Ver­dich­tung auf den Punkt ge­bracht

Im Basler Gellertquartier haben Miller & Maranta ein Areal mit drei Punktbauten nachverdichtet. Geschichte und Struktur des Grundstücks bleiben trotz maximaler Ausnützung nachvollziehbar. Architektur, Materialisierung und Aussenraum schaffen städtebauliche Qualitäten und Wohnlichkeit für die neue Nachbarschaft.

Date de publication
03-11-2022

Wie schafft Innenverdichtung neue Bezüge zu Ort und Umgebung? Welche Qualitäten braucht dichtes Wohnen in der Stadt? Eine mögliche Antwort geben Miller & Maranta mit dem Projekt LivingFrames an der Hardstrasse in Basel, in dem vom Erdgeschoss bis unters Dach kompakt gewohnt wird. In dem engen Raster, der zwischen Ansprüchen an die Nachverdichtung und dem örtlichen Zonenplan bleibt, nutzen sie mit drei neuen Punktbauten die Fläche nach Zonenplan maximal aus, ohne dass die Wohn- oder die Raumqualität hinten ansteht.

Die Überbauung Hardstrasse befindet sich an der Tramlinie und gleichnamigen Hauptverkehrsachse im Osten der Stadt, am Übergang vom Verkehrsknotenpunkt Aeschenplatz zum grünen Wohnquartier Gellert, einer idealen Lage für eine Nachverdichtung. Im Gellert überlagern sich geschlossene Blockrandbebauungen mit Zeilen­bauten und offenen Arealzugängen, die in die Gärten der Gellertvillen und auf Gewerbeareale führen. Auch das Areal an der Hardstrasse war einst der Garten einer Villa aus dem 19. Jahrhundert, die noch heute nördlich des Areals steht; es wurde aber in den 1930er-Jahren für Gewerbe umgenutzt.

Zonenplan setzt die Rahmenbedingungen

Grundstücke mit einer derart zentralen Lage und Entwicklungspotenzial sind selten, die Nachfrage ist entsprechend gross. Wenn sie auf den Markt kommen, werden sie hoch gehandelt und an den Meistbietenden verkauft. So musste das Bebauungskonzept auch aus ökonomischem Druck eine hohe Ausnützung vorsehen, damit die Investition in das Grundstück für die Bauherrschaft wieder rentabel wurde. Eine gute Dichte hat aber nicht nur ökonomischen Mehrwert, sondern kann eine Nachbarschaft beleben, Nähe schaffen und Bewohnenden und Umgebung vielseitige Qualitäten bieten.

Die Überbauung Hardstrasse wurde entlang der Rahmenbedingungen des Zonenplans entwickelt: Zone 4 erlaubt vier Vollgeschosse plus zwei Dachgeschosse und eine Ausnützungsziffer von 1.5. Ein Bebauungsplan hätte zwar eine dichtere und höhere Bebauung ermöglicht, wurde aber aufgrund des Risikos von Verzögerungen schon früh als Option ausgeschlossen, auch wenn damit mehr Wohnraum hätte geschaffen werden können. Wichtiger war der Grundeigentümerin, ein qualitativ hochwertiges Projekt zeitnah zu realisieren.

An Garten, Gewerbe und Wohnen weiterbauen

Für die Erarbeitung eines geeigneten architektonischen Entwurfs und einer städtebaulichen Positionierung setzte die Grundeigentümerin auf einen Studienauftrag im selektiven Verfahren, bei dem sich Miller & Maranta durchsetzten. Ausgehend von den vorhandenen Gegebenheiten entwickelten sie das Ensemble weiter und schufen einen Stadtbaustein mit eigenständigem Auftritt.

Das alte Kutscherhaus markiert den Eingang am Ost­ende der Parzelle. Gegenüber an der westlichen Grenze befindet sich ein kleines Wäldchen mit einem Sitzplatz um eine denkmalgeschützte Grabplatte an der Grundstücksmauer. Mitten im Areal steht die Shedhalle für den Wandel vom Villengarten zum Gewerbeareal – all diese Elemente bildeten den Ausgangspunkt des architektonischen Entwurfs: Die Ambiguität von Villagarten, Wohnen und Gewerbe sollte im Projekt erkennbar bleiben. Für den Erhalt dieser für das heutige Gellert typischen Qualitäten haben die Architekten – im Gegensatz zu den anderen Studienbeiträgen – bewusst auf einen geschlossenen Blockrand verzichtet und die neuen Volumen ins Areal hineingesetzt. «Die verschiedenen Gebäude und die vielseitigen Räume, die sich dazwischen immer wieder auftun, spiegeln die Geschichte des Orts wider», erläutert Paola Maranta.

Durch die Einbettung in einen örtlichen und kulturellen Kontext kann die Geschichte eines Stadtbausteins weitererzählt werden. «Wir mussten für diesen Ort die richtige Nähe finden», beschreibt Quintus Miller diese Herausforderung der Kontextualisierung, die sie nicht nur mit der Setzung der Bauten, sondern auch durch die Materialisierung schufen.

Ansichten, Ausblicke und Aussenräume

Die geforderte Verdichtung erreichen Miller & Maranta mit drei Punkthäusern, die den Bestand ergänzen. Die Shedhallen bleiben zu zwei Dritteln erhalten und wurden mit einer neuen Fassade zu Wohnateliers umgenutzt. Die drei neuen Häuser stehen so zueinander versetzt, dass Verschattung und Erschliessung optimiert sind und vielseitige Ansichten, Ausblicke und Aussenräume entstehen.

Die Gebäude mit vier Voll- und zwei Dachgeschossen sind als Vierspänner organisiert, mit jeweils zwei 2 ½-Zimmer-Wohnungen und zwei 3 ½-Zimmer-­Wohnungen pro Regelgeschoss. Für Neubauwohnungen in der Preisklasse der Hardstrasse sind die Grundrisse der einzelnen Wohnungen erstaunlich kompakt. Ein Preis-Leistungs-Verhältnis von ca. 1700 Franken für eine 2 ½-Zimmer-Wohnung mit 53 m² ist für Basel verhältnismässig teuer; die 3 1/2-Zimmer-Wohnungen kosten 1900 Franken ohne Nebenkosten für 63 m². Die raumplanerische Ausgangslage führte hier zu einem ökonomischen und zonenrechtlichen Druck, der eine Reduktion des Flächenkonsums verlangte, die Miller &­­ Maranta architektonisch überzeugend umgesetzt haben. Die kompakt organisierten Wohnungen bieten dabei eine räumliche Vielfalt, die die Flächenreduktion wieder wettmachen.

Die Fassade als Spiegel der Geschichte

Die drei Neubaukuben verpackte das Planerteam bis zum Giebel in eine fein gewellte Haut aus Aluminium. Die Gebäudekubatur zeichnet die idealtypische Form eines Hauses nach, wohingegen die Fassade aus Aluminiumblech eine Reminiszenz an die hier früher ansässige Allgemeine Plakatgesellschaft und deren Plakatträger darstellt.

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Beim Materialtalk «fein gewellt» der Schweizer Baumuster-Centrale Zürich Mitte März 2022 gingen Planer von Miller & Maranta und Ausführende ins Detail. Sie schilderten Hintergründe und Erfahrungen im Umgang mit ondulierten Aluminiumhüllen beim Projekt Hardstrasse in Basel.

Optisch changieren die Gebäude je nach Wetter und Lichtstimmung von einer fast schwarzen Anmutung, die ihnen eine massive Präsenz im Parzellenraum gibt, bis hin zu einem hellen, fast schon transparenten Charakter, der sie ganz in den Hintergrund treten lässt.

Roher Innenausbau

Im Innern der Neubauten dominieren rohe Betonwände, Schalungstyp 2, eigentlich nicht für Sichtbeton vorgesehen. Man sieht dem Material seinen Herstellungs­prozess an, die Oberflächen sind ungleichmässig, Abplatzungen an allen Wänden der Wohnung sind möglicherweise nicht jedermanns Geschmack. Miller & ­Maranta schaffen optisches Gegengewicht an anderer Stelle: «Nur rotzig geht auch nicht, darum haben wir auf präzise Materialien und Details gesetzt», so Quintus Miller. Teil dieses Konzepts ist das sorgfältig ausgeführte Einbaumöbel in der Mitte der Wohnung. Es beinhaltet fast alle Funktionen, die eine Wohnung erfüllen muss: Einbauschrank, Küche, Waschmaschine, sogar ein Teil des Badezimmers ist integriert. Mithilfe des zentralen multifunktionalen Kubus schufen die Architekten einen Rundgang, der den Grundriss effizient strukturiert, unterschiedliche Nutzungszonen definiert und dadurch eine räumliche Vielfalt bietet. Die dunklen Parkettböden, die Aluminiumfenster und die Türen bilden in ihrer hochwertigen Verarbeitung einen starken Kontrast zum rohen Beton.

Wohnen auch im Erdgeschoss?

Auch bei den Wohnateliers in der ehemaligen Shedhalle setzen Miller & Maranta auf Minimalismus. Nur im hintersten Bereich schafft der Badezimmereinbau einen privaten Raum, der sich als Schlafzimmer anbietet.

Mehrere der Ateliers werden permanent bewohnt; die Bewohnenden schätzen den ebenerdigen und direkten Zugang zum Wohnraum. Auf private Vorgärten wurde bewusst verzichtet. Ein langer Weg aus Betonplatten führt durch das Areal, die Freiflächen sind mit Bäumen, Kiesrasen und Wildstaudenbeeten gestaltet. Dieser gemeinschaftlich genutzte grüne Aussenraum schafft eine Nachbarschaftlichkeit, in der man doch mehr Privatsphäre geniesst, als man an einer öffentlichen Strasse hätte. Auch die Bewohnenden bestätigen, dass die Atmosphäre auf dem Areal einen positiven Einfluss auf das Wohnen im Erdgeschoss hat.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 36/2022 «Nähe schaffen». Jetzt bestellen!

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