«Was bauen wir, und wie wird un­ser Le­ben­sraum nach­hal­tig ge­stal­tet?»

Urs Rieder und Alain Oulevey sind die neuen Vizepräsidenten des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA). Im Gespräch ziehen sie Bilanz über die ersten rund 100 Tage und beleuchten ihre Rolle sowie die weiteren Veränderungen im Vorstand.

Data di pubblicazione
14-09-2022


SIA: Herr Oulevey und Herr Rieder, mit seiner Konstituierung hat der SIA-Vorstand Sie am 25. Juni 2022 zu seinen zwei Vizepräsidenten ernannt. Was ist in den rund drei Monaten geschehen?

Urs Rieder: Für mich fühlt es sich eher wie zwei Jahre an, dass ich als Vizepräsident amte. Seit Anfang Jahr gehören wir zum geschäftsleitenden Ausschuss, der zusammen mit dem Präsidenten und der Geschäftsleitung wichtige Fragen diskutiert, und haben die Aufgaben von unseren Vorgängern laufend übernommen. Anlässlich der konstituierenden Sitzung sind wir nun mit dem neuen Vorstand in die Arbeit gestartet, das macht Freude!

Alain Oulevey: Wir durften vier neue Kolleginnen und Kollegen begrüssen. Nur ein Jahr, nachdem drei neue Vorstandsmitglieder ihre Arbeit aufgenommen haben – darunter unser Präsident Peter Dransfeld und ich. Das ist Chance und Herausforderung zugleich. Für mich stehen mit den personellen Veränderungen wichtige Weiterentwicklungen an. Die Umsetzung der neuen Vereinsstrategie geniesst besondere Priorität.


Herr Rieder, Sie haben mit dem Präsidium des Fachrats Energie eine weitere anspruchsvolle Aufgabe übernommen.

Rieder: Aber eine hoch­interessante zugleich, die mich neben dem Vizepräsidium und dem Amt als Quästor erfüllt. Das Thema Energie steht ganz oben auf den Agenden der Politik und unserer Branche. Es gilt Energie­labels weiterzudenken. Ausserdem müssen wir die Kreislaufwirtschaft etablieren. In Bezug auf Betrieb und graue Energie sind wir auf einem guten Weg, im Bereich des Rezyklierens sind wir noch nicht so weit. Bei all diesen Fragen kann und muss sich der SIA mit seinem Expertenwissen einbringen – mit dem Ziel, die Themenführerschaft auszubauen und im Bereich des nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauens noch mehr zu bewegen.


Hierfür soll die Kreislaufwirtschaft nun vermehrt Eingang ins Normenwerk finden. Eine Aufgabe für die Zentralkommission für Normen (ZN), in der Sie mitarbeiten, Herr Oulevey.

Oulevey: Genau, ich engagiere mich in unserer ZN und vertrete den SIA in der Schweizerischen Normen-Vereinigung (SNV). Wir wollen das Konzept der Kreislaufwirtschaft bei Normenrevisionen aufnehmen, damit es in der Praxis auch umgesetzt wird. Dass das Thema zurzeit auch auf der politischen Ebene – beispielsweise im Kanton Zürich aufgrund der Abstimmungsvorlage vom 25. September oder in der Waadt im Rahmen von parlamentarischen Vorstössen – stattfindet, befruchtet unsere internen Diskussionen. Denn die Fachexpertise des SIA ist gefragt.


Die Delegiertenversammlung hat im April die Schaffung eines neuen Fachrats für Raumplanung gefordert. Ein weiteres hoch­aktuelles Thema angesichts der parlamentarischen Beratung zur zweiten Teilrevision des Raum­planungsgesetzes. Wo steht der Vorstand mit diesen Arbeiten?

Rieder: Für unsere vier Berufsgruppen ist die Raumplanung eines der zentralen Themenfelder. Barbara Wittmer ist als Fachratspräsidentin vorgesehen. Sie wird das Gremium aufbauen und die Arbeiten stets mit den ­Kolleginnen und Kollegen des Vorstands spiegeln – wir sind alle in dieses wichtige Thema involviert.

Oulevey: Auch der Fachrat Vergabe, der neu von Federico Ferrario präsidiert wird, befasst sich mit einigen für die Branche aktuellen Fragen. Das Beschaffungswesen und die Revision der LHO sind grosse Projekte, die er zusammen mit unserem Vorstands­kollegen Marco Waldhauser vorantreiben wird.

Rieder: Der Fachrat Digitale Transformation widmet sich schliesslich dem vierten Schwerpunktthema unseres Vereins. Dessen Präsidium hat Birgitta Schock inne. Die Fachräte denken unsere strategischen Themen weiter und stehen dem Vorstand und der Geschäftsstelle, die uns übrigens grossartig unterstützt, mit beratender Stimme zur Seite.


Neu entsendet der Vorstand immer zwei Mitglieder in wichtige SIA-Gremien und Partnerorganisationen. Weshalb?

Rieder: Durch eine stärkere Vertretung können wir die Diskussionen und Entscheide der Gremien wirklich mitprägen.
Wir können Brücken bauen vom Vorstand aus und wieder zurück, und wir drücken zugleich unsere Wertschätzung für die geleistete Arbeit aus.

Oulevey: Neben den Zentralkommissionen, Fachräten und Partnerorganisationen kommt den Sektionen eine wichtige Rolle zu. Gemeinsam sind wir der SIA. Der Verein lebt von seinen gut 16 000 Mitgliedern, die allesamt in einer Sektion zu Hause sind, die dort ihre Wurzeln haben. Von dort aus engagieren sie sich auf nationaler Ebene. Diese vertikale Zusammenarbeit müssen wir pflegen, müssen gute Rahmen­bedingungen schaffen und einen direkten Draht zum Vorstand ermöglichen, zumal für gewisse Mitglieder der Weg in die Geschäftsstelle in Zürich sehr weit ist.


Zurück zu Ihnen: Was haben Sie beide sich als Vizepräsidenten fürs erste Amtsjahr vorgenommen?

Rieder: Nicht nur Sicht­bares, auch die Arbeit hinter den Kulissen ist wichtig und spannend. Wir Vizepräsidenten sind wichtige Sparringspartner für unseren Präsidenten, unterstützen ihn und bereiten mit ihm und der Geschäftsleitung die Vorstandssitzungen vor. Hierzu gehört die Themensetzung. Neben den ohnehin zentralen Themen überlegen wir uns, welche Fragen wir zur Diskussion stellen möchten – beispielsweise am anstehenden Forum mit den Delegierten.

Oulevey: Grundsätzlich schauen wir, dass der Vorstand jedes der sechs strategischen Themenfelder einmal im Jahr diskutiert. Wir sind intensiver involviert als bisher, das ist spannend. Das motiviert mich und treibt mich an. Hierfür organisiere ich mich gern, gemeinsam mit meinen Geschäftspartnern und meiner Familie, sodass ein Engagement wie dieses möglich wird. Offiziell macht das Vizepräsidium rund 20 % aus.


Ihre Vorgänger Adrian Altenburger und Daniel Meyer waren rund zehn Jahre im Amt. Wenn Sie auch so lang bleiben: Wie sieht der SIA bei Ihrem Rücktritt 2032 aus?

Rieder: Wegen der Amtszeitbeschränkung auf zwölf Jahre bleiben mir nur noch deren drei als Vorstandsmitglied. Ich
bin überzeugt, dass der SIA seine wichtige Position als Vertreter der Planungsbranche halten kann. Ausserdem hoffe ich, dass das Thema Nachhaltigkeit im Bauen einen grösseren Stellenwert erhält. Wir müssen uns fragen, was wir bauen, wie wir es bauen und wie unser Lebensraum nachhaltig gestaltet ist – sprich langfristig Bestand hat und Freude bereitet.

Oulevey: Ich kann zwar noch länger als Vizepräsident wirken, schliesse mich Urs Rieder inhaltlich aber vollkommen an. 2032 haben wir einen SIA, der als Netzwerk funktioniert und flexibel agieren kann. Einen Verein, der vorangeht für eine hohe und nachhaltige Baukultur in der Schweiz.

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