Carbonbeton: Altbewährtes, neu bewehrt
Editorial
Forschung muss an Grenzen gehen. Das mag zum einen imageträchtige und werbewirksame Gründe haben: Schliesslich braucht es eine Finanzierung. Zum anderen aber muss Forschung Fragen beantworten: Was kann etwa ein neuartiges Material oder eine neue Bauweise an seiner oder ihrer Grenze leisten? Dass man bei derartigen «Grenzgängen» den Sinn des untersuchten Objekts manchmal infrage stellen kann, liegt auf der Hand. Gleichwohl eröffnet eine solche Forschung oft neue Erkenntnisse.
Ob eine derart dünne, tragende Betondachschale wie bei der neuen Wohneinheit HiLo im Empa NEST überhaupt Sinn ergibt, darf sich jeder selbst überlegen. Für die Nutzenden ist es letzlich egal, ob das Tragwerk nur 3 cm Stärke aufweist oder doch mehr. Die Gesamtkonstruktion mit Dämmung, Klimatisierung, Sichtbeton und Solarpaneelen relativiert die Schlankheit ohnehin. Aber cool ist das Ganze schon. Und dass die Konstruktion mit ihrer neuen Schalungsmethode so exakt berechenbar ist, macht Eindruck.
Dagegen tritt die leichteste Brücke der Welt in Winterthur weniger pompös auf. Konstruiert aus bereits marktreifen Betonplatten, überdeckt sie zurückhaltend die Eulach.
Gemeinsam ist den Projekten die Bewehrung mit Carbon und der Einsatz von Hochleistungsbetonen. Dauerhaftigkeiten bis zu 200 Jahren werden solchen Materialien vorausgesagt. Das klingt verlockend, aber braucht es das? Ob Konstruktionen innerhalb solch langer Zeitspannen überhaupt noch in ihrer Form benötigt werden, lässt sich kaum abschätzen. Aber Forschung kann und muss ja nicht alles sofort beantworten.
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