«Alle ak­tuel­len, bran­chen­re­le­vante The­men sind Teil der Re­vi­sion»

Seit dem Jahr 2019 beschäftigt sich der Schweizerische Architekten- und Ingenieurverein (SIA) intensiv mit der Schaffung von zukunftsfähigen Leistungs- und Honorarordnungen (LHO). Wie steht es aktuell um das bedeutende Revisionsvorhaben?

Date de publication
31-01-2022

Nachdem der Wegfall der Zeitaufwandformel in den LHO im Jahr 2019 den SIA nicht nur intern stark beschäftigte, sondern auch eine prioritäre Stellung in dessen Kommunikation nach aussen einnahm, ist es in den vergangenen beiden Jahren vergleichsweise still geworden um dieses Thema. Eine Nachfrage zum aktuellen Stand des Revisionsvorhabens scheint also berechtigt. Im Gespräch mit TEC21 geben der SIA-Geschäftsführer Christoph Starck und die Leiterin des Fachbereichs Ordnungen, Isabella Mambretti, Auskunft.


TEC21: Welchen Stellenwert hat Revision der LHO aktuell beim SIA?

Christoph Starck: Einen unverändert hohen: Die LHO waren schon immer und sind nach wie vor ein bedeutender Teil unserer DNA und eine wichtige Arbeitsgrundlage für unsere Mitglieder. Die Revision ist ein Grossprojekt, das wir zunächst entsprechend formieren mussten und das seither mit grossem Einsatz in den zuständigen Kommissionen vorangetrieben wird.

Isabella Mambretti: Es gab bereits Mitte 2020 ein Projekthandbuch für den Revisionsprozess, in dem die Ziele, die Organisation und die Termine für das Projekt definiert waren. Dieses Dokument ist der wesentliche Leitfaden für die Revision. Es entstand mit dem Beschluss zur Durchführung einer ordentlichen Revision im Jahr 2019 und wurde seither mit wenigen Änderungen laufend aktualisiert. Neben dem Prozess bildet es auch die thematischen Schwerpunkte der Revision ab – alle aktuellen, branchenrelevante Themen sind Teil davon. Den Prozess selbst haben wir allerdings neu organisiert und etappiert. In einer ersten Etappe werden wir demnach die betroffenen Ordnungen inhaltlich nachführen und uns dann in einer zweiten Etappe Gedanken über neue Anwendungsformen machen.

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Wie kam es dazu?

Starck: Die ursprüngliche Projektdefinition gemäss Projekthandbuch umfasste eine Vielzahl an Themen, die sechs unterschiedlichen Arbeitsgruppen zugeteilt waren. Im Verlauf des Prozesses zeigten sich grosse Herausforderungen bei der Koordination der Arbeiten und der Ergebnissynthese. Die Inhalte der Leistungen nachzuführen und zu aktualisieren und gleichzeitig die Flexibilisierung und Modularisierung des Phasenmodells einzuführen hat sich als zu komplex herausgestellt. Nun gehen wir einen pragmatischeren Weg, indem wir unsere Aufgaben in Etappen erledigen.

Mambretti: Die Vielfalt an Themen wie z.B. die Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder Baukultur führte uns zunächst zu einer themenfokussierten Organisation und einer seriellen Bearbeitung mit hohem Bedarf an Schnittstellenbewirtschaftung. Die einst gesetzten Themenschwerpunkte bleiben zwar bestehen, die einzelnen Arbeitsgruppen sollen sich nun aber zunächst auf die Revision, d.h. Aktualisierung und Ergänzung der Allgemeinen Bestimmungen und der Leistungen nach dem bisherigen Modell konzentrieren. Die Auseinandersetzung mit möglichen neuen Formen der Anwendung und der direkten Umsetzung von vereinbarten Leistungen in Verträgen findet zeitversetzt und losgelöst statt. Kurzum werden wir also weiterhin an der etablierten Form der Ordnungen festhalten und sie zuerst inhaltlich an den Stand der Technik anpassen.


Was geschieht mit den Honorarkalkulationshilfen – wird es dafür einen Ersatz geben?

Mambretti: Die Revision der LHO und die Findung einer Ersatzlösung für die Honorarkalkulationshilfen sind zwei verschiedene, parallel laufende Projekte mit unterschiedlichen Projektorganisationen. Zusammen mit Christoph Starck besetze ich den Steuerungssauschuss des Revisionsprojekts. Das Parallelprojekt findet unter anderer Führung statt.

Starck: Auch wenn ich selbst jenes Projekt nicht leite, kann ich gern darüber informieren. Wie bereits bekannt ist, werden die LHO künftig keine Honorarkalkulationshilfen mehr enthalten. Zusammen mit der ETH Zürich arbeiten wir an einer Applikation, die sich «Value App» nennt. Grob zusammengefasst handelt es sich um ein Input-Output-Modell, das mithilfe von büro-, projekt- und leistungsspezifischen Eingabeparametern als Output eine Basis für die Offertstellung bietet. Die Applikation ist sehr anwendungsfreundlich und kann zudem für den Dialog mit dem Auftraggeber verwendet werden. Sie befindet sich allerdings noch in Entwicklung; ab Anfangs 2022 läuft eine Testphase als Anwendung für Architektinnen. Unser Ziel ist, die App aufgrund der in der Testphase gemachten Erfahrungen zu überarbeiten, sie anschliessend zur Nutzung im Anwendungsbereich der SIA 102 freizugeben und anschliessend für weitere Disziplinen (Bauingenieurwesen, Landschaftsarchitektur und Gebäudetechnik) weiterzuentwickeln.

Wie sieht der weitere Zeitplan der LHO-Revision aus?

Mambretti: Die zwei erwähnten Etappen des Revisionsprozesses sind in gesamthaft vier Teilschritte unterteilt. Der erste Teilschritt umfasst die bereits erwähnte Überarbeitung, Strukturierung und Harmonisierung der Allgemeinen Bestimmungen und Leistungen. Im zweiten Teilschritt werden die Änderungen in den Ordnungen nachgeführt und ins Gesamtordnungswerk überführt. Diese beiden Schritte entsprechen quasi einer Basisrevision. Der dritte Teilschritt befasst sich dann mit Fragen rund um mögliche, neue Anwendungsformen – z.B. eine Flexibilisierung oder Modularisierung der LHO – und der vierte Teilschritt mit der Einbettung ins Vertragswesen.
Unser Zeitplan sieht vor, dass die Ergebnisse der ersten beiden Teilschritte bis Mitte 2022 entwurfsweise vorliegen. Nach Konsolidierung und Integration dieser Ergebnisse soll etwa in einem Jahr der Vernehmlassungsprozess mit der SIA-internen Vorvernehmlassung starten. Im Frühjahr 2022 starten zudem die Arbeiten des dritten und vierten Teilschritts. An der Delegiertenversammlung 2024 sollen dann schliesslich die vernehmlassungsbereinigten Dokumente der Basisrevision und erste Ergebnisse aus den übrigen Teilschritten genehmigt werden.

Starck: Mir scheint wichtig, dass insbesondere die Basisrevision möglichst zeitnah erfolgen kann. Wir haben da noch viel zu tun bezüglich Aktualisierung, Harmonisierung und Strukturierung. Mit dem vorliegenden Zeitplan setzen wir uns dazu realistische Ziele. Man muss sich immer bewusst sein, dass die zuständigen Kommissionen im Milizsystem arbeiten und daher die Ressourcen beschränkt sind. Nichtsdestotrotz sind alle Kommissionsmitglieder sehr engagiert und tragen dazu bei, dass wir gut vorankommen.
Die Themen der dritten und vierten Etappe umfassen Aufgaben, die teilweise noch nicht abschliessend definiert sind, für die es noch keinen etablierten Stand der Technik gibt und Fragen, die wir unter Umständen nicht von heute auf morgen klären können. Demnach ist aus heutiger Sicht noch offen, wie die ersten Ergebnisse aus diesen Arbeiten aussehen sollen und werden.

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