SIA: «Wir­kung­svolle, praxi­ser­probte Ins­tru­mente»

Interview mit dem SIA-Präsidenten

Stefan Cadosch wagt einen Blick in die Zukunft des Ordnungsbereichs und erläutert die Bedeutung der jüngst revidierten Ordnungen für Leistungen und Honorare (LHO).

Date de publication
05-09-2014
Revision
05-11-2015

Die Delegierten des SIA haben an ihrer Versammlung 1/2014 die Publikationsfreigabe der Ordnungen für Leistungen und Honorare SIA 102 der Architekten, 103 der Bauingenieure, 105 der Landschaftsarchitekten und 108 der Ingenieure für Gebäudetechnik, Maschinenbau und Elektrotechnik sowie die Verständigungsnormen SIA 111 Modell Planung und Beratung und SIA 112 Modell Bauplanung erteilt. Der SIA-Vorstand hat die Revision dieser zentralen Dokumente des SIA während der gesamten Erarbeitungsphase beaufsichtigt. 

SIA: Herr Cadosch, haben die SIA-Ordnungen in unserem liberalisierten Zeitalter überhaupt noch eine Daseinsberechtigung?
Stefan Cadosch
: Es stimmt schon, seitdem die erste Ordnung 1899 veröffentlicht wurde, hat sich die Welt sehr verändert. Aber auch unsere Berufsinstrumente wurden seither in regelmässigen Abständen weiterentwickelt. Die grössten Auswirkungen der letzten Jahre hatten mit Sicherheit die veränderten wettbewerbsrechtlichen Gesetzesvorgaben. Sie führten dazu, dass anlässlich der Revision 2003 das Modell zur Honorarberechnung nach Baukosten komplett umgestellt wurde. 
Heute herrscht der freie Markt bei der Festsetzung der Honorare. Mit der Hilfe zur Ermittlung des prognostizierten Zeitaufwands bieten wir eine Grundlage an, um ein Planerhonorar einvernehmlich festzulegen. Ein zweiter grosser Nutzen unserer Ordnungen liegt an anderer Stelle: Es sind die Leistungsbeschriebe, die den Planungsprozess strukturieren und bewährte Grundlage für die Kommunikation zwischen Bauherrschaft und Planer sind.

Der SIA nimmt eine Sonderstellung ein, indem er die Interessen sowohl der Ingenieure als auch der Architekten vertritt. Welche Bedeutung hat dies für die LHO?
S.C.
: In der Tat ist dieses Miteinander eine Besonderheit – auf die wir übrigens sehr stolz sind. Denn wir sind überzeugt, dass unser Modell, Ingenieure und Architekten unter einem Dach zu vereinen, Vorbildcharakter hat. Das Ziel unseres Vereins ist die Verständigung zwischen den unterschiedlichen Disziplinen des Bau- und Planungswesens, da sie in der Praxis eng miteinander zusammenarbeiten wollen und müssen. Der SIA entwickelt disziplinenübergreifende Lösungen! 
Die Revision der Ordnungen ist ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten: Die beteiligten Kommissionen, insgesamt über achtzig Personen, haben grossen Aufwand betrieben, damit die verschiedenen Dokumente, soweit möglich, aufeinander abgestimmt sind. Sie können sich vorstellen, dass es nicht einfach ist, die Anliegen der Architekten und der Ingenieure unter einen Hut zu bringen. Aber der Aufwand lohnt sich, wenn damit im Arbeitsalltag Streitfälle verhindert werden können. Denn die haben letztlich immer Kosten zur Folge.

Wie muss man sich die Erarbeitung dieser Berufsinstrumente vorstellen?
S.C.
: Alle unsere Normen und Ordnungen werden durch Kommissionen erarbeitet. Die Mitglieder sind alle im Volontariat tätig, das heisst, das Praxiswissen der Experten fliesst direkt in die Dokumente ein. Zudem darf ich darauf hinweisen, dass unsere Kommissionen paritätisch zusammengesetzt sind. Wir verfassen also keine Kampfschriften, sondern diskutieren jeden einzelnen Artikel gemeinsam mit unseren Partnern, den Bauherrschaften, aus. 

Gerade im Arbeitsalltag muss aber immer wieder festgestellt werden, dass Planungsleistungen zu tiefsten Preisen offeriert werden. Was bedeutet das für deren Qualität?
S.C.
: Es haben noch lang nicht alle gelernt, mit den im Zug der wettbewerbsrechtlichen Liberalisierung gewonnenen Freiheiten verantwortungsvoll umzugehen. Wir müssen leider feststellen, dass es heute tatsächlich zu Dumpingangeboten kommt, was unweigerlich zu einer Einbusse bei der Qualität führt. Dies haben unterdessen auch die Bauherren selber erkannt. Dem verantwortungsbewussten Bauherrn ist bekannt, dass es sich lohnt, in eine sorgfältige Planung zu investieren – vor allem, wenn man die Lebenszykluskosten in die Rechnung einbezieht. Und im Zeitalter der Nachhaltigkeit sollte das eigentlich selbstverständlich sein. Diesen Sachverhalt allen am Planungs- und Bauprozess Beteiligten zu erklären ist jedoch nicht ganz ohne. Wir sind deshalb umso erfreuter, hier in Bauherrenorganisationen und Partnerverbänden Verbündete gefunden zu haben. Schlussendlich muss man auch festhalten: Wir als SIA stellen wirkungsvolle, praxiserprobte Arbeitsinstrumente zur Verfügung – für deren sinnvolle Anwendung ist am Ende jeder selbst verantwortlich. Da ist Eigenverantwortung gefragt.

Vergisst der SIA bisweilen die Bauherren?
S.C.
: Im Gegenteil! Als Planer verstehen wir uns traditionell als Treuhänder des Bauherrn. Und wir sind uns im Klaren darüber, dass ein Projekt nur erfolgreich sein kann, wenn wir eng mit dem Bauherrn zusammenarbeiten. Erste Voraussetzung dafür ist eine gemeinsame Sprache. Mit den LHO bieten wir eine solche Verständigungsgrundlage an. Wie schon erwähnt, binden wir deshalb auch die Vertreter der Bauherrenseite in den Erarbeitungsprozess ein. Aber auch die Leistungsbeschriebe selbst weisen den Bauherren eine Rolle zu und halten deren Rechten und Pflichten fest. Es ist in allen Phasen unumgänglich, dass bauherrenseitig zum richtigen Zeitpunkt die jeweils notwendige Entscheidung getroffen wird.

Bekanntlich kann eine Revision nie alle Probleme lösen. Gibt es also weitere Arbeiten, die in diesem Bereich geplant sind?
S.C.
: Dazu vorab eine allgemeine Bemerkung: Die Ordnungen für Leistungen und Honorare bilden den Planungsprozess ab, wie er zum Zeitpunkt der Veröffentlichung etabliert ist. Leistungen oder Instrumente, die sich in der Praxis noch nicht durchsetzten, können in den LHO nicht berücksichtigt werden. Gleich verhält es sich bei der Regelung von Details. Die LHO können eine bestimmte Flughöhe nicht unterschreiten, wenn sie für eine breite Palette von Aufgaben Anwendung finden sollen.
Im Zug der Revision haben sich neue Projekte herauskristallisiert. So arbeiten unsere Kommissionen beispielsweise daran, die vertragliche Einbindung der Spezialisten wie Innenarchitekten oder Fassadenplaner zu beschreiben. Ein weiteres Thema ist der Bauherr und seine Vertretung. Die Arbeit geht uns also nicht aus, wenngleich zu betonen ist, dass wir unser Normenwerk weiterhin schlank halten möchten.

Wie geht es nach der Publikation der revidierten Ordnungen weiter?
S.C.
: Es ist mir wie auch dem gesamten Vorstand bewusst, dass wir in unseren Bemühungen, die korrekte Anwendung der Ordnungen zu fördern, nicht locker lassen dürfen. Gleiches gilt für unsere Werbung für faire Honorare. 
Die Publikation einer Ordnung ist ein erster Schritt – danach geht die Arbeit erst richtig los. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Instrumente weitherum bekannt sind. Und, noch wichtiger, diese müssen korrekt angewendet werden. Hier sehen wir Handlungsbedarf und planen entsprechende Massnahmen (siehe Kaste).

Was ist mit Blick auf die Ordnungen die Botschaft des Präsidenten an die Mitglieder?
S.C.
: Erfolgreiche Architekten und Ingenieurinnen müssen heute nicht nur fachlich auf der Höhe sein, sondern auch die Organisation ihrer Büros und vor allem die Steuerung der Prozesse beherrschen. Die LHO bieten dafür eine bewährte Grundlage, die es korrekt anzuwenden gilt! 

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