SIA: Politik im roten Rahmen
Was können, was sollen heute Vereinsnachrichten wie jene des SIA in TEC21 leisten? Was erwartet der Leser, was sind die Ansprüche des Vereins, und welche Gestaltungsspielräume hat der verantwortliche Redaktor?
Die ersten professionellen Vereinsnachrichten, die ich kennenlernte, waren jene eines deutschen Architekten- und Ingenieurverbands. Gedruckt auf einem etwa achtseitigen Leporello lagen sie lang als Extrablatt einer bekannten Architekturzeitschrift bei. Eine Form, die zwei klare Vorzüge hatte: Die Vereinsmitteilungen fallen sofort ins Auge und sind vom «eigentlichen» Heft noch klarer abgegrenzt als die SIA-Seiten in TEC21 mit ihrem schönen roten Rahmen. Und: Wer sich nicht dafür interessierte, brauchte mit dem druckfrischen Heft nur zum Altpapierkörbchen zu gehen, seine Umschlagseiten, Bindung nach oben, giebelartig nach aussen zu biegen und die Vereinsmitteilungen landeten ungelesen, aber nachhaltig im Altpapier.
Das kleinteilige Layout war bebildert mit Aufnahmen korrodierter Stützpfeilerarmierungen, Bildern von Messeständen oder Jurysitzungen; absolut dominierend jedoch waren die zahllosen Gruppenaufnahmen meist rotgesichtiger Herren selten Damen mittleren Alters in seltsam gemusterten Anzügen und mit noch seltsameren Krawatten. Blitzlichtfotos, die die Zusammenkunft eines Verbandsgremiums verewigen sollten, aber vor allem bewiesen, dass Amateure keine Porträtaufnahmen machen sollten. Bestimmend war der Eindruck, dass diese Art von Vereinsnachrichten vorrangig Relevanz besitzen für jene, die darin vorkommen.
Das ist etwas, was wir anders machen möchten und zwar nicht erst, seit der Verfasser dieser Zeilen für den Inhalt der SIA-Seiten verantwortlich ist. Inhalt, Gestaltung und Aufgabe der Seiten, die ich gemeinsam mit meiner Kollegin Barbara Angehrn auch für das im Tessin erscheinende archi und für Tracés in der Romandie betreue, werden im Bereich Kommunikation des SIA kontinuierlich reflektiert und diskutiert sowohl im Zusammenspiel mit den anderen Kommunikationsmedien des SIA als auch in ihrer Beziehung zum übrigen Heft.
Wichtigster Unterschied zum Hauptteil von TEC21 ist, dass meine Autoren und ich leider nur ausnahmsweise dezidiert fachlich werden können, also Konstruktion oder Architektur als solche Thema unserer Artikel sind. Jedoch meine ich, dass sich unser redaktionelles Angebot nicht allein auf Berichte über SIA-Aktivitäten, Vernehmlassungen und Veranstaltungsankündigungen beschränken sollte. Gefragt sind daneben zwei Dinge, mit denen der SIA die Geltung und Attraktivität der Vereinsseiten massgeblich steigert: zum einen Berichte mit konkretem Mehrwert für die Leser; zum anderen Artikel, die politisch klar Stellung beziehen. Was die politischen Beiträge angeht, sind Claudia Schwalfenbergs Beitrag über Baukultur als künftig eigenständige Kulturaufgabe des Bundes sowie insbesondere Daniele Grabers harsche Sätze zur Wettbewerbspraxis im Tessin Beispiele eines erfreulichen Trends zu klaren Worten.
Nicht nur wohlabgewogene Freundlichkeiten
Was sonst könnte Zweck unserer Seiten sein, als Position zu beziehen und auch einmal Missstände anzuprangern? Andernorts mögen Verbandsvertreter darin geübt sein, nach allen Seiten Proporz walten zu lassen und Kritik nur so verklausuliert zu üben, dass sie niemand bemerkt. Nur kommt man so nicht weiter. Ein Berufsverband, der lediglich wohlabgewogene Freundlichkeiten von sich gibt, ist auf Dauer weder ein guter Anwalt seiner Mitglieder noch der planerischen und baukulturellen Qualität.
Was den erwähnten praktischen Nutzwert betrifft, war die noch von meiner Vorgängerin Sonja Lüthi organisierte dreiteilige Artikelserie des Zürcher Juristen Paul Hollenstein zum Arbeitsrecht ein Beispiel dafür, welchen Weg ich im Sinn der Leser gern weiter beschreiten möchte. Denn wichtigster Massstab ist, dass die Seiten am Ende den Lesern gefallen! Manchmal geht der Anstoss zu innovativen Inhalten auch von diesen aus, insofern bedaure ich es etwas, dass ich kaum je Leserpost erhalte.
Was nun die Bebilderung angeht, so haben Gruppenbilder von SIA-Offiziellen auf den Seiten eher Seltenheitswert. Oder sie stammen von Fotografen wie Reto Schlatter oder Manu Friederich, die das Talent besitzen, selbst recht prosaischen Situationen wie den zur Abstimmung emporgereckten Kärtchen einer Delegiertenversammlung fotografischen Zauber abzugewinnen. Auch der Alltag von Vereinspolitik lässt sich würdig bebildern.
Die SIA-Seiten sind fester Bestandteil des TEC21, redaktionell wie physisch. Auch wenn sie lose dem Heft beiliegen würden, hätten ich keine Furcht, dass jemand unsere Seiten loswerden möchte. Auf der anderen Seite ist vielleicht der eine oder andere Beitrag so spannend, dass jemand den Cutter ansetzt und die betreffende SIA-Seite heraustrennt und archiviert.