So geht Durch­we­gung

Projektwettbewerb Ersatzneubau Tannenrauchstrasse, Zürich

Die bestehenden Wohnbauten der wsgz in Zürich Wollishofen sollen ersetzt werden. Das Projekt von EM2N überzeugt mit fünf Gebäuden unterschiedlicher Körnung und einem fliessenden Aussenraum.

Publikationsdatum
16-11-2017
Revision
16-11-2017

Die Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Zürich (wsgz), gegründet 1944, bewirtschaftet über tausend Wohnungen im Grossraum Zürich. Ihr gehören die Gebäude aus den 1950er-Jahren zwischen Tannenrauchstrasse und Mutschellen­strasse in Zürich Wollis­hofen. Sie entsprechen nicht mehr den heutigen Bedürfnissen, aber eine Modernisierung wäre wegen der Struktur und des baulichen Zustands mit unverhältnismässigem Aufwand verbunden. Die Genossenschaft hat deshalb beschlossen, die Gebäude durch Neubauten zu ersetzen. Auf dem Areal sollen ungefähr 100 Wohnungen im mittleren Preissegment entstehen. Besonderes Augenmerk legt die Ausloberin auf einen Aussenraum von hoher Qualität. Dazu gehört eine sinnvolle Anbindung ans Quartier sowie eine durchgängige Wegführung durch die neue Siedlung. Die Beiträge der acht eingeladenen Architekturbüros pendeln zwischen den Gegensätzen von höherer Dichte und mehr Freiraum.

Heiterkeit

Der einstimmig zur Weiterbearbeitung empfohlene Entwurf von EM2N setzt auf die Komposition von fünf verschiedenen Baukörpern. Den Auftakt zur Wohnsiedlung bildet ein gut dimensionierter Platz zur Tannenrauchstrasse. Darum sind drei grös­sere Volumen gruppiert und über ein schlüssiges Wegnetz erschlossen. Daran angelagert ist der Gemeinschaftsraum mit Nebennutzungen. Zwei kleinere Gebäude vermitteln zwischen dem Bestand im Norden und im Osten gegen die Mutschellenstrasse. Die beiden kleineren Gebäude sind in das Wegsystem eingebunden, werden aber vom Rand her erschlossen. Mit der differenzierten Volumetrie integrieren sich die ­Neubauten selbstverständlich in die vorhandene heterogene Bebauung.

Die Grundrisse zeigen eine Vielfalt an Wohnungstypologien: überhohe Wohnateliers, gestapelte Einfamilienhäuser über zwei Geschosse, attraktive Attikawoh­nun­gen sowie übereck orientierte und durchgängige Wohnungen. Eine einheitliche Fassade ganz in Weiss mit umlaufendem Sims und vertikalen Metallrohren bindet die unterschiedlichen Gebäude zusammen. Zusammen mit Ausfachungen aus Faltblechen und grosszügigen Verglasungen trägt dieses feingliedrige Gitterwerk wesentlich zum leichten Auftritt bei. Die bestechende Architektur hat aber ihren Preis. Der hohe Glasanteil führt zu einem grossen Verbrauch an grauer Energie und zu hohen Erstellungs- und Bewirtschaftungskosten. Trotzdem ist die Jury voll des Lobs. Die Rede ist von «bestechender Leichtigkeit» und «einem unverkrampften, heiteren und identitätsstiftenden Wohnumfeld».

Privatheit

Der mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Beitrag von Michael Meier und Marius Hug Architekten sieht zwei dreiflüglige, symmetrisch angeordnete Haupt­gebäude vor. An
der Tannen­rauch­stras­se liegt ein halb­öffentlicher Platz mit einem Baumhain und den Haupt­eingängen. Wo sich die beiden Gebäude an­nähern, sind Gemeinschaftsräume vorgesehen. Sie bilden das Scharnier, das zwischen Vorder- und Rückseite der Anlage vermittelt. Bei den privaten Höfen wechseln sich stark frequentierte Räume mit Rückzugsorten ab. An der Mutschellenstrasse fügt sich ein viergeschossiges Gebäude in die Reihe aus bestehenden Einzelbauten ein.

Die einen Wohntypologien sind übereck orientiert, die anderen sind durchgängig und bieten einen Bezug zu zwei unterschiedlichen Höfen. Eingeschobene Loggien zonieren den Innenraum. Sie kragen über die Fassade aus und ermög­lichen willkommene räumliche Querbezüge. Überzeugen konnte die Qualität der Aussen- und Begegnungsräume, quartierfremd ist die symmetrische Anordnung der beiden Hauptkörper und die dadurch formulierte Achse. Die Wohnungen sind gut organisiert, der Aussenraum zur Tannenrauchstrasse wirkt aber zu mondän. Das Nadelöhr zwischen den beiden Gebäuden bringt die öffentlichen Nutzungen zusammen, schafft aber keine vielfältige Wegführung und Durchgrünung im Quartier. Städtebaulich kann das Projekt nicht punkten, dafür aber sind die Wohnungen top.

Öffentlichkeit

Das drittplatzierte Projekt «Haus am Garten» von Adrian Streich Architekten bringt die meisten Wohnungen in einem einzigen, dreiteiligen Baukörper unter. Dieser nimmt unmittelbar Bezug zur Tannenrauchstrasse und riegelt das Hinterland ab. An das sechsgeschossige Ge­bäude mit Vor- und Rücksprüngen schliesst ein fünfgeschossiges rechteckiges Volumen an, das den Abschluss gegen Süden bildet. An der Schnittstelle der beiden Volumen ist der Gemeinschaftsraum angeordnet. Dieser nimmt sowohl Bezug zum Quartier mit dem Tannenrauchplatz wie auch zum rückseitigen Hof. Auch hier ergänzt ein viergeschossiger Baukörper die Typologie der Einzelbauten an der Mutschellenstrasse.

Effizient ist die vierspännige Erschliessung der Wohnungen mit einem natürlich belichteten Treppenhaus. Die Wohnungstypologien reichen von durchgängigen Wohnungen bis zur Orientierung übereck. Auch die Aussenräume mit Loggien, Balkonen oder Terrassen überzeugen. Negativ ins Gewicht fallen die Einsicht in die Nachbarswohnungen wegen der engen und hohen Einschnitte wie auch die teilweise langen Korridore. Dem Entwurf gelingt es nicht, die neue Siedlung in das Quartier zu implantieren. Der öffentliche Platz ist zu klein geraten, und die Wohnsiedlung blockiert ein durchgängiges Wegnetz.

Osmotischer Aussenraum

Die Gegenüberstellung der verschiedenen Lösungsansätze zeigt, dass wenige Hauptbaukörper rückseitig ruhige Bereiche schaffen können, aber eine feinmaschige Wegführung durch das Quartier behindern. Genau dies gelingt aber dem Siegerprojekt mit der lockeren Anordnung von fünf Gebäuden unterschiedlicher Körnung. Diese Strategie basiert auf einem fliessenden Aussenraum und einer selbstverständlichen Wegführung mit durchgängigem Grün. Die intuitive Setzung der unterschied­lichen Volumen führt zu einem in sich austarierten Konzept, das sich schlüssig in den Bestand einfügt. Wirtschaftlich ist es aber noch nicht. Hoffen wir, dass der Spagat von Kostensenkung und Erhalt der Qualität mit der Überarbeitung gelingt.

Pläne und Jurybericht finden Sie unter der Rubrik Wettbewerbe.

Auszeichnungen
 

1. Rang / 1. Preis: «Zelena»
EM2N Architekten, Zürich; Balliana Schubert Landschaftsarchitekten


2. Rang / 2. Preis: «Kìpos»
Michael Meier und Marius Hug Architekten, Zürich; Müller Illien Landschaftsarchitekten, Zürich


3. Rang / 3. Preis: «Haus am Garten»
Adrian Streich Architekten, Zürich; Ganz Landschaftsarchitekten, Zürich


4. Rang / 4. Preis: «Campari»
Enzmann Fischer Partner, Zürich; koepflipartner Landschaftsarchitekten

 

FachJury
 

Barbara Neff, Architektin (Vorsitz), Zürich; Stephan Meier, Architekt, Zürich; Andreas Rüegg, Architekt, Vorstand wsgz; Lorenz Eugster, Landschaftsarchitekt, Zürich; Rahel Lämmler, Amt für Städtebau Stadt Zürich

 

SachJury
 

Claudia Strässle, Geschäftsführerin wsgz; Felix Christen, Baujurist, Vorstand wsgz; Albert Nussbaumer, Finanzvorstand wsgz; Daniel Steiner, Architekt, Vorstand wsgz

Tags

Verwandte Beiträge