Neue Nor­men SIA 380 und SIA 380/2

Seit Anfang November 2022 sind zwei revidierte Normen gültig: SIA 380 Grundlagen für energetische Berechnungen von Gebäuden und SIA 380/2 Energetische Berechnungen von Gebäuden – Dynamisches Verfahren für Bedarfsabklärungen, Leistungs- und Energiebedarf. Was ist neu?

Data di pubblicazione
14-12-2022
Prof. Gerhard Zweifel
Präsident der SIA-Kommission für Gebäudetechnik- und Energienormen (KGE), Sachbear­beiter SIA 380 und 380/2, Projektleiter SIA 4010

Die revidierte Norm SIA 380:2022 Grundlagen für energetische Berechnungen von Gebäuden ist seit dem 1.11.2022 in Kraft. Erstmals wurde die Norm im Jahr 2015 publiziert. Überarbeitet wurde sie hauptsächlich aufgrund der geänderten Randbedingungen seitens der internationalen Normen – insbesondere der SN EN ISO 52 000-1:2017 Energieeffizienz von Gebäuden – Festlegungen zur Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden – Teil 1: Allgemeiner Rahmen und Verfahren.

Kapitel Energiebedarf stark überarbeitet

Nebst der vereinheitlichten Definition der Bauteilabmessungen und Bezugsflächen für alle SIA-Normen der Bauphysik sowie der Gebäude- und Energietechnik, die nach gründlicher Überprüfung weitgehend belassen wurden, regelt die Norm SIA 380 die Anwendung vereinfacht-statischer und dynamischer Rechenverfahren sowie die Methode für die Aggregation zu einem Gesamtergebnis, inklusive der Rückspeisung und Bewertung der Energieträger.

Das Kapitel zur Berechnung des bewerteten Energiebedarfs wurde stark überarbeitet und die Bilanzierungsmethode nach SN EN ISO 52 000-1:2017 berücksichtigt. Die Bilanzierung erfolgt dabei konsequent für jeden Berechnungszeitschritt (in der Regel eine Stunde). Das erfordert, dass die vorgelagerten Berechnungen im selben Zeitschritt erfolgen und die Ergebnisse als jährliche Bedarfsprofile in stündlicher Auflösung übertragen werden.

Die abgeführte Energie (Einspeisung des Überschusses ins Netz) erfolgt mit einer Momentanbilanzierung, die die notwendige Netz-Interaktion abbildet. Dabei wird neu die am Standort eigenerzeugte Energie aus erneuerbaren Quellen, z. B. durch Photovoltaik, in Übereinstimmung mit SN EN ISO 52 000-1:2017 als ausserhalb des Bilanzperimeters liegend definiert und daher als zugeführte Energie gezählt und bewertet. Das gilt ebenso für die Wärme aus der Umgebung (Aussenluft, Erdreich, Grund- und Oberflächenwasser) als Quelle für Wärmepumpen sowie mittels technischer Systeme an die Umgebung abgegebene Wärme mit umgekehrtem Vorzeichen.

Bei Erdsonden, die Kühl- und Heizzwecken dienen, wird im Kühlfall als Kompromiss nur der Teil gezählt, der die beim Heizen entzogene Wärme übersteigt. Die Bewertung dieser erneuerbaren Quellen erfolgt als 100 % erneuerbare Primärenergie.

Die bisher im Anhang publizierten Bewertungsfaktoren wurden entfernt und durch einen Bezug zu den neuen KBOB-Daten ersetzt, mit dem Hinweis, dass während des Projekts die Quelle (das Ausgabedatum der KBOB-Daten) nicht geändert werden soll. Neu werden dazu auch Umweltbelastungspunkte und die CO2-Faktoren gemäss CO2-Verordnung zur Bewertung berücksichtigt.

Abgeführte Energie unterschiedlich bewertet

Für die zu ermittelnde Zusammensetzung der aus dem Netz bezogenen elektrischen Energie werden die neuen Entwicklungen bezüglich der Stromkennzeichnung berücksichtigt. Im Fall des auf den Herkunftsnachweisen basierenden Schweizer Lieferantenmixes wurde ein Vorbehalt eingeführt, weil dieser Mix im Rahmen der Normarbeit als irreführend erkannt wurde.

Die abgeführte elektrische Energie wird unterschiedlich bewertet:

  • wenn sie an Dritte verkauft wird oder wenn die Herkunftsnachweise veräussert werden: gleich wie die zugeführte Energie (100 % erneuerbare Primärenergie, was zu einer Nichtberücksichtigung beim bewerteten Energiebedarf führt);
  • in den übrigen Fällen, insbesondere beim Verkauf an den lokalen Netzbetreiber ohne Erwerb der Herkunftsnachweise durch diesen: auf Grund des vermiedenen Netzstroms.

Damit kann das Problem der Doppelzählung vermieden werden. Zur Illustration der recht komplexen Zusammenhänge enthält die Norm einen informativen Anhang mit drei Rechenbeispielen. Diese sind auch in Form einer Excel-Datei erhältlich.

Für klimatisierte Gebäude: SIA 380/2

Für klimatisierte Gebäude gilt die Norm SIA 380/2 Energetische Berechnungen von Gebäuden – Dynamisches Verfahren für Bedarfsabklärun­gen, Leistungs- und Energiebedarf, die ebenfalls seit Anfang November 2022 gültig ist. Die neue Norm ist aus der Revision der bisherigen Norm SIA 382/2:2011 Klimatisierte Gebäude – Leistungs- und Energiebedarf entstanden, unter Einbezug des Merkblatts SIA 2044:2019 und von Teilen der Norm SIA 382/1:2014 Lüftungs- und Klimaanlagen – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen, deren Revision im Gang ist (vgl. laufende Vernehmlassung prSIA 382/1:2022).

Die Norm definiert die relevanten Annahmen und Randbedingungen zu den dynamischen Berechnungen für den Leistungs- und Energiebedarf für Heizen und Kühlen und enthält neu die Methode der Bedarfsermittlung für die Kühlung. Damit vereinigt die Norm alle Faktoren, die einen Bezug zu dynamischen Berechnungen haben. Sie fordert eine Berechnung im Zeitschritt von einer Stunde oder weniger, verlangt aber – in Abweichung von den Europäischen Normen – kein spezifisches Rechenverfahren (dieses wird als «Standard-Rechenver­fahren» lediglich in einem informativen Anhang mit zahlreichen Bezügen auf die Europäischen ­Normen gegeben).

Das heisst, dass in der Planungswelt zunehmend etablierte und für den Planungsprozess verwendete Gebäudesimulationsprogramme ausdrücklich zugelassen sind. Das ist nicht neu, es werden dafür jedoch aktualisierte Bedingungen gestellt. Deren wichtigste ist das Bestehen einer Validierung.

Eine neue Wegleitung für die Norm 380/2

Zur leichteren Zugänglichkeit der erwähnten Informationen, die überall in den Europäischen Normen verstreut sind, sowie zur Validierung wird eigens die Wegleitung SIA 4010 Energetische Berechnungen von Gebäuden – Dynamisches Verfahren Bedarfsabklärungen, Leistungs- und Energiebedarf – Dynamisches Verfahren erarbeitet. Diese gibt ergänzende Informationen und ein Validierungsverfahren für Software, die den Anspruch erhebt, nach SIA 380/2 zu rechnen.

Die Fokussierung auf die Validierung wurde der Neuentwicklung eigener Software vorgezogen und ersetzt das SIA-TEC-Tool, das bisher das Standard-Rechenverfahren nach SIA 2044 umgesetzt hat und mit der Normenentwicklung nicht mehr Schritt halten kann.

Die Validierung enthält eine Reihe von sieben Validierungstests. Je nach Anwendung muss ein Teil oder das ganze Set bestanden werden. Für den Gebäudeteil basieren diese Tests auf den bewährten internationalen Tests aus ASHRAE 140, die auch in SN EN ISO 52016-1 Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Energiebedarfs für Heizung und Kühlung, Innentemperaturen sowie der Heiz- und Kühllast in einem Gebäude oder einer Gebäudezone – Teil 1: Berechnungsverfahren referenziert wird.

Dazu kommen je ein Test für den Sonnenschutz und die Beleuchtung, für die die Normen SIA 387/4 und SIA 380/2 eigene Modelle enthalten und Anforderungen stellen sowie vier weitere Tests für die ganze Gebäudetechnik. Für diese wird ein generisches Beispielgebäude verwendet, das die nötigen Nutzungen und eine PV-Anlage zur Eigenerzeugung enthält. Es wurden Vergleichsresultate mit vier verschiedenen Referenzprogrammen erstellt, inklusive der den Europäischen Normen entsprechenden Spreadsheets (vgl. www.epb.center).

Die Wegleitung SIA 4010 steht vor der Fertigstellung, der Schlussentwurf wurde genehmigt und die Publikation ist per 1. Mai 2023 geplant. Bis dann soll auch die Infrastruktur für die Validierung der Programme in digitaler Form auf der SIA-Website zur Verfügung stehen und der operative Prozess starten. Es sind mehrere Produkte bekannt, die sich dieser Validierung voraussichtlich unterziehen werden.

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