Work­shop 2015 – die Re­geln des fai­ren Wett­bewerbs

Wettbewerbsverfahren in Diskussion

Anfang November nahmen rund 70 Architekten, Auftraggeber und Wettbewerbsorganisatoren am Workshop zur Wettbewerbspraxis teil.
Im Fokus stand dieses Mal die Frage: Woran macht sich die Fairness eines Verfahrens fest?

Data di pubblicazione
11-12-2015
Revision
11-12-2015

Seit nunmehr 15 Jahren führt die Kommission SIA 142/143 für Wettbewerbe und Studienaufträge regelmässig gemeinsam mit dem Amt für Hochbauten der Stadt Zürich und dem Hochbauamt des Kantons Zürich einen Work­shop zur Wettbewerbspraxis durch. Am 4. November 2015 trafen sich erneut 70 interessierte Architekten, Auftraggeber und Wettbewerbs­organisatoren zum Erfahrungsaustausch und zur Diskussion, diesmal zu den Regeln des fairen Wettbewerbs.

Wie «Fairness» definieren?

Befragt man die Protagonisten eines Architekturwettbewerbs, wie sie «Fairness» definieren, erhält man garantiert nie zweimal die gleiche Antwort. Selbst der SIA, der die Einhaltung der Regeln des fairen Wettbewerbs in seinen Statuten festhält, schweigt sich darüber aus, was er genau darunter versteht. In der Standesordnung des SIA, Ausgabe 2014, heisst es unter Artikel 6 le­diglich: «Die Mitglieder aller Kategorien verpflichten sich, den Beruf gewissenhaft und pflichtgetreu auszuüben und die Regeln des fairen Wettbewerbs einzuhalten.»

Gemäss Wikipedia ist «fair» im Deutschen gleichbedeutend mit «anständig» und «gerecht». Fairness drückt «eine nicht gesetzlich geregelte Vorstellung individueller Gerechtigkeit» aus, es handelt sich um eine Art von Common Sense, «sich an die Spielregeln zu halten und ein anständiges, gerechtes Spiel zu ­führen. Regeln der Fairness setzen auf einen Konsens unter gleichberechtigten Menschen».

Verfahrensfairness konkret 

Doch wie könnten die beteiligten Parteien eines Wettbewerbs dieses ehrgeizige Projekt konkret um­setzen? Wie können sie sich auf ­gemeinsame Fairnessregeln und Kriterien verständigen? Dies war eine der zentralen Fragen, denen während des Workshops nachgegangen wurde, wobei die Diskussion und der Austausch der unterschiedlichen Sichtweisen im Vordergrund standen.

Die Kommission SIA 142/143 für Wettbewerbe und Studienaufträge, mitverantwortlicher Veranstalter des Workshops, hat es sich zum Ziel gesetzt, die in den SIA-Statuten eher abstrakte Definition von «Fairness» mit Leben zu füllen. Sie tritt für einen Mindeststandard an fairen Regeln im Verlauf eines Wettbewerbs ein und will dadurch Fairness für alle Beteiligten garantieren.

Jean-Pierre Wymann, Architekt aus Basel und Mitglied der Kommission SIA 142/143 für Wettbewerbe und Studienaufträge, schlug deshalb die folgenden Spielregeln vor:

  1. Die Gleichbehandlung der Teilnehmer und die Transparenz des Verfahrens müssen gewähr­leistet sein. Das heisst, die Spiel­regeln sind allen Teilnehmern eines Wettbewerbs im Vorfeld bekannt und werden während der Ver­fahrensdurchführung nicht mehr verändert.
  2. Der Gewinner erhält einen Auftrag oder hat Anspruch auf eine Entschädigung, falls dieser Auftrag reduziert, an Dritte ver­geben oder weiterverwendet wird oder falls ganz auf die Realisierung verzichtet wird. Dieser Anspruch auf Entschädigung, darauf wies Jean-Pierre Wymann explizit hin, richtet sich in der Regel nach der Gesamt­preissumme des Wett­bewerbs.
  3. Fachkompetente und unabhängige Beurteilung. Darunter ist eine objektive Beurteilung zu verstehen, mit einer Jury, die zur Mehrheit aus Fachleuten besteht, von denen aber lediglich die Hälfte unabhängig vom Auftraggeber sein muss. Demnach besteht das kleinste und damit auch ökonomischste Preisgericht aus zwei Fachpreisrichtern, einem Sachpreisrichter und einem Ersatz. Befangenheits- und Ausstandsgründe werden in einer demokratisch geprägten Gesellschaft natürlich anerkannt.
  4. Preise und Ankäufe. Es sollte selbstverständlich sein, dass die rangierten Beiträge eines Wettbewerbs einen Preis oder einen Ankauf erhalten. Ebenso sollten alle Teilnehmer eines Studienauftrags eine Entschädigung erhalten.
  5. Urheberrechte. Diese verbleiben bei den Teilnehmern, wobei die Nutzungsrechte abgetreten werden können.

Diese Regeln wurden später unter anderem zum Ausgangspunkt der Gespräche in den vier Diskus­sionsgruppen. 

Jurys müssen kompetent sein 

Eines der ersten Statements kam vom Zürcher Architekt Adrian Streich. Er repräsentiert ein Büro, das den Grossteil seiner Aufträge aus Wettbewerbserfolgen generiert. Die genannten Spielregeln unterstützte er uneingeschränkt – und ergänzte sie: So schätzt er kompetente Jurys mit einer klaren Haltung, eine offene Aufgabenstellung und Leistungsanforderungen, die dem Architekten grösstmögliche Freiheiten zugestehen. 

Bauherren setzen naturgemäss andere Schwerpunkte. Sie legen mehr Gewicht auf die Wirtschaftlichkeit und Ausführbarkeit von Projekten, haben in erster Linie das Ergebnis im Blick und definieren ein faires Wettbewerbsverfahren entsprechend. Christoph Hänseler, Vertreter des Hochbauamts des Kantons Zürich, stellte sich in der Diskussion auf den Standpunkt, dass der Kanton Zürich als öffentlicher Bauherr ebenfalls faire Verfahren durchführt. Teilweise sind die Voraussetzungen aber andere, als sie die Kommission SIA 142/143 vorschlägt. 

Für ihn sind die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel und die Ermittlung des geeignetsten Bewerbers zentral. Für das letztgenannte Ziel sei es zuweilen nötig, die Anonymität der Verfahrensteilnehmer aufzuheben. Die Chance, mit hoher Sicherheit den geeignetsten Bewerber zu bestimmen, rechtfertigt in seinen Augen dieses Vorgehen, zumal dies im Interesse der Allgemeinheit liegt. 

Alexander Muhm von SBB Immobilien, der aus Sicht eines privaten Auftraggebers sprach, vertritt die Interessen seines Arbeitgebers; für ihn zählt neben dem Finden der besten Lösung natürlich eine hohe wirtschaftliche Rendite zu den wichtigsten Kriterien.

Offene Fragen

Lebhaft und interessant waren die Diskussionen während der anschliessenden Gruppenarbeit. Allen Beteiligten ist es ein Anliegen, die Verfahren schlank und effizient zu gestalten, sorgfältig vorzubereiten und die Bearbeitungszeiten in einem massvollen Rahmen zu halten. Niemand stellte das Urheberrecht infrage; es wurde lediglich darauf hingewiesen, dass dieses von den Nutzungs- und Änderungsrechten scharf abgegrenzt und präzise ausformuliert werden sollte.

Ein wichtiges Ergebnis dieser Diskussionen war sicher auch, dass alle Beteiligten eine fachkompetente und unabhängige Jury wollen und einige ihre Teilnahme an einem Verfahren tatsächlich auch von der Zusammensetzung der Jury abhängig machen. Ein Punkt, der in den Gruppen immer wieder diskutiert wurde und für viele zum fairen Wettbewerb dazugehört, ist die Festlegung der Honorarkonditionen bereits auf Ebene des Wettbewerbsprogramms.

Auch hier gingen die Meinungen auseinander. Einige fordern klare Spielregeln auch hinsichtlich der Honorarkonditionen, andere wollen diese selbst verhandeln, empfinden dieses Diktat als Übergriff vonseiten der Auftraggeber.

Den Schlusspunkt der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion mit Ursula Müller, Vizedirektorin des Amts für Hochbauten Zürich, Rudolf Vogt, Präsident der Kommission SIA 142/143, Stefan Dambacher von der Mobimo AG und Meinrad Morger, freier Architekt aus Basel. «Was ist ein fairer Wettbewerb?» lautete die Frage des von Ivo Bösch moderierten Gesprächs.

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