BIM – was tun klei­ne Bü­ros?

Im Getöse um BIM gehen die Stimmen der kleinen Büros oft unter. Sind sie überhaupt BIM-kompatibel? Eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) zeigt: Wenn die Kleinen sich auf BIM einlassen, tun sie es offen, pragmatisch und kein bisschen behäbig.

Publikationsdatum
29-10-2020
Christina Schumacher
Dozentin für Sozialwissenschaften und Leiterin Forschung, Fachhochschule Nordwestschweiz

Die meisten Schweizer Architekturbüros sind kleine Betriebe: Von den rund 12 000 Büros sind 91 % Kleinst­unternehmen mit weniger als zehn Mit­arbeitenden; 85 % von ihnen betreuen Projekte mit Bausummen unter einer Million Franken. Die Transformation zum digitalen Bauen fordert die überwiegende Mehrzahl dieser kleinen Player besonders heraus. BIM-Methoden einzuführen ist für sie eine Investition in eine unsichere Zukunft. Ob sich der hohe Ressourcenaufwand lohnt, ist mangels «Role Models» schwer abzuschätzen.

Die Kleinen stehen nicht im Fokus der BIM-Debatten. Das ist bedauerlich, ist doch die kleinteilige Unternehmensstruktur ein zentraler Pfeiler der Schweizer Baukultur: Gerade die Kleinen müssten im digitalen Transformationsprozess besonders gestützt werden.

Ein Forschungsteam der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW hat genauer hingeschaut und festgestellt, dass für kleine Büros eine der wichtigsten Strategien im Umgang mit den grossen Herausforderungen darin besteht, In­formationen zu vernetzen und praktische Erfahrungen zu teilen – ganz im Sinn der BIM-Methode. Die Autorinnen und Autoren der FHNW-Studie sprachen mit kleinen Architekturbetrieben aller Landesregionen und fragten nach ihren Strategien. Die Interviewmethode zielte auf offene Gesprächssituationen. Ausgewählt wurden ausschliesslich digitalisierungsaffine Büros.

Weitere Beiträge zum Thema BIM finden sich im digitalen Dossier.

Die Ergebnisse beschreiben, welche Themen die kleinen Architekturbüros im Transformationsprozess zum digitalen Bauen beschäftigen. Auch wenn die Studie nicht auf statistische Repräsentativität zielt, gibt sie doch einen aufschlussreichen Einblick in die Motivationen und die Ansätze, mit denen kleine Architekturbüros die Herausforderungen der Digitalisierung angehen.

To BIM or not to BIM?

Was motiviert die kleinen Büros dazu, sich BIM-fit zu machen? «Der Treiber war der Haustechnikplaner, der wurde nervös, weil es sich um ein Objekt im laufenden Betrieb handelte!»

Während manche der befragten Firmen von aussen – von Bauherrschaften oder Fachplanerinnen – angespornt werden, in kooperativen Formaten mit digitalen Bauwerksmodellen zu arbeiten, scheint bei der Mehrheit die eigene intrinsische Motivation ein typisches Merkmal zu sein: «Wir wollen nicht einfach das anwenden, was wir schon können, sondern wir fragen uns immer wieder, wie man es noch besser machen könnte. Diesen Anspruch haben wir.»

Sich der Herausforderung BIM anzunehmen, interpretieren die einen als Imagepflege, andere als unverzichtbaren Schritt auf dem Weg zu einer zukunftsweisenden Architekturproduktion. Die grundsätzliche Innovationsfreude und Flexibilität der kleinen Unternehmen ist eine vorzügliche Voraussetzung, um das Abenteuer zu wagen: «Aktuell haben wir noch niemanden, der eine BIM-Planung bestellt hat, und trotzdem nutzen wir wichtige Funktionalitäten.»

Kompetenzaufbau erfolgt organisch

Der typische Weg zum Wissensaufbau ist nicht die ausformulierte BIM-Strategie, sondern der beherzt angegangene informelle Weg, ein Learning by Doing: «Wir erarbeiten uns das von Projekt zu Projekt. Niemand von uns hat eine BIM-Manager-Ausbildung, sondern ein Mitar­beiter und ich haben vor dem Projektstart Kurse besucht. Dort haben wir ein bisschen was mitbekommen, und darauf bauen wir jetzt auf.»

Die Gesprächsergebnisse deuten darauf hin, dass in den kleinen Büros BIM bis in die Chefetage Thema bleibt. Schliesslich spricht es gegen deren ökonomische Rationalität, die hohen Inves­titionen in den Kompetenzerwerb, die ihren Overhead überproportional belasten, auf die tendenziell flüchtigen jungen Mitarbeitenden zu konzentrieren.

Agil und projektspezifisch

Von der viel diskutierten «typisch schweizerischen Behäbigkeit» im Transforma­tionsprozess zum digitalisierten Bauen ist bei den befragten Unternehmen wenig zu spüren. Bemerkenswert sind vielmehr die findigen Strategien, mittels derer sie die Transformation in konzisen, für die ­Bürostruktur und die Arbeitsnetzwerke tragbaren Schritten angehen. Agile Büros begreifen es als ganz direkt mit ihrer überschaubaren Unternehmensgrösse verbundene Chance, analoge und digitale Methoden unaufgeregt nebeneinander koexistieren zu lassen. Welche Methoden und Prozesse aktiviert werden, entscheiden sie von Fall zu Fall. «Wenn es für den Maurer eine bessere Fräse gibt, kauft er sich die, um die Steine ­effizienter zu schneiden. Wenn die alte für einen besonderen Stein geeigneter ist, brau­cht er dafür die alte. Genauso nutzen wir die digitalen Methoden.»

Zusammenarbeit unter den Büros

Kooperation als generelle Lösung der BIM-Methode artikuliert sich bei den Kleinen in einer besonderen Wendung: Das Aufbauen von Wissens- und Erfahrungsnetzwerken untereinander ermöglicht ihnen, die Mittel für den Kompetenz­aufbau nachhaltig zu senken. «Uns Hilfe beim Softwareanbieter zu holen ist kein Modell, das sich für uns rechnet. Deswegen haben wir früh ein Netzwerk aufgebaut, um uns weiterzubilden und auszutauschen.»

Prinzipiell sind sich die kleinen Akteure bewusst: Unabhängigkeit von gros­sen Playern erlaubt es, einen eigenen ­Bürostandard zu setzen; Vernetzung dagegen erfordert eine gemeinsame Sprache, ist aber das Gebot der Zukunft. Entscheidend ist, wer die Standards bei der Zusammenarbeit (mit)bestimmt und etabliert.

Auf dem Weg zu einer spezifisch schweizerischen digitalen Baukultur!

Was jene kleinen Büros auszeichnet, die sich BIM-affin verhalten, sind ihre beweglichen Strategien: Sie kaufen sich nicht den üppigen BIM-Blumenstrauss als Ganzen, sondern pflücken sich daraus einzelne Blüten. Den Forschenden scheint die beobachtete «Best Practice» – eine projektspezifische Blütenwahl entlang strategischer Bedürfnisse, die zu Auftraggebern, Ausführungspartnerinnen und der Grösse des Projekts passt – eine durchaus zulässige Anwendung der BIM-Methode.

Die schrittweise und ausschnitthafte Inanspruchnahme der neuen Methoden ist gepaart mit einer unaufgeregten Selbstverständlichkeit, die zu den besonderen Stärken des Berufs gehört: Architektinnen und Architekten sind geübt im Improvisieren. Die kleinen Büros bringen dazu die besten Voraussetzungen mit. Diese Chance sollten sie nutzen: Denn auch wenn die Digitalisierung des Bauens zuweilen mit viel Spektakel propagiert wird, es handelt sich dabei nicht bloss um Klimbim.

An der Studie Beteiligte

Das interdisziplinäre Forschungsteam der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik an der Fachhochschule Nordwestschweiz verfügt über Expertise zur Nutzung von digitalen Bauwerksmodellen in Kombination mit geeigneten Prozessen und Organisationsformen, es kennt die Berufskultur und -praxis der Architektur und hat Erfahrung mit sozialwissenschaftlicher Forschung.

  • Marco Bamberger, Architekt, wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • François Esquivié, Architekt, wissenschaftlicher Mitarbeiter
  • Prof. Manfred Huber, Architekt, Leiter Institut Digitales Bauen FHNW
  • Prof. Christina Schumacher, Soziologin, Dozentin und Projektleiterin, Institut Architektur FHNW
  • Tim Seidel, Architekt, Dozent Entwurf und Konstruktion, Institut Architektur FHNW

Dieser Beitrag ist erschienen im zweiten Sonderheft «BIM –Reality Check». Viele weitere Artikel zum Thema finden sich in unserem digitalen Dossier.

Verwandte Beiträge