Daue­rhaft bes­chei­den

Bei der 2021 fertiggestellten denkmalpflegerischen Sanierung der Zürcher Alterssiedlung Espenhof Süd setzen Peter Moor Architekten auf die vorhandenen Werte der 1950er-Jahre. Die Zurückhaltung lässt die bestimmende Einfachheit in einem aktuellen Licht erscheinen.

Date de publication
23-06-2022

Lange Jahre lag die Alterssiedlung Espenhof im Zürcher Stadtteil Albisrieden im Dornröschenschlaf. Das kommt ihr heute zugute: Das schlüssige Erscheinungsbild der Anlage, die als Gründungssiedlung der Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW) zwischen 1950 und 1955 von den Architekten Ernst Egli und Edy Rudolf Knupfer erschaffen wurde, hat sich bis heute erhalten. Zugleich verkörpert es in seiner nahbaren und kleinteiligen Struktur wieder unsere heutigen Maximen des sorgsamen Umgangs mit Wohnfläche.

Während der nördliche Teil der Anlage abgerissen und mit verdichteten Bauten ersetzt wird, konnte das U-förmige Wohnhaus vom Espen­hof Süd denkmalgerecht in­standgesetzt werden. Dieser Bereich, der zwischen 1954 und 1955 gebaut wurde, liegt als leicht geöffnetes Rechteck um einen Hof und ist aussenseitig von einem breiten Grünstreifen gesäumt. Zur Strasse hin ist ihm ein pavillonartiger Gemeinschaftsbau vorgelagert, dessen expressive farbliche und materielle Kraft dem Gebäude eine eigene Identität verschafft.

Um den baulichen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, die zwar eine einigermassen übersichtliche und schwellenlose, aber keine durchgängig rollstuhlgerechte Erschliessung bietet, richtet die SAW das Wohn­angebot hier an teilweise mobile ältere Leute. Eine Wohnung der SAW kann bereits ab dem 60. Lebensjahr an­gefragt werden, und die Stiftung bietet gesundheitliche und soziale Dienstleistungen und Unterstützung nach Bedarf.

Seit der Entstehung fanden nur an den Küchen und Nasszellen Veränderungen statt, die mit den aktuellen Umbauten dem technischen Standard der Gegenwart entsprechend, aber unter Berücksichtigung der ursprünglichen Ar­chi­tek­tur­sprache saniert wurden. Ebenso sorgsam war der Umgang mit bestehenden Bauteilen wie dem Parkettboden oder den Fenstern, die nur überholt werden mussten. Energetische und brandschutztechnische Auflagen bildeten dabei die grösste Hürde. In Abwägung mit den denkmalpflegerischen Auflagen verzichtete man aber auf manchen Eingriff wie zum Beispiel die Dämmung der Backsteinaussenwände.

Eine grosse Erleichterung war die Entlastung von erdbebensichernden Massnahmen – durch die regelmässige Struktur der baulichen Gestalt ist der Bestand genügend belastbar. Dank diesen «Einsparungen» konnte man mehr Wert auf das Detail und den Innenausbau legen. Einbauten, die im Zusammenhang mit der technischen Erneuerung ausgetauscht werden mussten, fügen sich in die denkmalpflegerisch dokumentierte Fassung, ohne ihr Entstehungsjahr zu verleugnen. Interessant sind kleine Eingriffe, die in der Planung, nicht aber in der Ausführung von Gewicht sind und beeinträchtigten Personen die Orientierung erleichtern.

So sind zum Beispiel alle weis­sen Lichtschalter auf schwarzen Blenden montiert und auf diese Weise auch mit schwachen Augen zu finden. Ebenso ist der Bodenbelag der offenen Dusche in einem farb­lichen Kontrast zum restlichen Boden im Bad ausgeführt, damit das Gefälle nicht zur Stolperfalle wird. In den Küchen sind die Bereiche oberhalb der Schränke mit Blenden versehen, damit dort nichts abgestellt wird, was nur schwer zu er­reichen wäre.

Klein, aber klug

Die Standardgrösse der 53 Wohnungen beträgt nur 28 m2. Durch die kluge und daher unveränderte Grundrissgestaltung erscheint der Platz aber durchaus komfortabel, zumal der hofseitige Laubengang den privaten Raum optisch erweitert. Aus brandschutztechnischen Gründen dürfen die Bewohnenden hier zwar keine Möbel aufstellen, als Kommunikationsfläche spielt diese geschützte Raumschicht dennoch eine grosse Rolle.

Vom Laubengang gelangt man direkt in einen lichten Verteilerraum, der die Küche und den Essplatz aufnimmt. Seitlich ist ein schmaler Streifen für ein schwellenlos gestaltetes Duschbad abgezwackt. Seine Existenz und Lage geht auf die Eingriffe der 1980er-Jahre zurück – bis dahin gab es hier nur WCs und dazu ein Gemeinschaftsbad im Keller. Durch eine geschickte Leitungsführung reicht eine Trennwand von 12 cm zwischen den spiegelgleichen Bädern aus. Die knappen Bäder konnten dadurch neu organisiert werden und orientieren sich jetzt an den aktuellen Vorgaben altersgerechten Bauens, soweit das im geschützten Bestand umsetzbar ist.

Zur jeweiligen Aussenseite der Gebäudeflügel schliesst sich der Wohn- und Schlafraum an, sodass frische Luft und Tageslicht die Wohnungen durchströmen können. Die ursprünglich für ein Bett vorgesehenen Nischen sind zwar weiterhin so nutzbar, dienen aber ab und zu auch als Sofa­ecke, da heutige Betten breiter und höher sind. Die quadratische Raumform lässt die Möblierung offen. Ergänzend zu den bescheidenen Privaträumen können sich die Bewohnenden im umgebenden Grünraum, im Hof und im Pavillon begegnen.

Neben der Sanierung von Küchen und Bädern war ein weiterer Eingriff nötig, um Einschränkungen in der Benutzbarkeit für die Bewohnenden zu beheben. Dieser Mangel lag ausserhalb der eigentlichen Wohnungen und galt der Definition eines gemeinsamen Haupteingangs, an dem alle Briefkästen zusammengefasst sind und der nun die Orientierung verbessert. Eine deutliche Signaletik trägt die veränderte Zugänglichkeit nach aussen. Zugleich konnte dort auch durch das Zusammenlegen zweier Wohnungen ein neuer Lift integriert werden – der rabiat eingefügte Aufzug aus den 1980er-Jahren wurde zugunsten der ursprünglichen Fassadenordnung entfernt.

Kompakt, ästhetisch, vertraut

Insgesamt ist der rücksichtsvolle Umgang der Architekten und der Bauherrschaft mit dem Bestand zu loben. Der günstige Wohnraum für die ältere Mitbürgerschaft – die Miete einer subventionierten Wohnung beträgt rund 600 Fr. pro Monat – ist in Zürich rar, zumal in so städtischer Lage. Die Rückbesinnung auf eine kompakte und mit Aussenraum und Gemeinschaftsflächen ergänzte Wohnsituation ist aktueller denn je und kann auch auf andere Bewohnergruppen wie z. B. Singles übertragen werden, sollte sich die Nachfrage einmal ändern. Und abgesehen vom sinnvollen Respekt vor Ma­terialien, Farben und Oberflächen, die nebenbei das ästhetische Auge freuen, ist der Erhalt bewährter Strukturen und eines vertrauten Umfelds für ältere Menschen kostbar.

Alterssiedlung Espenhof Süd, Zürich

 

Bauherrschaft
Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW)


Architektur/Bauleitung
Peter Moor Architekten, Zürich


Tragkonstruktion
Ingenieurbureau Heierli, Zürich


HLS-Planung
Gruenberg + Partner, Zürich


Bauphysik
3-Plan Haustechnik, Winterthur


Elektroplanung
R + B engineering, Zürich


Landschaftsarchitektur
Ort für Landschaftsarchitektur, Zürich


Schutzstatus
Im Inventar der schützenswerten Bauten der Stadt Zürich


Planung und Ausführung
2017–2021

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