Welt­weite Suche

Geologische Tiefenlager

Ein Endlager für hochradioaktive Abfälle existiert bisher noch nirgends, die Suche danach läuft aber weltweit. Dabei unterscheiden sich die Konzepte der einzelnen Länder für ein solches Lager in einigen Aspekten, beispielsweise hinsichtlich des Wirtgesteins und des sicherheitstechnischen Konzepts. Auch die Verfahren zur Standortsuche und zur Öffentlichkeitsbeteiligung sind verschieden.

Date de publication
15-12-2014
Revision
01-09-2015

Weltweit gibt es trotz jahrzehntelangen Forschungen und vielen Endlagerprojekten derzeit noch kein betriebsbereites Endlager für hochradioaktive Abfälle. In vielen Ländern besteht mittlerweile aber in der Wissenschaft und in breiten Teilen der Gesellschaft ein Konsens, dass nur die Endlagerung in tiefen geologischen Formationen einen langzeitsicheren und ethisch vertretbaren Entsorgungsweg für diese Abfälle darstellt, und es werden dafür geeignete Standorte gesucht. Die gewählten Ansätze unterscheiden sich jedoch je nach Land in vielen Aspekten, unter anderem hinsichtlich des Entsorgungskonzepts, der Wirtgesteine, des technischen Konzepts und der Sicherheitsanforderungen sowie des Verfahrens zur Standortsuche und der Einbeziehung der Öffentlichkeit. 

Entsorgungskonzept

Mit dem Schweizer Sachplan geologische Tiefenlager werden zurzeit Endlagerstandorte für alle Arten von radioaktiven Abfällen, also schwach-, mittel- und hochradioaktive Abfälle, gesucht. Die hohen Sicherheitsstandards der geologischen Tiefenlagerung sollen damit auch für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle zur Anwendung kommen. Dieses Konzept wird auch in Deutschland verfolgt, wo derzeit in Niedersachsen das Tiefenlager Konrad für Abfälle mit geringerer Radioaktivität gebaut wird.


Einige andere Länder sehen für diese Abfälle jedoch oberflächennahe Entsorgungsoptionen vor oder haben diese schon realisiert. So setzen zum Beispiel Frankreich, England, Finnland, Schweden, die USA und Kanada für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle auf oberflächennahe Endlager oder Kavernen, während die tiefe geologische Endlagerung nur für die hochradioaktiven Abfälle vorgesehen ist. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle, an die die höchsten sicherheits- und verfahrenstechnischen Anforderungen zu stellen sind. 

Salz, Tonstein oder Granit 

Die Auswahl der Wirtgesteine für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle hängt von der Geologie des jeweiligen Landes ab. Weltweit werden Salz, Tongesteine und kristalline Gesteine wie zum Beispiel Granit untersucht. In der Schweiz wird der Opalinuston, ein Tonstein, favorisiert. Auch in Belgien und Frankreich sind Tongesteine in Diskussion, während in Finnland und Schweden eine Endlagerung in Granit vorgesehen ist. In Deutschland stehen Salzstöcke im Fokus. Tongesteine werden als Reserveoption ebenfalls, aber mit geringer Intensität, diskutiert. In England1, Kanada2 und den USA ist derzeit offen, in welchen Wirtgesteinen die Endlagerung stattfinden soll, da die Standortauswahl dort vor kurzem neu ausgerichtet wurde. Aufgrund der jeweiligen Geologie des Landes können aber gewisse Optionen ausgeschlossen werden.

In den USA war eine Endlagerung in Tuffgesteinen, einem vulkanischen Gestein, geplant. Allerdings konnten Zweifel an der Eignung des Standortes in Yucca Mountain in der Mojave-Wüste im Bundesstaat Nevada, der 2001 vom Kongress festgelegt worden war, auch mit fortschreitendem Erkenntnisstand nicht ausgeräumt werden. Der Antrag auf die Errichtung eines Endlagers am Standort Yucca Mountain wurde schliesslich im Frühjahr 2010 zurückgezogen.3 

Unterschiedliche Gewichtung der Barrieren

Da bisher in keinem Land der Bau eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle genehmigt wurde, gibt es noch keine endgültig festgelegten technischen Konzepte, nach denen die Endlagerung realisiert werden soll. Erste vorläufige Konzepte bzw. grundlegende Überlegungen zum Einlagerungskonzept liegen allerdings in vielen Ländern vor. Durch das Konzept müssen die jeweiligen nationalen Sicherheitsanforderungen gewährleistet werden. Diese orientieren sich alle an den Empfehlungen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), unterscheiden sich aber in den konkreten Ausführungen.

In Finnland4 und Schweden5 sollen die radioaktiven Abfälle nach der sogenannten KBS-3-Methode für mindestens 100.000 Jahre6 endgelagert werden: Die Abfälle werden in Kupfer-Containern verpackt in vertikale oder horizontale7 Bohrlöcher verbracht, die anschliessend verfüllt werden. Da das Wirtgestein Granit klüftig und somit wasserführend ist, kommt bei diesem Konzept dem Behälter eine grosse sicherheitstechnische Bedeutung zu. Er trägt wesentlich zur Rückhaltung der Radionuklide bei.

In anderen Ländern wie zum Beispiel der Schweiz oder Deutschland soll im Wesentlichen die geologische Barriere, also das das Endlager umgebende Gestein, die Langzeitsicherheit über eine Million Jahre gewährleisten. Der Behälter und die Verschlüsse der Einlagerungsbereiche sind als technische und geotechnische Barrieren mindestens so lange wichtig, bis die durch die Einlagerung gestörte geologische Barriere wieder funktionsfähig ist. Weitere Unterschiede in den Konzepten der verschiedenen Länder betreffen u.a. Aspekte der Rückholbarkeit und des Monitorings. Das Einlagerungskonzept in Frankreich8 und der Schweiz muss beispielsweise die relativ einfache Rückholbarkeit für einen begrenzten Zeitraum gewährleisten. 

Schwierige Standortsuche

Bei der Realisierung eines Endlagers ist die Suche und Festlegung des Standorts ein kritischer Punkt9. Erste Anläufe, einen Endlagerstandort festzulegen, gab es in vielen Ländern schon in den 1970er- und 1980er-Jahren. In Deutschland wurde der Salzstock Gorleben 1979 als potenzieller Endlagerstandort, der weiter zu erkunden sei, festgelegt. Vorangegangen waren geologische Untersuchungen zahlreicher Salzstöcke in Norddeutschland. Allerdings werden dieses Verfahren und die angewendeten Kriterien von Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Bevölkerung als intransparent kritisiert. In einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss soll derzeit geklärt werden, wie es zur Standortentscheidung gekommen ist. Das im Jahr 2000 verhängte Gorleben-Moratorium, ein Erkundungsstopp zur Klärung von Fragen bezüglich der Eignung des Standorts, wurde dieses Jahr beendet. Die Erkundungsuntersuchungen sollen in diesen Wochen wieder beginnen. Mithilfe einer vorläufigen Sicher-heitsanalyse, die bis Ende 2012 fertiggestellt werden soll, soll prognostiziert werden, ob Gorleben die aktualisierten deutschen Sicherheitsanforderungen für Endlager einhalten kann.

Viele der Verfahren, in denen frühzeitig ein Standort festgelegt wurde, scheiterten am Widerstand der Bevölkerung, wie zum Beispiel Sellafield in England und Wellenberg in der Schweiz. In England und Kananda wurde wie auch in der Schweiz aus dem Scheitern dieser früheren Ansätze die Konsequenz gezogen, die Suche nach einem geeigneten Endlagerstandort grunsätzlich neu zu beginnen.1, 2 Basierend auf einer breit angelegten, öffentlichen Diskussion wurde dazu ein schrittweises Verfahren zur Standortfestlegung entwickelt. 

Neubeginn mit Einbeziehung der Öffentlichkeit

England1 und Kanada2 räumen bei der Standortauswahl dem Prinzip der Freiwilligkeit die höchste Priorität ein: In beiden Ländern werden nur Gemeinden in die Suche einbezogen, die ihr Interesse an einem Endlagerstandort bekunden. Daraus eventuell resultierende Einschränkungen bei der Eignung der Geologie am Standort müssen durch technische Massnahmen ausgeglichen werden. Sowohl in Kanada als auch in England wird derzeit nach interessierten Gemeinden gesucht, wobei eine intensive Öffentlichkeitsarbeit die Suche begleitet. 

Auch in Finnland und Schweden mussten die Untersuchungen an den Standorten, die aufgrund geologischer Studien ausgewählt worden waren, in den 1980er-Jahren wegen mangelnder Akzeptanz in der Bevölkerung abgebrochen werden. Es folgte jeweils ein Neustart, bei dem die Gemeinden stärker einbezogen werden sollten. Im Gegensatz zu England und Kanada wurde das Verfahren zur Standortsuche allerdings nicht im Vorfeld detailliert festgelegt und mit der Öffentlichkeit diskutiert. In die Suche wurden solche Gemeinden einbezogen, die aufgrund der vorangegangen geologischen Untersuchungen als potenziell geeignet identifiziert wurden. In beiden Ländern hat die Standortgemeinde eine Art Vetorecht.9 

Die Gemeinde Eurajoki in Finnland hat bereits Ende 1998 ihre Bereitschaft erklärt, ein Endlager zu akzeptieren. Ende 2000 stimmte das Parlament der Rahmenbewilligung für die Endlagerung am Standort Olkiluoto in dieser Gemeinde zu. Diese ist verbunden mit dem Nachweis der Standorteignung durch die Errichtung eines Untertagelabors. Im Jahr 2004 begann der Ausbau des Untertagelabors Onkalo, das im Juni 2010 die gewünschte End-lagertiefe erreicht hat und bis 2011 fertig gestellt sein soll. Der Antrag auf die Baugenehmigung des Endlagers wird für 2012 erwartet4, die Inbetriebnahme für 2020.

In Schweden wurden zwischen 1992 und 2001 vorläufige Eignungsuntersuchungen für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle in acht Gemeinden durchgeführt, die ihre Zustimmung dafür signalisiert hatten. Seit 2002 konzentrierten sich die Standortuntersuchungen auf die zwei Gemeinden Östhammar und Oskarshamn, beide bereits Standorte von Kernkraftwerken. Im Juni 2009 wurde der Standort Forsmark in der Gemeinde Östhammar ausgewählt10, an dem bereits seit 1988 ein Endlager für kurzlebige schwach- und mittelradioaktive Abfälle betrieben wird. Die schwedische Regierung muss die Entscheidung noch bestätigen. Dieses Jahr soll ein entsprechender Antrag für den Bau des Endlagers für hochradioaktive Abfälle gestellt werden. Dessen Inbetriebnahme ist für 2023 vorgesehen.

In Frankreich wurde die Errichtung eines geologischen Endlagers ähnlich wie in Finnland an die vorherige Erkundung des Standorts durch ein Untertagelabor gekoppelt. Zwei Untertage-labore sind gesetzlich vorgeschrieben. Es konnte jedoch nur an einem Standort die erforderliche Zustimmung der Gemeinde erzielt werden. Der Standort Bure, an dem seit zehn Jahren ein Untertagelabor in jurassischen Tongesteinen betrieben wird, wird daher voraussichtlich auch Standort des Endlagers werden. Vorgesehen ist dessen Inbetriebnahme für 2025. Begleitet wird dies von einer sogenannten Öffentlichen Interessengruppe (CLIS), in der lokale Stakeholder vertreten sind.

Zurzeit sind also in mehreren Ländern erfolgversprechende Aktivitäten bei der Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle sichtbar. Allerdings ist bisher nur in Finnland und Schweden der kritische Punkt der Standortfestlegung erfolgt. Aber auch dort sind noch einige sicherheitstechnische Fragen offen, die weiter untersucht werden müssen. Das in der Schweiz verfolgte Sachplanverfahren stellt im internationalen Vergleich einen hohen Standard hinsichtlich der Transparenz und der Möglichkeiten zur Öffentlichkeitsbeteiligung dar.

Anmerkungen

  1. Defra, BERR and devolved administrations for Wales and Northern Ireland: Managing Radioactive Waste Safely: A Framework for Implementing Geological Disposal; White Paper, June 2008
  2. Nuclear Waste Management Organization (NMWO): Moving Forward Together: Process for Selecting a Site for Canada’s Deep Geological Repository for Used Nuclear Fuel; May 2010, Download unter www.nwmo.ca/uploads_managed/Me diaFiles/1545_processforselectingasiteforcan.pdf
  3. U.S. Department of Energy: U.S. Department of Energy’s Motion to Withdraw; Docket No. 63-001, 3 March 2010
  4. Posiva Oy: Interim Summary Report on Safety Case 2009; Eurajoki, March 2010, Download unter www.posiva.fi/files/1226/POSIVA_2010-02web.pdf 
  5. Svensk Kärnbränslehantering AB (STUK): Long-term safety for KBS-3 repositories at Forsmark and Laxemar – a first evaluation Summary of the SR-Can project; Stockholm, November 2006
  6. Die internationalen Empfehlungen zum Endlagerzeitraum, beispielsweise von der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), sind relativ vage, so dass die verschiedenen Länder dies unterschiedlich handhaben. Finnland und Schweden setzen z.B. 100 000 Jahre an, die Schweiz und Deutschland hingegen 1 Mio. Jahre
  7. ww.euronuclear.org/events/topseal/transactions/Paper-Session-II-Thurner.pdf
  8. Agence nationale pour la gestion des déchets radioactifs (Andra): Dossier 2005, Brochure Argile and Granite, Andra research on the geological disposal of high-level radioactive waste, results and perspectives, Report Series, June 2005.
  9. Öko-Institut e.V.: SR 2522 – Analyse und Auswertung des Ablaufes und der Planung von Endlagerprojekten in verschiedenen Ländern und das Zusammenspiel beteiligter Institutionen – Abschlussbericht des Öko-Instituts mit Ableitung von Schlussfolgerungen; Darmstadt, 16. Dezember 2008
  10. Svensk Kärnbränslehantering AB (STUK): Final repository for spent fuel in Forsmark – basis for decision and reasons for site selection, Stockholm, June 2009
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