Neu­es Gut­ach­ten zur Rest­was­ser­sa­nie­rung in Rhein­au

Ein Gutachten zur geplanten Sanierung der Restwasserstrecke in Rheinau kommt zum Schluss, dass keine der vorgeschlagenen Varianten den Anforderungen des Natur- und Heimatschutzes genügt. Noch zeichnet sich keine überzeugende Lösung ab. Angesichts der unterschiedlichen Interessen ist guter Rat teuer.

Publikationsdatum
23-01-2012
Revision
25-08-2015

Mit Spannung wurde sie erwartet: Die von der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) und der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) gemeinsam verfasste Stellungnahme zur Sanierung der Restwasserstrecke in Rheinau. Das Bundesamt für Energie (BFE) veröffentlichte das Gutachten am 20. Januar 2012 und lud interessierte Kreise und potenziell betroffene Personen dazu ein, bis Ende Februar 2012 Stellung zu nehmen.

BLN, ISOS und IVS

Das BFE bestellte das Gutachten bei den beiden Kommissionen, weil die Rheinauer Rheinschlinge im Objekt «Untersee-Hochrhein» des Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) liegt, Rheinau mit dem Kloster im Inventar der schützenswerten Ortsbilder von nationaler Bedeutung der Schweiz (ISOS) und die Zollbrücke unterhalb von Rheinau im Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS) aufgeführt sind.
Die ENHK und EKD mussten beurteilen, wie sich die geplanten Massnahmen zur Restwassersanierung in Rheinau auf die inventarisierten Objekte auswirken. In ihrem Gutachten halten sie nun fest, dass keine der vier vorgeschlagenen Varianten die von den Inventaren abgeleiteten Schutzziele erfüllt. Das Natur- und Heimatschutzgesetz (NHG) verlangt eine ungeschmälerte Erhaltung oder grösstmögliche Schonung dieser Objekte. Nach Ansicht der Kommissionen ist dies nicht gewährleistet, insbesondere weil die Restwassermenge zu tief angesetzt ist.

Mindestens 150m3 Restwasser

Die vorgesehenen Massnahmen sehen eine Erhöhung der Restwassermenge von 5 m3/s auf 20 bis 60 m3/s – abgestuft nach Saison – vor. Die vier Varianten unterscheiden sich bei den beiden Hilfswehren, die bisher ein zu starkes Absinken des Wasserspiegels verhinderten und damit eine weitgehende Benetzung des Flussbettes sorgten. Für diese Hilfswehre ist eine Teilabsenkung beziehungsweise ein Teilrückbau oder sogar ein kompletter Rückbau vorgesehen. Nur so lassen sich die erwünschten schnelleren und für einen Fluss typischen Fliessgeschwindigkeiten erreichen. Damit die Anforderungen des Natur- und Heimatschutzes erfüllt werden können, müsste nach Ansicht der Kommissionen die Restwassermenge auf mindestens 150 m3/s erhöht werden.

Konzession bis 2036

Das Problem dabei ist, dass die Konzession, die die nutzbare Wassermenge sowie die Restwassermenge von 5 m3/s festlegt, noch bis 2036 läuft. Innerhalb der gegenwärtigen Konzession scheint es folglich keine Lösung zu geben, die den Anliegen des Natur- und Landschaftsschutzes sowie der Denkmalpflege genügend Rechnung trägt. Verfügt das BFE eine Restwassermenge von 150 m3/s, wird sich die Kraftwerksbetreiberin sehr wahrscheinlich zur Wehr setzen. Entscheidet sich das BFE für eine der vorgesehenen Varianten, kann es die Anforderungen des NHG nicht erfüllen. Wird dies angefochten, müsste das Bundesgericht entscheiden, das bei seinen Entscheiden sich oft auf die Gutachten der ENHK abstützte. Eine wirklich überzeugende Lösung ist somit vermutlich erst im Zuge der Neukonzessionierung 2036 möglich. Dannzumal wird die von der ENHK und EKD geforderte Restwassermenge von 150 m3/s wohl als Grundlage dienen.

BFE entscheidet nach Anhörung

Nach der Auswertung der Stellungnahmen zum jetzt veröffentlichten Gutachten will das BFE zusammen mit dem auf deutscher Seite zuständigen Regierungspräsidium Freiburg im Breisgau entscheiden, ob vor dem Erlass der Restwassersanierungsverfügung noch weitere Abklärungen notwendig sind. Unter diesen Umständen könnte das Seilziehen um Rheinau noch längere Zeit andauern.

Verwandte Beiträge