Wie viel Tech­no­lo­gie brau­cht der Bau?

Swissbau 2014

Kopenhagen und Mumbai, Hightech und Handarbeit, Einfamilienhaus-Preziosen und Grossstrukturen, Armut und Luxus des Verzichts: An der Swissbau-Veranstaltung «Arch-Tec: Entwurf und Baurealität» prallten Welten aufeinander. Die Vorträge und die anschliessende Podiumsdiskussion eröffneten unterschiedlichste Perspektiven auf das Bauen, aber auch auf den Menschen und seinen Platz in der Welt.

Data di pubblicazione
25-01-2014
Revision
03-10-2017

Vier Referate und eine Podiumsdiskussion: Die traditionellen «Architekturvorträge» waren auch heuer eine inhaltlich dichte Veranstaltung. Dies lag weniger an der Ausgangsfrage «Wie viel Technologie braucht der Bau » als an der Zusammenstellung der Referenten. Deren Auffassungen zum Verhältnis des Menschen zu Technologie und Natur, und überhaupt zu seinem Stellenwert, klafften weit auseinander. Dennoch gelang es, über die kulturellen und ideologischen Gräben hinweg immer wieder in Dialog zu treten: Sowohl in den Vorträgen als auch in der Podiumsdiskussion fanden sich immer wieder überraschende Berührungspunkte.

Was heisst «einfach» 

ETH-Professor Ludger Hovestadt (Institut für Technologie und Architektur ITA) stellte eine neue, auf neuen technologischen Möglichkeiten beruhende Architektur in Aussicht. Denn obwohl der Informationsaustausch immer schneller und die Geräte immer kleiner werden, neigen wir dazu, diese neuen Mittel in einer alten Art undBijoy Jain von Studio Mumbai Architects Weise einzusetzen. Beschleunigung und Entmaterialisierung könnten aber auch zu einem neuen Denken über Architektur, Entwurf und Bauen führen.

Im Gegensatz dazu vertrat Bijoy Jain von Studio Mumbai Architects eine Haltung, die Vergangenheit und Zukunft im Jetzt zu vereinen sucht: Wenn man die Dinge ohne Vorurteile betrachte, liessen sich Alt und Neu auf einfache und informelle Weise zusammenführen. Er zeigte heutige Bauten, die mit traditionellen Techniken, lokalen Materialien und im Einklang mit dem Ort erstellt wurden – in einem Land wie Indien, in dem rund 500 Millionen Menschen ihre Häuser selbst in Handarbeit bauen, eine existenzielle Qualität.

Richard Horden vom Londoner Architekturbüro Horden Cherry Lee bot das Kontrastprogramm: Seine bis ins kleinste Detail perfekt designten «Micro Compact Homes» sind zwar ebenfalls auf ein Minimum reduziert, was Raumverbrauch und Energiekonsum im Betrieb angeht; doch sie leben von edlen, industriell verarbeiteten Materialien, Hightech-Devices und der Aussicht in einen schönen Park. Der Hinweis, das ganze Haus könne «einfach» per Helikopter angeliefert werden, klang nach den Bildern zierlicher indischer Frauen, die Ziegelsteine und Holzträger schleppten, geradezu höhnisch. Einfachheit und Beschränkung auf das Wesentliche haben weltweit unterschiedliche Gesichter.

Jakob Lange vom Architekturbüro Bjarke Ingels Group (BIG, Kopenhagen) präsentierte Projekte des Büros, das – ganz in der Tradition der Niederländer OMA und MVRDV – von traditionellen Bildern unbelastet Antworten auf heutige Fragen sucht und dabei vor lauter Pragmatismus geradezu poetische Werke hervorbringt. So etwa bei einer gigantischen Kehrichtverbrennungsanalage, auf deren schrägem Dach eine Skipiste die Wintersportler begeistern soll und deren Kamin jedes Mal, wenn sie eine Tonne CO2 ausgestossen hat, einen riesigen Rauchring als Mahnmal in den Himmel bläst. 

Viele Wege in die Natur

Die Podiumsdiskussion bot Gelegenheit, die Positionen zu konfrontieren. Unversöhnlich schien der Antagonismus zwischen Hovestadt und Jain. Ersterer zeichnete den Menschen als intellektuelles Wesen, das sich von der Natur entfernt und in einer technisierten Welt eingerichtet habe; Letzterer beharrte darauf, dass der Mensch Teil der Natur sei und mit all seinen Sinnen mit ihr verbunden bleiben müsse.

Hier traf er unerwartet auf BIGs «hedonistische Nachhaltigkeit», d.h. die Forderung, der Mensch solle – allerdings dank Hightech – die Welt in vollen Zügen geniessen können, ohne sie zu zerstören. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Jain und Lange war die erfrischend vorurteilsfreie, pragmatische Kombination unterschiedlicher Elemente: traditionelle und moderne Bauweisen beim Studio Mumbai, disparate Nutzungen bei BIG.

Die Natur beschäftigte die Referenten mindestens ebenso wie die Frage nach dem richtigen Einsatz der Technik. Dabei verbarg der Begriff Natur nicht immer das gleiche Verständnis. Der Modernist Horden sprach vom Baum vor dem Fenster und dem Energieverbrauch des einzelnen Objekts; Jain von einer universellen Einheit von Materie, Zeit und Raum; Lange von der Umwelt in postindustriellen Ländern; Hovestadt von Lebenserwartung und Intellektualisierung. Die Unterschiede zwischen den Generationen, zwischen erster und dritter Welt, zwischen Pragmatismus und Fortschrittsglaube waren frappant. Einzig in einem Punkt waren sich alle Anwesenden einig: Welche Technik man auch anwendet, sie sollte letztlich dazu dienen, ein Leben im Einklang mit dem zu ermöglichen, was immer man je nach Herkunft und Kultur unter Natur versteht.

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