Mit Her­mann Blu­mer auf dem Hol­z­weg

Seit einem halben Jahrhundert erfindet der Appenzeller den Baustoff Holz neu. Eine Ausstellung in Teufen zeigt, wie weit er damit gekommen ist.

Data di pubblicazione
13-02-2014
Revision
18-10-2015

Der Holzweg liegt in Teufen AR, genau im Mittelgeschoss des alten Zeughauses. Dort ist noch bis zum 9. März 2014 die von Ulrich Vogt konzipierte Ausstellung «Leidenschaftlich auf dem Holzweg. Hermann Blumer erfindet Holz in Waldstatt» zu sehen, oder besser, zu erleben. 

Hermann Blumer, der weit über die Zimmermanns- und Holzarchitekturszene hinaus bekannte Appenzeller Holzbauvirtuose, Erfinder, Unternehmer, Berater, Koordinator, Projektpate und vieles mehr, braucht wohl nicht mehr vorgestellt zu werden – spätestens seit seiner Tragkonstruktion für den Tamedia-Neubau in Zürich von Shigeru Ban hat er nationale Bekanntheit erlangt.

Höchste Zeit also, aus Anlass seines 70. Geburtstags am 20. November 2013 seinem Leben und Werk eine Ausstellung zu widmen. Und umso besser, wenn sich die aktuelle Schau ausserhalb der Konventionen bewegt, aneckt, andere Sichtweisen aufzeigt – wie es der Gefeierte zeitlebens mit seiner Auffassung von Holzbau getan hat und weiterhin mit Leidenschaft tut. 

Keine normale Ausstellung

Auf dem Holzweg ist deshalb, wer einfach eine Ausstellung über Holzbauwerke erwartet oder eine Bildergalerie über Hermann Blumer. Natürlich gibt es das auch, werden die Bauten und Projekte des Meisters in Modellen, Plänen, Fotos von Heinrich Helfenstein, Toni Küng und anderen – darunter grosse «Stall-Fotos» von Katalin Déer und Nachtaufnahmen von Roland Bernath – und Skizzen auch gezeigt. Der Fabrikant Hermann Blumer begegnet den Besuchern bereits beim aus Blumer-Systemkomponenten aufgebauten temporären Vordach des Zeughauses.  

Pièce de Résistance der Ausstellung ist das 1: 50-Modell der Dachkonstruktion der Eishalle in Davos – ein nicht realisierter Entwurf Blumers von 1979 (er hätte auf die Betonstümpfe einer um 1970 von Heinz Hossdorf entworfenen Stahlkonstruktion aufgesetzt werden sollen). Ergänzt wird die Werkschau durch eine über die Ausstellung verteilte Mustersammlung, die den Baustoff Holz in all seinen Erscheinungsformen begreifbar macht.  

Aber Kurator Ulrich Vogt hat noch ganz eigene Vorstellungen darüber, wie Blumers Holz-Bau-Kunst einem breiteren Publikum vermittelt werden kann – auf dem Weg über Kunst etwa, die sich nicht unmittelbar als Kunst offenbart, die vielleicht buchstäblich herausgeschält werden muss. Sein Holzweg zieht sich im Mittelgang über die gesamte Gebäudelänge hin und versammelt «eingeholzte Objekte» der Künstler Gabriela Brühwiler, Pascal Lampert, Ursula Palla und Stefan Rohner: mehr oder weniger banale Gegenstände aus den unterschiedlichsten Materialien, konsequent und bis zum Exzess mit Holzmustern verkleidet und dadurch verfremdet – ein Konzept, das durch ein vollständig mit Holzmustern verkleidetes Auto auf dem Vorplatz angekündigt wird.

Weitere Akzente setzen die raffinierten Holzkonstruktionen von Ueli Frischknecht und eine dreidimensionale Raumzeichnung von Fridolin Schoch. Insgesamt präsentiert das Zeughaus Teufen eine kleine, aber verblüffend vielschichtige und hintergründige Auseinandersetzung mit dem Phänomen Hermann Blumer und seinem Werkstoff, dem einheimischen Holz. 

Ein stimmiges Gebäude

Dazu kommt, dass der Ausstellungsort ein Glücksfall ist. Das repräsentative Gebäude, das Baumeister Jakob Schefer von 1852 bis 1855 nach Plänen des Architekten Felix Wilhelm Kubly für den Kanton Appenzell Ausserrhoden erstellte – und das 2012 von den Architekten Ruedi Elser und Felix Wettstein respektvoll restauriert und modernisiert wurde –, ist die stimmige Behausung für eine Holzbauausstellung. 

Damit ist insbesondere der Dachstuhl angesprochen, der mit einem konstruktiven Leckerbissen aufwartet: Die Decke über dem Erdgeschoss und die Zwischendecken sind mittels hölzerner Hängesäulen an der Tragkonstruktion des Giebeldachs abgehängt – ein Gesellenstück der beteiligten Zimmerleute. Diese anspruchsvolle Konstruktion war erforderlich, weil das Erdgeschoss stützenfrei sein musste, um der Appenzell-Ausserrhoder Artillerie ungehindertes Manövrieren zu ermöglichen.

Bemerkenswert sind auch die massiven Treppen an den Gebäudeenden. Darüber sind seinerzeit «an einem Ende die Bürger hinaufgestiegen und am anderen Ende als Soldaten hinabgestiegen», wie Kurator Ulrich Vogt die ursprüngliche Funktion des Gebäudes in Erinnerung ruft. An den Geländern ist auch der Konflikt zwischen Sicherheitsnormen und Denkmalpflege ablesbar: Die Holzgeländer sind in der ursprünglichen Höhe rekonstruiert worden, doch das genügte den aktuellen Sicherheitsnormen nicht. Die Architekten setzten deshalb einen Handlauf aus walzrohen Eisenprofilen in der «richtigen» Höhe obendrauf – was nicht allen gefiel. Als Kritik «verholzten» die Künstler der Ausstellung nun den Stahl.

Das Zeughaus beherbergt auch ein der einheimischen Baumeisterfamilie Grubenmann gewidmetes Museum. Die Modelle, Pläne und weitere Exponate dieser Sammlung mit überregionaler Ausstrahlung lassen die meist nicht mehr erhaltenen Brücken, Dachstühle und Turmhelme der Appenzeller neu aufleben. Zu begrüssen ist dabei der Ansatz, die überquerten Täler zu modellieren und damit auch die Untersicht der Brücken einsehbar zu machen. Es ist wohl nicht abwegig, den jetzt unter demselben Dach präsentierten Hermann Blumer in eine Reihe mit den Zimmerleuten, Architekten, Ingenieuren und Unternehmern der Grubenmann-Dynastie im 18. Jh. zu setzen, sie alle als Brüder im Geist des Holzbaus zu sehen. 

Neben der Ingenieurskunst werden als Dauerausstellung noch Werke des Appenzeller Landschafts- und Porträtmalers Hans Zeller (1897–1983) gezeigt. Die Charakterköpfe lassen etwas von der Gewitztheit und Hartnäckigkeit erkennen, die einen Appenzeller wie Hermann Blumer auch heute noch auszeichnen. 

Articoli correlati