Rots­tift statt Rebs­tock

Neubau Primarschulhaus Lalden VS; offener einstufiger ­Wettbewerb

Lalden, an der Lötschberg-Südrampe gelegen, hat nur etwa 700 Einwohner. Die Lage zwischen Visp und Brig macht das Dorf jedoch für Eingesessene und Neuzuzüger attraktiv. Davon profitiert auch die Primarschule im Ort: Sie bekommt einen Neubau.

Date de publication
11-05-2023

Mit Bergtälern und -orten verbindet man oft Enge und zu wenig Raum. Nun ist das Platzangebot im Rhonetal tatsächlich nicht gerade üppig. Das hier bereits südlichere Flair wirkt zwar einem Gefühl der Beengtheit entgegen, die dichte Besiedlung, Industrie, Fluss und Verkehrswege liegen trotzdem nah beieinander. Umso erstaunlicher und erfreulicher ist, wie gross der Projektperimeter zum Neubau der Primarschule im Dorf Lalden ausfällt: 8980 m² stehen zur Verfügung, um eine Kindertagesstätte und ein Schulhaus mit fünf Klassenzimmern und einigen anderen Räumen unterzubringen.

Natürlich ist dies nur ein Teil der Wahrheit. Eine Mehrzweckhalle – in ihrer Aufstockung sind die Schul­zimmer bisher untergebracht –, aussenliegende Sportplätze, die Feu­erwehr und das alte, baufällige Schulhaus sind bereits vorhanden. Den Planungsbüros wurden allerdings kaum Vorgaben gemacht, wie sie das künftige Raumangebot unterzubringen haben. Einzig die Mehrzweckhalle und die Feuerwehr galt es beizubehalten und letztlich sollten auch die Dorfvereine auf dem Areal wieder ihren Platz finden. Von dieser schönen Aufgabe – wo andere Urlaub machen, dürfen sie kreativ werden – liessen sich 37 Planungsbüros zwischen Brig und Barcelona anziehen. Keiner der letztlich fünf rangierten Vorschläge stammt aus dem Wallis.

Der Reihe nach

Aber nun erst mal «der Reihe nach»: Das mit ebendiesem Namen versehene Siegerprojekt von Nau2 aus Zürich platziert zwei Neubauten auf dem Gelände und baut das bisher von den Vereinen genutzte alte Schulhaus zurück. Die Kita entsteht einstöckig – ist aber um zwei Stockwerke erweiterbar, das Schulhaus bekommt drei Etagen. Die Jury bescheinigt dem Entwurf eine «präzise Setzung» der beiden Gebäude und eine natürliche Einbettung in seinen örtlichen Kontext sowie die Generierung dreier gelungener Aussenräume – ein Grünplatz anstelle des alten Schulhauses, ein Garten westlich der Kita und ein grosser, bereits vorhandener Pausenhof, der auch als Sportplatz dient.

Dies liesse sich allerdings hinterfragen. Der Garten der Kita entsteht durch Abrücken des Gebäudes von der westlichen Perimetergrenze und ist nur durch eine Zufahrt von der benachbarten Wohnbebauung getrennt. Man wünscht sich, dass sich die Angrenzenden nicht über Kinderstimmen echauffieren werden. Durch die Lage der Kita verkleinert sich die zusammenhängende Fläche des Sportplatzes. Wäre es für eine zukünftige Entwicklung nicht wertvoller, weiterhin möglichst grosse Flächen zur Ver­fügung zu haben? Würde der Garten zum Sportplatz / Pausenhof anschliessen, behielte man sich diese Option vor. Oder gibt es einen Grund, weshalb der Garten vom Pausenplatz getrennt ist? Dürfen sich Dorfkinder aus Kita und Schule in ihren Pausen nicht treffen?

Spinnt man den Gedanken an möglichst grosse zusammenhängende Flächen weiter, steht auch der neue Grünplatz nördlich der Kita im Fokus. Er liegt in einer zukünftigen Baulücke. Wäre er neben den anderen Sportplätzen nicht besser aufgehoben? Als Affront könnte man es fast ansehen, dass das Gebäude der Schule in den Hang hineingeschoben und der dortige Weinberg zerstört wird. Zukünftig also Rotstift statt Rebstock – wie erklärt man das den Schulkindern, wenn sie einmal erwachsen sind?

Und noch etwas sticht beim Siegerprojekt ins Auge, was teilweise auch mit der Gebäudeausrichtung zusammenhängt: Die Klassenzimmer liegen teilweise nach Süden ausgerichtet, was einen ausgeprägten sommerlichen Wärmeschutz unabdingbar macht. Hierfür sind ausstellbare Stoffstoren vorgesehen. Ob dies eine gute Wahl ist, lässt sich bezweifeln – handelt es sich hier doch um eine der windigsten Gegenden der Schweiz. Der Föhn, vom Simplon kommend, ist das eine – im Sommer weht ausserdem ein nicht zu unterschätzender Talwind vom warmen Rhonetal hinauf ins Goms. Vielleicht bärge eine Westausrichtung der Klassenräume hier einiges an Einsparpotenzial oder wäre der verstellbare Sonnenschutz an sich infrage zu stellen? Inwiefern es sinnvoll ist, den Sportplatz direkt vor den Klassenzimmern zu haben, sei ebenfalls in den Raum gestellt.

Nun seien dem Siegerprojekt seine Qualitäten überhaupt nicht abzusprechen – es entsteht ja durchaus ein ansprechendes Objekt. Man wünschte sich allerdings ausführlichere Begründungen, weshalb manches so ist, wie es ist. Dafür könnte man gut auf architektonische Floskeln wie eine «präzise Setzung» verzichten. Und dies nicht nur im Jurybericht, denn schon im Projektbeschrieb heisst es, die Bauten «fügen sich gezielt in die markante Landschaft ein». Kann sich etwas auch ungezielt einfügen?

Kite

Das zweitrangierte Projekt «Kite» von Cédric Schärer Architecte stellt einen Neubau zwar ebenfalls teilweise in den Hang hinein, lässt jedoch vom bestehenden Weinberg noch Teile übrig. Das alte Schulhaus bleibt saniert erhalten und nimmt die Kita auf. Eine grosse Freitreppe füllt den Platz zwischen Alt- und Neubau und verbindet den zum Hang hin höher gelegenen, nördlichen Pausenhof mit den grossen Flächen im Süden. Der Neubau spielt die heutigen Schulräume oberhalb der Mehrzweckhalle frei, die zukünftig für die Vereine zur Verfügung stehen. Im Gegensatz zum erstrangierten Projekt bleibt die sehr grosse bestehende Freifläche für Pausenraum respektive Sportplätze oder Veranstaltungen erhalten.

Wundern kann man sich allerdings über die Visualisierung des Projekts. Da entsteht am dahinterliegenden Berghang ein üppig bewachsener Mischwald, der eher an eine Aue erinnert als an einen steinigen Sonnenhang mit Bebauung. Das Schulensemble wächst aus einem perfekten, riesigen Golfrasen hervor, dazu passend umspannt eine absolut korrekt getrimmte ­Hecke – vielleicht sogar trendige, nicht heimische Thuja – das alte Schulhaus. Der Hausmeister dürfte recht damit beschäftigt sein, das üppige Grün zu erhalten. Schliesslich herrscht eher selten die Wetterlage mit Nebelschwaden wie auf dem Bild – in Lalden beträgt der durchschnittliche Niederschlag etwa 600 mm im Jahr.

Druberi

Bedeutend eingängiger zeigt sich die Visualisierung des drittrangierten Projekts «Druberi» von Stefan Hausherr, Adrian Kiesel, Iso Tambomino, und Roman Scheuber. Die grossen Aussenflächen bleiben wenig angetastet, was zukünftig Spielraum offenlässt. Dies gelingt den Planenden, indem sie die jetzige Aufstockung der Mehrzweckhalle mit den Schulräumen ersetzen. Ein auskragender Holzbau, der die Klassenzimmer aufnimmt, schliesst zukünftig die Halle nach oben ab und auch auf dem Feuerwehrgebäude kommen neue Räume hinzu. Ein Mehrzwecksaal wird zusätzlich an das Gebäude angebaut und das alte Schulhaus bleibt erhalten. Letzteres steht der Kita, der Tagesschule und den Vereinen zur Vefügung.

Die Jury lobt ausdrücklich die Idee des erhaltenden und ersetzenden Konzepts, sieht aber unter anderem im zu geringen Bodenbezug der Lernenden ein Problem. Auch seien die Bestandsbauten in einem recht desolaten Zustand, was Risiken bezüglich der Umsetzung generiert. Was schlüssig erscheint, müsste dann allerdings auch für andere Projektvorschläge gelten – inwieweit hier die heutigen Schulräume in der Aufstockung mit anderer Nutzung weiterverwendet werden können, wird leider wenig ausgeführt.

Katz und Maus und Lafnetscha 01

Wie der erstplatzierte Beitrag nehmen auch die viert- und fünftrangierten Vorschläge die Freiflächen für sich ein. «Katz und Maus» von laboqueria taller d’arquitectura schlägt dabei eine ähnliche Positionierung vor wie der Sieger: Zwei neue Gebäude entstehen, wobei hier das grössere im Westen des Bearbeitungsperimeters zu liegen kommt, während das kleinere den Platz am Berghang einnimmt. Dem Weinberg nützt dies nichts – er fällt auch hier der Bildung zum Opfer. «Lafnetscha 01» – nach der hier angebauten Rebsorte benannt – erhält die Rebstöcke am Hang. Das einzelne Gebäude platziert sich selbstbewusst in der Mitte des Sportplatzes und teilt die grosse Fläche in zwei auf – definitiv.

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 15/2023 «Wegbereiter im Ingenieurholzbau».

-> Jurybericht auf competitions.espazium.ch.

Auszeichnungen

1. Rang, 1. Preis: «Der Reihe nach»
Nau2, Zürich
2. Rang, 2. Preis: «Kite»
Cédric Schärer Architecte, Lausanne
3. Rang, 3. Preis: «Druberi»
Stefan Hausherr, Baden; Adrian Kiesel,  Winterthur; Iso Tambomino, Disentis; Roman Scheuber, Zürich
4. Rang, 4. Preis: «Katz und Maus»
laboqueria taller d’arquitectura, Barcelona
5. Rang, 5. Preis: «Lafnetscha 01»
matti ragaz hitz architekten, Liebefeld

FachJury

Rita Wagner (Vorsitz), stv. Kantons­architektin, Sion; Stephanie Bender, Architektin, Lausanne; Toufiq Ismail-Meyer, Architekt, Delémont; Cornelius Morscher, Architekt, Bern

SachJury

Mike Hutter, Gemeindepräsident, Lalden; Jonas Ritz, Gemeindeschreiber, Lalden; Ines Tolic-Wyer, Gemeinderätin, Schulpräsidentin, Lalden

Sur ce sujet