Bauen mit Bretts­per­rholz

Die neue Publikation von Lignum führt Ingenieure und Architekten in die Brettsperrholzbauweise ein und fokussiert dabei auf die Angebotspalette hiesiger Hersteller.

Date de publication
06-10-2020

Was haben die beiden Überbauungen «Dalston Lane» im Londoner Stadtteil Hackney und «Via Cenni» in Mailand gemeinsam? Es handelt sich bei beiden um hohe Holz-Wohnbauten im urbanen Raum. Auch die Grössenordnung ist vergleichbar: Beide beherbergen um die 120 Wohnungen. Und noch etwas haben die beiden Projekte gemeinsam: Sie sind aus Brettsperrholz entstanden, einem Newcomer der Werkstoffentwicklung, der in der Schweiz noch relativ selten in Erscheinung tritt.

Dienstleister mit breiten Schultern

Brettsperrholz besteht aus mindestens drei Lagen Schnittholz, die rechtwinklig zueinander verklebt sind. In der Regel wird Nadelholz dafür verwendet: Fichte und Tanne, aber auch Föhre oder Douglasie. Aus Schweizer Werken kommen je nach Hersteller Brettsperrholzplatten mit einer maximalen Elementbreite von 3.4 m und von bis zu 14 m Länge. Die Dicke geht von 6 cm bis zu 40 cm. Durch die kreuzweise Anordnung der Lagen trägt das Material in zwei Richtungen.

Durch die Verbindung solcher Elemente entstehen kastenförmige Raumtragwerke für leistungsfähige Tragstrukturen – auch solche, die in anderen Holzbauweisen kaum bewältigbar wären. Damit führt das Brettsperrholz den Holzbau an Objekte heran, die bis jetzt nur in Beton und Stahl möglich waren, wie grosse und hohe Wohn- oder Bürogebäude, Gewerbebauten oder auch Brücken.

Aufgekommen ist das Material in den 1990er-Jahren, und zwar etwa gleichzeitig in Deutschland und Österreich, wo viel in seine Entwicklung investiert wurde. Ab der Jahrtausendwende öffnete Brettsperrholz dem Baustoff Holz die Tür an vielen Orten auf dem Globus, besonders dort, wo es noch keine hochentwickelte Holzbaukultur gab. Denn die Brettsperrholzbauweise ist in der Planung und auf der Baustelle sehr einfach zu handhaben.

Ein wetterfester Rohbau ist schnell erstellt, weil Tragwerk und Hülle aus grossflächigen, vorgefertigten Elementen entstehen, aus denen Öffnungen für Fenster und Türen einfach ausgeschnitten werden – bereits bei der Fertigung der Elemente im Werk oder auf der Baustelle. Vorgegebene Raster sind bei der Brettsperrholzbauweise nicht einzuhalten. Und Begrenzungen der Bauteile ergeben sich lediglich aus den Produktions- und Transportmassen.

Die Anforderungen an Statik, Brandschutz und Bauphysik sind mit Brettsperrholz oft einfacher zu erfüllen als in anderen Konstruktionsweisen mit Holz. Das luftdicht verbaute Material schwindet und quillt mit seinen kreuzweisen Lagen kaum, und seine Masse hilft gegen Überhitzung und Schallübertragung.

England als Vorreiter

Auch in der Schweiz lief ab den 1990er-Jahren die Produktion von Brettsperrholz an – zwar mit steigender Tendenz, doch in viel kleinerem Massstab als in Deutschland und Österreich. Und auch im Bauwesen hat es das Material bei uns noch schwer. Zwar wird es für Teile von Bauten – Decken oder Wände – gewählt. Doch komplett in Brettsperrholzbauweise erstellte Gebäude sind in der Schweiz nach wie vor rar, vor allem solche im grösseren Massstab.

«Die Brettsperrholzbauweise hat in der Schweiz tatsächlich Mühe, sich zu etablieren», sagt Andrea Bernasconi. Der Bauingenieur, der an der Haute école spécialisée de Suisse occidentale HES-SO lehrt und im Tessin ein eigenes Büro führt, hat nicht nur in seinem Heimatkanton Bauten vom Einfamilienhaus bis zum mehrgeschossigen Mehrfamilienhaus mit Brettsperrholz realisiert, sondern er kann die hiesige Resonanz auf das Material auch mit dem Ausland vergleichen, wo er ebenfalls damit arbeitet.

In Mailand hat Bernasconis Büro die eingangs erwähnte Überbauung «Via Cenni» geplant, die 2013 fertiggestellt wurde. Sie umfasst vier neungeschossige Türme, die untereinander durch zweigeschossige Gebäude verbunden sind. Das Ensemble verwendet das Material nicht nur für die tragende Konstruktion, sondern auch konsequent für Treppenhäuser, Treppenläufe und Aufzugsschächte.

«Das Bauen mit Brettsperrholz hat einen entscheidenden Vorteil, sagt Bernasconi. «Wenn Planer auch im Holzbau in Flächen denken können – und das geht eben mit Brettsperrholz –, bietet sich die Chance, sich auch bei anspruchsvollen Projekten gegenüber konkurrierenden mineralischen Bauweisen zu behaupten.»

Lignum-Einführung für Bauplaner

Das neue Lignatec-Ausgabe ‹Brettsperrholz aus Schweizer Produktion› vermittelt die Grundlagen der Bauweise anhand von Bemessungstabellen, einfachen Rechenbeispielen und konstruktiven Lösungen. Angesichts des Trends zu einheitlichen Querschnittsaufbauten haben sich die als Industriepartner an der Publikation mitwirkenden Schweizer Anbieter auf Standardquerschnitte und Standardlamellendicken geeinigt. So werden produktübergreifende Vordimensionierungshilfen möglich, die im Heft wiedergegeben werden.

Angaben zur Publikation

Gerhard Gyselet al.: Brettsperrholz aus Schweizer Produktion. ­Lignatec 32/2020, Lignum. 72 Seiten, A4, Fr. 35.–

 

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