Seil­schaf­ten im Be­ruf­sall­tag

Mentoring-Programm

Mentoren geben ihren Erfahrungsschatz weiter, um die Mentees in ihrer beruflichen Entwicklung zu unterstützen. Der SIA hat ein solches Mentoring-Programm im Juni 2018 ins Leben gerufen. Zwei Teams, bestehend aus Mentor und Mentee, berichten von ihren Erfahrungen.

Data di pubblicazione
26-06-2019

Luca Fontanella, Architekt MSc ETH SIA, berichtet von seiner Erfahrung als Mentee, und die Arbeitsgemeinschaft Hugo Torre, Roger Küng, Christoph Abächerli (TKA Architekten) und deren Mentor Roland Walthert schildern ihre Sichtweisen auf das SIA-Mentoring-Programm. Dieses Programm hat der SIA Anfang 2018 ­initiiert, denn der Erfahrungsaustausch zwischen Mentor und Mentee und die persönliche Begleitung eines Mentors sind sichere Seilschaften im Berufsalltag.

Paradebeispiel für Wissens- und Erfahrungsaustausch

Der SIA hat ein Pilotprojekt lanciert, das ein wichtiges Vereinsziel auf ­vielfache Weise erreicht. Er beschreibt dieses Ziel in seinen Statuten folgendermassen: «Der SIA ­ver­einigt Berufsleute aus Ingenieurwesen, Architektur und Wissenschaften verwandter Ausrichtung […]». Der Berufsverband verfolgt dieses Bestreben mit viel Engagement auf diversen Ebenen. Eine neue Ebene ist durch das Mentoring-Programm dazugekommen. Mit minimalem organisatorischem und finanziellem Aufwand hat das Projekt eine grosse Wirkung für die Teilnehmenden.

Nach einer kurzen Kennenlernphase im Juni 2018 bildeten sich an der Startveranstaltung Tandems, bestehend aus Mentor und Mentee. Danach organisierten sie sich selbstständig und legten ihren eigenen Rhythmus und die Themenschwerpunkte fest. Die Bandbreite an Themen war beträchtlich: Die Tandems sprachen über die Hürden im ­Berufsalltag, setzten sich mit den Herausforderungen des Projektmanagements auseinander, erkundeten neue Wege der Zusammenarbeit, diskutierten Geschäftsmodelle und philosophierten über die Weiterentwicklung der Branche.

Aus der Perspektive des Mentees ist es ermutigend und hilfreich, einen erfahrenen Berufskollegen an seiner Seite zu wissen und eine unabhängige Zweitmeinung einholen zu können. Gleichermassen kann das Mentoring-Programm für einen Mentor etwas sehr Befriedigendes haben, zumal es ihm die Möglichkeit eröffnet, den Stafettenstab an eine neue Generation weiterzugeben.

Entscheidend für den Erfolg des Programms waren, neben zahlreichen Anmeldungen, die offen formulierten und gering strukturierten Rahmenbedingungen. Der SIA fungierte «nur» als Plattform und Vermittler zwischen den Tandems. Diese hatten so genügend Freiräume, um sich an die verschiedenen Themen heranzutasten.

Hervorzuheben ist, dass die intrinsische Motivation der Teilnehmenden unbedingt im Vordergrund stehen sollte. Die Freude an der Vernetzung, am gemeinsamen Erfahrungsaustausch und an der gegenseitigen Unterstützung darf nicht durch eine finanzielle Vergütung der Mentoren verfälscht werden. An der Schlussveranstaltung ist die Resonanz bei den Teilnehmenden überaus positiv gewesen: Das Programm kann als Paradebeispiel für den generationen- und fachübergreifenden Wissens- und Erfahrungsaustausch bezeichnet werden. Zusammengefasst heisst das, dass dieses Projekt aus Sicht sowohl des Mentors als auch des Mentees ein voller Erfolg ist und auf jeden Fall weitergeführt werden sollte. Es ist ein inspirierendes Vorhaben, da es die Werte des SIA klar und deutlich verkörpert.

Team Luca Fontanella und Steffen Lemmerzahl, Text: Luca Fontanella, Architekt MSc ETH SIA

Ein Angebot für die Jungen und ein Signal für eine innovative Vereinspolitik

Wir rechneten uns bei der Teil­nahme an einem offenen Projektwettbewerb im vergangenen Jahr gute Chancen aus, weil wir davor den fünften Platz belegten und deshalb mit gestärktem Selbstvertrauen ins Rennen stiegen. Als wir jedoch von unserem Ausscheiden in der zweiten Runden erfuhren, schauten wir uns ratlos an und fragten uns: Sind Teilnahmen an Projektwettbewerben wirklich die sinnvollste Art, wie wir unsere zehnjährige Berufserfahrung einbringen können?

Es ist rückblickend ein grosser Zufall, dass genau in dieser Zeit der SIA zum Mentoring-Programm aufgerufen hat. Ein noch grösserer Zufall ist es wohl gewesen, dass wir davon überhaupt Notiz genommen haben. Aber: In Krisen ist man für Hilfe von aussen möglicherweise empfänglicher.

Welche Gründe es auch immer gewesen sein mochten, die uns dazu bewogen, uns als Mentees zum Thema «Firmengründung» zu melden: Wir trafen an der Startveranstaltung auf Roland Walthert, unseren zugeteilten Mentor. Sein beruflicher Hintergrund löste bei uns grosse Skepsis aus: Wie um Himmels willen sollte uns ein Ingenieur beim Aufbau eines Architekturbüros helfen?

Es dauerte nicht lang, bis wir begriffen, dass uns Roland auf einen Weg mitnahm, der uns nicht nur unsere Skepsis nahm, sondern uns an viele Orte führte, die wir aus unserer Perspektive bisher nie zu sehen bekamen. Er durchbrach unsere sich im Kreis drehenden Diskussionen über Wettbewerbe, Arbeitgeber und Wunschprojekte und verstand es gleich, die Idee der Firmengründung spielerisch anzugehen: «Lasst uns die Hypothese aufstellen, dass ihr zu dritt eine Firma gründet, und dann spielen wir das durch, mit allem was dazugehört.» Zu diesem Spiel gehörte beispielsweise die Frage nach der Beschäftigung des Architekten in zehn Jahren und die Ausarbeitung einer Marktanalyse. Eine Aufgabe, bei der wir ihn erst stirnrunzelnd anschauten – was ihn herzlich amüsierte.

Wir haben nach Lücken und Nischen gesucht, vorhandene Kompetenzen analysiert und solche, die es noch aufzubauen gilt – stets mit zwei Zielen vor Augen: eine Leistung zu offerieren, die nicht von allen anderen Architekturbüros ebenso gut angeboten werden kann. Und zweitens, noch fast wichtiger: Es muss Spass machen. «Wenn man es genug stark will, kann man aus fast jeder Idee ein Unternehmen machen», so Roland.

Ein gutes halbes Jahr später stehen wir nun als Arbeitsgemeinschaft TKA mit der Idee «Stadt über dem Kopf» in den Startlöchern. Wir sehen grosses ­Potenzial darin, bauliche Verdichtung zusammen mit der bestehenden Substanz zu realisieren. Wir suchen Strategien, wie durch Aufstocken oder durch An- und Wei­terbauten bestehender Gebäude wirtschaftlich und städtebaulich gewinnbringende Lösungen gefunden werden können. Der dafür notwendige Aufbau von Kompetenzen liegt nicht mehr im Aufgabenbereich unseres Mentors. «Das muss ich euch jetzt selber machen lassen», meinte Roland schmunzelnd. «Aber wenn ihr etwas mit mir besprechen wollt, dann kommt jederzeit auf mich zu.»

Die Sicht des Mentors

Im Projekt TKA haben sich zwei Generationen gefunden und die gemeinsame Arbeit als grosse Bereicherung erlebt. Wir sahen den Aufbau eines Architekturbüros als Start-up und machten die entsprechenden Planungsinstrumente nutzbar; wir schöpften den Austausch von neuem Wissen und Erfahrung aus und versuchten, die Begeisterung in tragfähige Grundlagen zu lenken.

Das vom SIA angebotene Mentoring-Programm haben wir als eine Plattform erlebt, die den Generationenaustausch in vielfältigen, aber ganz konkreten Projekten ermöglicht hat. Die hohe Zufriedenheit der Mentees und der Mentoren lässt aufhorchen: Das Mentoring-Programm kann für den SIA von grossem Wert sein, nach innen als Angebot für die Jungen, und nach aussen als Signal für eine innovative Vereinspolitik.

Arbeitsgemeinschaft Hugo Torre, Roger Küng, Christoph Abächerli (TKA Architekten) und Roland Walthert, Dipl. El. Ing. ETH/SIA

Das Mentoring-Programm: Zahlen und Fakten

Juni 2018:
Start des ersten Mentoring-Programms


März 2019: Ende des ersten Mentoring-Programms


60 SIA-Mitglieder haben sich angemeldet, 20 mussten das Programm aus verschiedenen Gründen abbrechen, 40 haben das Programm bis zum Ende absolviert.


Schwerpunktthemen: Gründung eines Büros, Strategie und Neuausrichtung, Unterstützung von Start-ups, Büronachfolge, Kundenakquisition und Betreuung, Büroorganisation, ­Per­sonal­führung, Marketing, Konflikt­management, Mediation, Projekt­management, Kostenmanagement, Vertragswesen, Arbeiten in Planergemeinschaften, Umgang mit TU/GU, BIM-Einführung, Bauleitung, Bau­ausführung.


Fazit: Über 95% würden wieder am Mentoring-Programm teilnehmen und stufen das Programm als sehr wertvolles und wichtiges Angebot des SIA ein.


Ausblick: Eine weitere Durchführung ist im 2. Halbjahr 2019 geplant. Ein konkreter Termin ist noch offen.

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