20 Jah­re Quart Ver­lag

Heinz Wirz und seine Familie haben die Entstehung und die Publikationen des Quart Verlags mit schweizerischer Präzision und Understatement ­geprägt. Eine Würdigung mit persönlichem Hintergrund.

Publikationsdatum
13-11-2019

Quart – das ist nicht nur ein Buchformat in der Grösse eines Viertelbogens, sondern auch ein Musikintervall, das vier Tonstufen umfasst und in seiner ­Signalartigkeit oft als Tusch im Karneval ertönt.

Ich lernte während inzwischen vier Jahrzehnten des Schreibens und Publizierens über Architektur einige Verlage in Europa und Amerika kennen. Meist haben sie unterdessen aufgehört zu existieren, stellten ihr Programm an Architekturbüchern ein oder wurden von grösseren Verlagsunternehmen übernommen. Jene begeisterten, wunderbaren Buchverleger sind rar geworden. Doch ich muss mich gleich korrigieren: Ich würde diese Verlage und Verleger vermissen, gäbe es nicht seit 20 Jahren den Quart Verlag, um Architekturbücher zu produzieren. Das ist nicht selbstverständlich. Begeisterung allein reicht nicht aus, um Fortbestehen und Erfolg zu erklären. Man braucht viele andere Qualitäten und Verbündete – am besten aus der Familie.

Vor fünf Jahren feierten wir im Luzerner Theater die Überreichung des Anerkennungspreises der Stadt Luzern an Heinz Wirz. Damals erwähnte ich Victor Hugos Roman «Der Glöckner von Notre-Dame», wo Claude Frollo, Archidiakon der mittelalterlichen Kathedrale von Paris, behauptet, dass die Architektur vom Buch ersetzt wird: «An die Stelle der steinernen Buchstaben des Orpheus treten nun die bleiernen Lettern Gutenbergs.» Kathedrale und Buch sind Speicher der kollektiven Erinnerung, nur das Buch schien für Frollo diese Aufgabe wirksamer, effizienter, jedenfalls wortwörtlich leichter zu erfüllen als die Steine. Heute ist es das gedruckte Buch, das von noch leichteren, noch immaterielleren Medien bedroht wird. Doch das Buch hat die Architektur nicht getötet. Architektur ist eine besondere Disziplin. Spätestens seit Vitruv umfasst sie nicht nur die Technik und die Kunst des Bauens, sondern auch die Reflexion und die Wissenschaftlichkeit. Architekten müssen die Welt auch begrifflich fassen.

«Jeder Buchband» – schrieb Heinz Wirz – «soll erfüllt sein von Anregungen, Hinweisen und Launen, voller Lebendigkeit und voller Lebenslust. Lebenslust heisst hier auch Lust auf Vertiefung, auf sich Zeit lassen, nicht mit allem gleich fertig werden, auf langsames Lesen und Betrachten angelegt.»1 Das ist nicht die Art des Lesens, die das Leben und die Medienflut uns erlauben wollen – die Bücher des Quart-Verlags verführen uns aber zur Lust des Sich-Verlierens.

Sorgfalt und Qualität

1985 wurde Heinz Wirz Mitglied des Teams der Architekturgalerie Luzern, verantwortlich für die Architekturkataloge. Von hier war der Weg zur Gründung des eigenen Verlags im Jahr 1999 vorgezeichnet:  Selbst wenn die Formate der Kataloghefte noch nicht dem Quart-Ideal entsprachen, nahmen sie deren ­Duktus vorweg – vor allem im Under­statement. Die monochromen, ter­ra­kottafarbenen Kartoneinbände fallen nicht sofort auf. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die Qualität, die Haptik der sorgfältig ausgewählten Papiere, das Satzbild, die gut lesbare Schrift. Als Heinz Wirz mich einlud, den Text zum ersten Buch «Räumlinge» des Verlags zu schreiben1, lernte ich auch seine Frau und Verlagsmitgründerin Anna ­Maria kennen. Dass der Verlag entstehen und gedeihen konnte, ist auch ihr zu verdanken. Gedanklich und emotional hat sie ihn mitgetragen. Diese Rolle übernahmen später Tochter Antonia und Sohn Linus – so wurde der Verlag zu einem Familien­unternehmen.

Einführend sprach ich über die musikalische Bedeutung des Worts Quart. Zum Schluss noch eine besonders passende Bedeutung: Quart ist auch eine Masseinheit für Wein und Bier. Ein Berliner Quart fasst mehr als einen Liter, ein Bremer Quart weniger, und wie viel ein Luzerner Quart fasst, das wissen wir: als Masseinheit für Qualität zwei Jahrzehnte. Aber sie ist dehnbar, da bin ich überzeugt!

Anmerkung
1 «Räumlinge – Valentin Bearth & Andrea Deplazes». Luzern: Quart Verlag 2000, S. 7.

Verwandte Beiträge