Bien­na­le Ve­ne­dig 2023: The Great En­dea­vour

Kurzfilm, Arsenale

Die Menschheit lotet immer wieder die Grenzen des technisch Möglichen aus – verbunden mit einem grossen Aufwand an Ressourcen, auf Kosten von Natur und Menschen. Der Kurzfilm «The Great Endeavour» handelt von solchen Grenzen in der Zukunft.

Data di pubblicazione
23-08-2023

«The Great Endeavour»
Arsenale

 

Direktor: Liam Young

Kostüme: Ane Crabtree
Environment Artist:
Andrew Hu
Wisssenschaftliche Mitarbeit:
Holly Jean Buck, David Goldberg


Mit der Abkehr von fossilen Brennstoffen werden die Öl- und Gasingenieure in die aufstrebende Kohlenstoffindustrie versetzt, bei der Kohlenstoff aus der Luft in ein verflüssigtes Gas umgewandelt wird, das tief unter den Meeresboden gepumpt oder in das Gestein der Wüste eingelagert wird.

Der Film zeigt eine Art kollektiven Grössenwahn, eine Mischung aus Starwars-Sciencefiction und realer Situation, nah an industriellen Ölplattformen, globalen Schiffshäfen oder riesigen Solarfeldern in der Sahara. Sturmwellen umspülen gigantische Maschinen mit zahllosen Rotoren im rötlichen Scheinwerferlicht der Gischt, zwischen Dünen hocken bedrohlich moskitoartige, feingliedrige Bohrtürme im Sand. Alles ist vollkommen menschenleer, und eine versteckte Kraft lässt Propeller rotieren, Pumpen laufen und Kräne sich um sich selbst drehen. Der Film «The Great Endeavour» nutzt die hypnotische Wirkung von Wellen, Gezeiten und Lichtstimmungen, die die Zuschauer benebeln, bis sie irgendwann aufstehen und weitergehen.

Ein Netzwerk aus Wissenschaftlerinnen und Technologen kreierte den Film, um die Konstruktion, die Visualisierung und die Dramaturgie des Aufbaus dieser imaginären Infrastruktur aufzuzeigen. Die Umweltsozialwissenschaftlerin Holly Jean Buck erklärt: «Die Länder der Ersten Welt haben mit ihren Treibhausgasemissionen die Atmosphäre kolonisiert.» Um die Klimaziele im Film zu erreichen, reicht die Senkung der künftigen Emissionen nicht. Stattdessen entfernen planetare Maschinen Kohlendioxid aus der Atmosphäre und speichern sie im Gigatonnenmassstab unterirdisch im Meeresboden oder in der Wüste. Die Entwicklung dieser neuen Infrastruktur ist hier das grösste technische Projekt in der Geschichte der Menschheit, das die Mobilisierung von Arbeitskräften und Ressourcen in einem planetaren Ausmass umfasst.

In einem Vorzimmer zum Filmraum befinden sich von der Hollywood-Kostümbildnerin Ane Crabtree entworfene Kleider. Es sind wiederverwendete Overalls von Ölplattformangestellten mit bekannten Logos und Emblemen. Die Schutzhandschuhe, Schürzen, Masken und Overalls sind nun jedoch bestickt mit feinen Fäden und komplizierten Details, Daten, Infrastrukturkarten und kulturellen Motiven von den Orten, die die Arbeiter ihr Zuhause nennen. Diese Kleidungsstücke, die von Industrialisierung zeugen, sind nun feierlich und kostbar uminterpretiert worden. Sie sind nicht mehr rein zweckmässig, sondern werden mit Stolz von dieser neuen Gruppe getragen, die mit der Neugestaltung der Welt betraut wurde – so die Projektverfasser von «The Great Endeavour».

Es stellt sich aber die Frage, ob der eindrückliche Beitrag, der eine Zukunft mit beängstigend bekannten Referenzen aufzeigt, ein guter Plan für die Menschheit wäre. Abwegig ist sie nicht. Was der Film zeigt, kann durchaus Realität werden. Ob etwas mehr Bescheidenheit und Zurückhaltung auch zielführend sein könnte – gerade weil dies viel weniger Ressourcen braucht als der Plan von «The Great Endeavour», der auch auf dem bekannten Schema der Ausbeutung beruht, mit all den Maschinen, die hergestellt und von Menschen in der Wüste oder im Meer gewartet werden müssen?

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