fuss- und Veloverkehr um.

Stahlbrückenbaukunst

Bei den vier instandgesetzten Brücken des Lettenviadukts handelt es sich um genietete Stahlkonstruktionen aus dem niedriglegierten Thomasstahl (Sidney Thomas, 1850–1885). Markantestes Bauwerk des Viadukts ist die dreifeldrige Stahlbogenbrücke über die Limmat mit ihren fachwerkartig aufgelösten, gelenkig gelagerten Bögen und aufgeständerter Fahrbahn. Weil die Bahn die Limmat in einer grossen Kurve überquerte, sind die Bogenträger schief gelagert – ein besonderes Merkmal der Limmatbrücke.

Die beiden oben liegenden Fachwerke der Sihlquaibrücke gelten als zwei der letzten Schwedlerträger in der Schweiz, die im 19. Jahrhundert von Willhelm Schwedler (1823–1894) entworfen wurden.

Korrosionsschutz bis 2038

Nach einer Zustandsuntersuchung der Brücken und einer Variantenuntersuchung wurde ein Paket vielfältiger Massnahmen geschnürt. Dabei war dem baukünstlerisch-architektonischen und städtebaulich-denkmalpflegerischen Wert der Brückenanlagen gebührend Rechnung zu tragen. Zusätzlich waren ökologische Aspekte wie die Schaffung von Unterschlupfmöglichkeiten für Kleinlebewesen zu berücksichtigen.

Ein wichtiger Eingriff war der Ersatz der Betonfahrbahn aus den Jahren 1925–1930 durch eine neue, abgedichtete Platte mit Beton-Halbfertigteilen als verlorene Schalung. Ein für Velofahrer geeignetes Geländer wurde dem bestehenden Dienstgeländer vorgesetzt. 

Herzstück der Massnahmen war die Erneuerung des Korrosionsschutzes, der eine Lebensdauer von 25 Jahren gewährleisten soll. Wegen des hohen Bleigehalts war der Altanstrich mit maximalen Schutzmassnahmen (Klasse 1) zu entfernen: Diese umfassten eine Einhausung mit Unterdruck, Schleusen und Abluftfiltersystem. Der neue Korrosionsschutz wurde mit Pinsel und Roller in vier Schichten aufgetragen. Dabei wurden Kanten und Nieten zusätzlich beschichtet. Bei schlecht zugänglichen Stellen wurde die Farbe gespritzt. Rostauftreibungen in Spalten und Fugen wurden von Hand ausgekratzt und mit einer systemverträglichen Spaltverkittung verfüllt. Die zu stark korrodierten Stahlteile mussten ersetzt werden.

Die vier stählernen Bahnbrücken des Lettenviadukts bleiben somit der Nachwelt in praktisch unveränderter Form erhalten. Die Ingenieurbauwerke laden jetzt wieder zu einem Spaziergang oder einer Velofahrt über die Limmat ein. Gleichzeitig können dabei Stahlkonstruktionen mit einer Vielzahl von handwerklich sorgfältig ausgebildeten Details aus nächster Nähe bestaunt werden.

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