Auf­fri­schung in fei­nen Fre­quen­zen

Restauration des Bahnhofs der Rigibahnen in Goldau

Lang war unklar, ob der Hochperron der Rigibahnen erhalten bleiben soll. Schliesslich wurde der historische Stahlbau doch restauriert. Bald soll er wieder in Betrieb genommen werden: als integrierter Bestandteil der Rigibahnen mit neuer Nutzung.

Publikationsdatum
17-04-2015
Revision
06-10-2015

Der Kopfbahnhof der Arth-Rigi-Bahn in Goldau ist bezüglich Situation und Stahlbauweise schweizweit einmalig. Er wurde 1897 gebaut, nachdem der Keilbahnhof Arth-Goldau ein Aufnahmegebäude erhalten hatte und die ­Gleise der Rigibahnen neu geführt werden mussten. Rechtwinklig als Reitergebäude überspannt er seither die SBB-Gleise nach Luzern am westlichen Ende des Bahnhofs mit einer markanten und für seine Zeit fortschrittlichen Stahlkonstruktion. Nach der Erstellung wurden mit dem Dachaufbau und der Verglasung 1899, einer aufgrund der Elektrifizierung der SBB notwendig gewordenen Anhebung um 41 cm von 1921 sowie der Verlängerung der Halle um 2 m von 1924 nur wenig verändert (vgl. Kasten).

Gemäss Gutachten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) vom 18. Mai 2000 ist der Hochperron ein wichtiger Teil der historisch bedeutenden Bahnhofanlage Arth-Goldau. In Verbindung mit den Bahnbauten der Gotthardlinie bilden das Reitergebäude des Hochperrons und das turmartige Stationsgebäude ein Ensemble von besonderem technik- und kulturgeschichtlichem Wert und von nationaler Bedeutung. Insbesondere das Tragwerk ist ein beeindruckender Zeuge des Eisenbrückenbaus des späten 19. Jahrhunderts.

Das Stationsgebäude als zweigeschossiger Pavillonbau mit quadratischem Grundriss und Türmchen wurde 1973 im Innern umgebaut und aussen purifiziert. Historische Spuren der Fassade sind damals weitgehend verschwunden. Dadurch ist er zwar nicht mehr vollständig im Originalzustand erhalten, trotzdem bleibt er integraler Bestandteil der Anlage. Entsprechend ist das Ensemble seit 2007 im kantonalen Inventar geschützter und schützenswerter Bauten verzeichnet (Kigbo-Nr. 02.076). 

Neu genutzt statt abgebrochen

Im Jahr 1992 wurde aus Kostengründen zunächst noch der Bau einer Gondelbahn erwogen, die an die Stelle der Arth-Rigi-Bahn treten sollte. Nicht zuletzt aufgrund von Reaktionen aus der Öffentlichkeit entschied sich die Bauherrschaft im Januar 1999, die Zahnradbahn zu erhalten. Man stellt aber fest, dass der Hochperron instandsetzungsbedürftig war. Die robuste Tragkonstruktion wies örtlich starke Korrosionsschäden auf. Die Schäden waren der dauernden Feuchtigkeitseinwirkung infolge undichten Dachs und Bodens, verbunden mit Streusalzanwendung, zuzuschreiben. Ausserdem genügten die bestehenden Einrichtungen für den heutigen Bahnbetrieb nicht mehr.

Die Bauherrschaft plante einen Neubau parallel zum und südlich vom SBB-Bahnhof. Die Züge sollten über das bereits existierende Verbindungsgleis in die SBB-Anlage einfahren. Das Hochperron wäre nicht mehr benötigt worden und daher akut vom Abbruch bedroht gewesen.1 Denkmalschutz und Ausbauwünsche der SBB im Zusammenhang mit der Neat veranlassten die Rigibahnen aber, das Projekt zurückzuziehen. Stattdessen war es nun das Ziel, den Hochperron zu erhalten, zu restaurieren und neu zu nutzen, ohne dabei das historische Erscheinungsbild zu verändern. Die Planung der Arbeiten begann 2008, und ab September 2010 führte man sie aus.

Historisches Schmuckstück neu eingebettet

Ab Juni 2015 erfährt der SBB-Bahnhof Arth-Goldau eine Infrastrukturanpassung. So wird die Kote aller Perrons um 30 cm erhöht. Dadurch würden die Füsse der historischen Pendelstützen und der Sockel des Turms im neuen Aufbau «versinken». Um den 4-Meter-Korridor der Neat in der Durchfahrt unter dem Hochperron zu gewährleisten, musste dieser aber ohnehin um 72 cm angehoben werden (vgl. Kasten).

Die Pendelstützen wurden auf einen neuen Betonriegel gestellt – die Stützenfüsse bleiben somit auch künftig sichtbar. Das südliche Auflager am Turm wurde in der Höhe versetzt. Ein Betonriegel erhöht das Widerlager Süd, und das Lager wurde als Fixpunkt des Hochperrons ausgestaltet. Dieses offensichtlich neue Bauteil kann als ver­bindendes Element und als Anschluss an die neue, bereits 2012 fertiggestellte zweigleisige Perronbrücke aus Stahlbeton im Anschluss an den Hochperron inter­pretiert werden. Neues verbindet sich so elegant mit Historischem.

Einzig der Turm liess sich nicht heraufsetzen. Die Anhebung des Hochperrons veränderte seine Proportionen. «Um die Veränderung aufzufangen, gestalteten wir die Fassaden in vielen einzelnen Schritten neu», so Jürg Zimmermann vom Architekturbüro Cadosch & Zimmermann. «Wir erhöhten die Fenster und hoben das Dach an.» Die Architekten werden zudem die unprofilierte Fassade strukturieren – stilisiert mit einem Relief im Verputz und basierend auf einem historischen Fassadenplan des ursprünglichen Baus.

Stahlkonstruktion aufgefrischt

Der Hochperron soll künftig als geschlossener gleisloser Warte- und Schalterraum genutzt werden. Die Stahlkonstruktion wurde deshalb so instandgesetzt, dass sie die neuen Nutzungsanforderungen erfüllt. Die Züge fahren aus bahnbetrieblichen Gründen nicht mehr in den Hochperron ein. Laut Martin Hofmann, Projektleiter von den Ingenieuren Gruner Berchtold Eicher, zeigte ein Vergleich der veränderlichen Lasten, dass die künftigen Nutzlasten um ca. 30% geringer sind als die früher angenommenen.2 Die nutzungsspezifischen und bauphysikalischen Anpassungen ergaben nahezu einen Lastausgleich. Das Haupttragsystem blieb deshalb unverändert, und seine Tragfähigkeit – auch die von einzelnen Profilen – musste nicht erhöht werden.

Möglichst viele Bauteile wurden instandgesetzt wiederverwendet, das heisst sandgestrahlt und neu korrosionsfest beschichtet. Dabei achtete man auf eine ­hochwertige Ausführung mit Zweikomponentenbeschichtungen, denn künftige Mangelbehebungen hätten Sperrungen der SBB-Gleise und die Abschaltung der Fahrleitungen bedingt. Sämtliche tragende Bauteile, die nicht wiederverwendet werden konnten, wurden gleichwertig ersetzt. Hochfeste vorgespannte Schrauben ersetzten die Nieten. Die Hochschule Luzern (HSLU) überprüfte 2009 die Qualität des historischen Stahls. Die mechanischen Kennwerte entsprechen dem heutigen Stahl S235. Der relativ hohe Schwefel- und Phosphorgehalt verschlechtert zwar die Zähigkeitseigenschaften, dürfte für die damalige Zeit aber üblich sein. 

Neu geschlossene Hülle

Die Hülle bedingte ein gedämmtes Dach und eine isolierte Fassade. Der neue Bodenaufbau besteht aus einer 100 mm dünnen Leichtbetonverbunddecke mit einem Holoribblech. Obwohl der Raum nicht beheizt wird, herrscht dennoch bezüglich erhöhter Feuchtigkeit eine andere Klimasituation. Das Dach wurde mit einem möglichst geringen Aufbau realisiert, um den dünnen Dachrandabschluss als feinen Strich beibehalten und dem historischen Bild gerecht werden zu können. Neue und konstruktiv aufwendige Stahlrahmen und Isolierverglasungen schliessen die Fassade. Die Fenster sind in unterschiedlichen Grössen fabriziert, denn die Flansche der genieteten Obergurten sind von Beginn an mit Laschen gegen die Trägermitte abgestuft verstärkt worden.

Laut Zimmermann war es schwierig, ein Unternehmen zu finden, das diese Fenster herstellen und montieren konnte. Gefragt war ein Fensterbau ohne konventionelle Anschlüsse und eine enge Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege. Kleinere Unternehmungen wären prädestiniert für solche massgeschneiderten Einzelanfertigungen mit kleinen Stückzahlen. In diesem Fall mussten aber immerhin 26 Stück angefertigt werden. Das mittelgrosse Unternehmen Ruch aus Altdorf lieferte die Stahlfenster. Diese lassen sich mittig gegen innen öffnen und reinigen. Ein Schutzgerüst am Fenster sorgt dafür, dass der Strom der Fahrleitungen nicht abgeschaltet bzw. der Bahnbetrieb nicht eingestellt werden muss.

Erhalt eines Zeitzeugen – mit neuer Nutzung

Die neue Bahnhofsanlage wird zum 140-Jahr-Jubiläum der Rigibahnen am 4. Juni 2015 noch nicht modernisiert und behindertengerecht in Betrieb gehen. Warteraum und Verkaufsbereich im Hochperron sowie der restaurierte Erschliessungsturm werden voraussichtlich erst 2016 eingeweiht werden können.

Wird der Hochperron eröffnet, erinnert die Industriearchitektur nach wie vor an die vormalige Nutzung. Als eindrückliches Beispiel des Eisenbrückenbaus des ausgehenden 19. Jahrhunderts bleibt er aufgefrischt erhalten. Lobenswert und verdienstvoll an dieser Erhaltung ist, dass es sich hier nicht – wie im Bereich des Verkehrswesens sonst oft der Fall – allein um das Rollmaterial handelt, sondern dass sie eine historisch ­wertvolle Baute betrifft, für die erst noch Liebhaber in grosser Anzahl gewonnen werden müssen. Die Rigi­bahnen investierten in ihren Infrastrukturausbau mit Verständnis für ihre Historie. Denn die Geschichte der Rigi ist untrennbar verbunden mit der Geschichte der Ingenieurbaukunst. Das hat Vermarktungspotenzial, das wiederum dem Tourismus zugute kommt, von dem die Privatbahn schliesslich lebt. 

Ein Film zeigt die Senkung des Hochperrons (Film von Jürg Zimmermann).

Weitere Infos: www.rigi.ch/Unternehmen/Die-Rigi-Bahnen

Anmerkungen

  1. Schweizer Heimatschutz – www.heimatschutz.ch.
  2. Vergleich Nutzlasten gemäss SIA 261/2003, Kat. C3 und Bahnlasten gemäss vorliegender Statik von 1897.

Tragkonstruktion

Der Hochperron ist als Trogbrücke aus eisernen genieteten Walzprofilen ausgeführt. Die Balkenbrücke mit zwei durchlaufenden, ca. 2 m hohen, parallelen genieteten Eisenfachwerkträgern spannt 26 m über die Gleise der SBB. Pfosten und gekreuzte Diagonalstreben fachen die Träger zwischen den Gurten aus. Die mit Dreieckslaschen verstärkten Pfosten übernehmen die Kipphalterung des auf Druck beanspruchten Obergurts. Der Unterbau ist 8.20 m breit und mit Querträgern konstruiert, die Windverbände gegeneinander aussteifen. Der Trog lagert am südlichen Ende gegen die offene Strecke hin auf einer Mauer mit unregel­mässigen Quadersteinen. Am nördlichen Ende steht er auf den beiden mit Andreaskreuzen verstrebten Pendelstützen aus genieteten Walzeisenprofilen (Versteifungsrahmen). Um die Spannweite des Hochperrons zu verkürzen, stehen diese vom Erschliessungsgebäude zurückversetzt. Zwei parallel verlaufende eiserne Doppel-T-Träger überspannen das kleine Feld von 4.25 m lichter Öffnung. Das 1899 auf den Obergurt der Fachwerkträger aufgestellte Dachtragwerk ist eine filigrane Stahlkonstruktion mit alle 2 m angeordneten Zwei­gelenkrahmen. Windverbände steifen die Dachebene aus, und das Satteldach aus Wellplatten hat im First ein aufgesetztes Oberlicht. Bogenförmige Fenster zwischen den Stützen schliessen den Raum ab. Sie sind mit Sprossen unterteilt. Die Rahmen bestehen aus einfachen Winkelprofilen.
Anheben des Hochperrons Die provisorisch notwendigen Fundamente und Hebeeinrichtungen (Stahljoche und hydraulische Pressen) wurden während Teilsperrungen der SBB-Geleise mit ausgeschaltetem Fahrstrom montiert. Danach wurde der etwa 170 t schwere Hochperron in der Nacht vom Sonntag, dem 19., auf Montag, den 20. Januar 2014 mit vier hydraulischen Liftsäulen rund 1.92 m angehoben, damit die Instandsetzungsarbeiten den SBB-Bahn­betrieb nicht stören. Für diesen Vorgang war eine Totalsperrung der SBB-Gleise notwendig. Für die Ausführungsarbeiten wurde die gesamte Konstruktion (inkl. Dach) mit einem Schutztunnel eingehaust. Nach Fertigstellung der Instandsetzung wurde der Hochperron in der Nacht vom Sonntag, dem 8., auf den Montag, den 9. Februar 2015 auf die neu erstellten und (wegen notwendigen Lichtraumprofils für den 4-Meter-Korridor der Neat) um 72 cm erhöhten Widerlager abgesetzt. Für diesen Vorgang war wiederum eine Totalsperrung der SBB-Gleise Luzern–Gotthard notwendig.

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