BIPV im Kon­text

Architektonische Integration von PV

Solaranlagen und ihre Integration in die Architektur – ein heikles Thema. Mit einer Methode zur objektiven Beurteilung liefert das Labor für Solar­energie und Bauphysik der ETH Lausanne ein hilfreiches Tool.

Publikationsdatum
11-06-2015
Revision
02-11-2015

Artikel 18a RPG des Planungs- und Baugesetzes besagt: «In Bau- und Landwirtschaftszonen sind sorgfältig in Dach- und Fassadenflächen integrierte Solaranlagen zu bewilligen, sofern keine Kultur- und Naturdenkmäler von kantonaler oder nationaler Bedeutung beeinträchtigt werden.» Doch was genau bedeutet «sorgfältig inte­g­riert» und «beeinträchtigt»  Welche architektonischen Qualitäten gilt es zu bewahren und wie? Diesen Fragen geht das Labor für Solarenergie und Bauphysik (LESO) der ETH Lausanne (EPFL) nach – mit dem Projekt ­LESO-QSV (für Qualität – Standort – Visibilität) nach. 

Architektonische Qualität lässt sich allgemein architekturtheoretisch über Nützlichkeit, Stabilität und Schönheit beschreiben. Nützlichkeit beschränkt sich bei Gebäuden mit BIPV nicht mehr nur auf die Funk­tion des Schutzes vor der Umwelt, sondern umfasst auch die Energieproduktion. Unter Stabilität fallen konstruktive Anforderungen an die PV. Die Frage der Schönheit hingegen ist für viele Techniker, aber auch Behörden nicht so leicht zu fassen. Das LESO hat objektiv beurteilbare Kriterien für Photo­voltaik­anlagen und ihre Integration in die Architektur zusammengestellt. Mittels eines dreistufigen Prozess lässt sich systematisch überprüfen, ob die Photovoltaik sorgfältig in die Architektur integriert ist. 

Der erste Schritt umfasst die Definition der gestalterischen Kriterien der Anlage, die ihre erfolgreiche Integration in das Gebäude ausmachen. Beurteilt werden Integration und formale Eigenschaften der verschiedenen Technologien. Dazu gehören Grösse und Position der Anlage (Systemgeometrie), Material, Oberflächentextur und Farbe der Module (Systemmaterial), ihre Grösse und Form und ihr Fugenbild (Systemdetails). 

In der zweiten Stufe wird die Photovoltaik nach diesen Kriterien bewertet. Als dritter Schritt folgt die Analyse des Kontexts. Je ­besser sichtbar die Aussenflächen und je sensibler der Standort eines Gebäudes im Siedlungskontext, desto entscheidender ist die ästhetische Qualität der architektonischen Integration, und desto höher sind die ­Anforderungen für deren Akzeptanz. Umgekehrt gilt: Je geringer die Sensibilität des Standorts und die Visibilität der Gebäudeflächen (Industriezone, Flachdach usw.), desto geringer sind die architektonischen Qualitätsanforderungen. 

Die Methode LESO-QSV wurde als Tool für Behörden, Bauherren und Architekten entwickelt, damit sie das dreistufige Programm leicht anwenden können. QSV-Acceptability hilft Gemeinden, Anforderungen in einem soziopolitischen Kontext zu definieren und folglich zu bewerten. QSV-Grid visualisiert die Auswirkungen unterschiedlicher Entscheide auf das Siedlungsumfeld. Und mit QSV-Crossmapping schliesslich kann für eine proaktive Solarplanung die architektonische Sensibilität von Siedlungsflächen kartiert und mit digitalen Sonneneinstrahlungskarten abgeglichen werden. 

Architekten müssen sich im Bereich der gebäudeinte­grierten Photovoltaik neue Kompetenzen aneignen, um Ver­änderungen im Zusammenhang mit der Nutzung von Solarenergie aktiv steuern zu können. Die Hersteller von Solar­anlagen müssen ihrerseits Produkte auf den Markt bringen, die als Baukomponenten konzipiert sind und sich optimal in den Bau integrieren lassen.  

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