Zug um Zug

Trotz fortwährendem Tauziehen um die BLS-Werkstätte im Westen von Bern hat die BLS im Jahr 2018 einen Studienauftrag für einen Neubau durchgeführt. Das Projekt von pool Architekten und b+p baurealisation wurde von der Jury zur Weiterbearbeitung und Ausführung empfohlen.

Publikationsdatum
03-05-2019

Saubere, sichere und pünktliche Züge sind das Wichtigste für die Zufriedenheit der Reisenden. Dafür benötigt die BLS, Betreiberin der Berner S-Bahn, Werkstätten, in denen ein reibungsloser Arbeitsablauf möglich ist.  Die bisher genutzte Werkstatt Bern-Aebi­matt steht ab Ende 2019 nicht mehr zur Verfügung. Die restlichen Werkstätten sind «zu eng, sanierungsbedürftig und mit Ausnahme von Spiez nicht ideal am BLS-Streckennetz gelegen».

Um diese betrieb­lichen Mängel zu be­heben, baut die BLS die Werkstätten Spiez und ­Bönigen um und plant eine 13 ha grosse Werkstätte für die leichte Instandhaltung. Für deren Gestaltung wurde ein Studienauftrag in einem nicht ano­ny­men Konkurrenzverfahren ausgeschrieben. In Chliforst Nord, an dem von der BLS geplanten neuen und im Sachplan Verkehr (Teil Infrastruktur Schiene) festgesetzten Standort im Westem von Bern, stösst sie mit dem Vorhaben jedoch auf Widerstand.

Verzwickte Vorgeschichte

Nachdem sich auf ­bestehenden Arealen und Indus­triestandorten keine Lösung finden liess, wurde unter Leitung der BLS eine Stand­ortevaluation für einen Neubau im Grossraum Bern durchgeführt. Dabei wurden 21 Standorte auf ihre Tauglichkeit hin untersucht. Der 2015 kommunizierte Entscheid für Riedbach im Westen von Bern als bestgeeigneten Standort stiess auf heftigen Widerstand.

Im Anschluss wurde in Absprache mit dem Kanton Bern die unabhängige Begleitgruppe gegründet, bestehend aus über 40 Vertretern von direkt Betroffenen, Standortgemeinden, Politik, Ämtern, Wirtschafts- und Umwelt­verbänden, Heimat- und Land­­schaftsschutz. Die Gruppe sollte alternative Vorschläge für einen Werkstattstandort ausarbeiten und eine breit getragene Lösung finden.

Nach eineinhalbjähriger Arbeit kam sie zu dem Schluss, dass die Ver­teilung der Werkstätten auf drei Standorte für die BLS am geeignetsten sei und dadurch Fläche am Neubau­standort eingespart werden kann. Dazu gehören die Standorte Chliforst Nord und Spiez für die leichte Instandhaltung und Bönigen bei Interlaken für die schwere In­stand­haltung.

Um die neue Werkstätte Chliforst Nord im Westen Berns zu realisieren, müsste am Standort Wald gerodet werden, und Kulturland ginge verloren. Der Verein Chlyforst, ein Zusammenschluss von Anwohnern, die direkt von der Bauplanung betroffen sind, und Vertreter aus der Politik hielten das für keine gute Idee.

Die Berner Stadträte forderten die Gemeinderäte auf, Stellung zu nehmen, auch im Hinblick darauf, dass die SBB mit der BLS ein Zu­sammenarbeitspotenzial für eine gemeinsame Werkstatt gesehen habe. Demnach hätte ein gemein­samer Standort in Biel positioniert werden können.

Um diese Möglichkeit zu prüfen, hat die BLS die Begleitgruppe unter Einbezug der SBB wieder ins Leben gerufen. Als Resultat ­wurde festgestellt, die Kombination von SBB und BLS am Standort SBB-­Serviceanlage Biel sei kein möglicher Ersatz für den geplanten Werkstattneubau im Westen Berns. Dies hat mit der ungenügenden Erreichbarkeit aufgrund der viel befahrenen Strecke zu tun. Zudem reicht die Kapazität der Anlage für die Flotte der SBB zusammen mit jener der BLS nicht aus.

Und wieder regt sich Widerstand

Der Verein Chlyforst bemängelt jedoch, dass die Zusammensetzung der Begleitgruppe von der Bahn­lobby dominiert sei und Anwohner und direkt Betroffene gar nicht erst eingeladen wurden. Auf seiner Website hält der Verein fest, welche ­Konfliktpunkte das Projekt aus ­seiner Sicht aufwirft.

Neben einem höheren Verkehrsaufkommen, ­Licht- und Lärmbelastung oder der Zufahrtsstrasse für Lastwagen durch den Spilwald befürchtet der Verein, der Bau der BLS-Werkstätte könne eine Industrialisierung des Berner Westens auslösen.

Ein Gegenvorschlag

Auf die Forderungen reagierte die BLS mit einer Überarbeitung der Planung hin zu mehr Umweltverträglichkeit, um die «Bedürfnisse der direkt Betroffenen, vertreten durch die Dialoggruppe Chliforst, in den Studienauftrag aufzunehmen». Dieser wurde 2018 mit fünf inter­disziplinären General­planerteams durchgeführt, der Schlussbericht wurde am 12. Februar 2019 veröffentlicht. Während des Planungsprozesses hat die BLS weiterhin die Dialoggruppe Chliforst be­teiligt, «um zu möglichst guten Lösungen für Mensch und Umwelt ­bei­zutragen».

Zur Standortwahl erklärt die BLS in ihrem Schlussbericht: «Der Standortentscheid an sich ­wurde in einem Sachplanverfahren des Bundesamts für Verkehr (BAV) koordiniert mit einem Richtplanverfahren des Kantons Bern behandelt. Am 7. Dezember 2018 hat der Bundesrat entschieden, dass der Standort Chliforst Nord im Sachplan Verkehr für den geplanten Neubau einer Werkstätte für die S-Bahn Bern und demzufolge auch im Richtplan des Kantons Bern festgesetzt wird.»

Integration in die Landschaft

Für die am Studienauftrag Beteiligten lag eine bahntechnische Referenzvariante vor, die über die notwendigen betrieblichen Abläufe und das sich daraus ergebende Layout der Anlage informierte. Sie liess jedoch genügend Spielraum für die Planerteams, um die landschaftliche Einbettung variabel gestalten zu können.

Die gewählte Positionierung, das Raumprogramm sowie die Arbeitsabläufe waren ausschlaggebend für die weitere Planung des Projekts. Von den fünf eingereichten Arbeiten empfahl die Jury einstimmig das Projekt der Arbeitsgemeinschaft pool Architekten /  b+p bau­realisation zur weiteren Bearbeitung und zur Ausführung.

Das Siegerprojekt versucht nicht, seine Anwesenheit in der Landschaft um den Chliforst zu verstecken, sondern geht mit der Landschaft einen «Dialog» ein. Mithilfe von Waldflächen, Obstbäumen, Biotopen und renaturierten Bächen soll der Bau in die Umgebung eingebettet werden. Das bestehende Velo- und Wanderwegenetz soll durch einen «Erlebnisweg» erweitert werden. Zudem konnte mit einem Flächenverbrauch von 13 ha die Ausgangssitua­tion von 15 ha abgespeckt werden.

Die Konstruktion des zweigeteilten Baukörpers, bestehend aus einer grossflächigen, eingeschossigen Werkstatthalle und einem zweigeschossigen Verwaltungsbau, ist eine Stahl-Holz-Hybridkonstruk­tion. Aussen hat die ARGE das Gebäude mit einer Verkleidung aus grünlich lasiertem Holz mit ­wenigen Bull­augenfenstern in den Längs­fassaden gestaltet. Und auch im Innern spielt Holz die vorherschende Rolle. An den Frontseiten haben sich die Planer für verglaste Tore mit einer grossen Offenheit entschieden.

Geht noch mehr?

Die Schlichtheit des Entwurfs und der sorgfältige Umgang des Projektteams mit der Landschaft hat die Jury überzeugt. Eine Überarbeitung wird noch in den Bereichen der nächtlichen Lichtemission an der Torfassade, der Wildtierquerung und einer höheren Ablesbarkeit der Tragstruktur von aussen empfohlen. Innerhalb des kommenden Jahres soll das Projekt, in Zusammenarbeit mit der Dialoggruppe, nun überarbeitet und zur Genehmigungsreife gebracht werden.

2020 startet das Verfahren zur Baubewilligung, und 2023 will die BLS mit dem Bau beginnen. Jedoch geben sich die Gegner des Projekts mit dem Wettbewerbsergebnis nicht zufrieden und wollen, wenn nötig, bis vor das Bundesgericht, schreiben die «Berner Zeitung» und «Der Bund». Es bleibt also spannend um das Projekt BLS-­Werkstätten in Bern-Chliforst.

Weitere Pläne und Bilder finden Sie in der Rubrik Wettbewerbe.

Empfehlungen zur Weiterbearbeitung
 

ARGE pool Architekten / 
b+p baurealisation, Zürich:

Gesamtleitung: ARGE pool Architekten / b+p baurealisation, Zürich
Architektur: pool Architekten, Zürich
Bauingenieurwesen: Ferrari Gartmann, Chur
Landschaftsarchitektur: Krebs
und Herde Landschaftsarchitekten, Winterthur
 

Weitere Teilnehmer


ARGE Drees & Sommer Schweiz
mit Boltshauser Architekten, Zürich:

Gesamtleitung: Drees & Sommer Schweiz, Zürich
Architektur: Boltshauser Architekten, Zürich
Bauingenieurwesen: Basler &
Hofmann, Zürich
Landschaftsarchitektur: Andreas Geser Landschaftsarchitekten, Zürich


Itten+Brechbühl, Bern:
Gesamtleitung: Itten + Brechbühl, Bern
Architektur: Büro B Architekten, Bern
Bauingenieurwesen: WaltGalmarini, Zürich
Landschaftsarchitektur: Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau, Zürich


Roduner BSB + Partner, Liebefeld: Gesamtleitung: Roduner BSB + Partner, Liebefeld
Architektur: ARGE Rolf Mühlethaler Architekt & von Allmen Architekten, Bern
Bauingenieurwesen: Schnetzer Puskas Ingenieure, Bern
Landschaftsarchitektur:
Maurus Schifferli, Landschafts­architekt, Bern


uas – unternehmen für architektur und städtebau, Zürich:
Gesamtleitung: Aegerter & Bosshardt, Basel
Architektur: Dürig, Zürich
Bauingenieurwesen: Aegerter & Bosshardt, Basel
Landschaftsarchitektur: SKK Landschaftsarchitekten, Wettingen
 

Fachjury


Christian Penzel, Städtebau/Architektur (Vorsitz Beurteilungsgremium)
Daniel Truniger, Städtebau/Architektur
Lukas Schweingruber, Landschaft/Raum
Marc Münster, Nachhaltigkeit
Carlo Bianchi, Bauingenieurwesen
Gabriele Niedoba, Stadtplanungsamt Stadt Bern
Sven Scherer, Leiter Hochbau, BLS Netz
Mike Schneider, Leiter betriebsnahe Instandhaltung Givisiez/Oberburg, BLS
Martin Isler, Leiter Ingenieurbau,
BLS Netz
Michael Stähli, Gesamtprojektleiter BLS Werkstätte CFN, BLS Netz (Ersatz)
 

Sachjury


Peter Fankhauser, Leiter Bahnproduktion, COO, Mitglied der Geschäftsleitung BLS
Daniel Wyder, Leiter Infrastruktur, Mitglied der Geschäftsleitung BLS
Antje Niendorf, Programmleiterin
«neue BLS-Werkstätten», BLS
Stephanie Kriesel, Leiterin Unternehmenskommunikation, BLS (Ersatz)
 

Experten


Ruedi Preisig, TBF + Partner
Fernando Moscatello, TBF + Partner
Stefan Drengemann, TBF + Partner
Remo Thommen, Lemon Consult
Bruno Käufeler, Impuls Thun
Konrad Kissling, Metron Architektur
Sascha Wöhler, Metron Architektur

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