Spitä­ler in der Schweiz - zu viele oder zu we­nig Bet­ten?

Kommentar

Aus aktuellem Anlass: ein Kommentar von Dr. Sylvia Blezinger, Inhaberin von Blezinger Healthcare Weggis und Autorin in TEC21 7/2020 «Gesundheitsbauten in der Schweiz».

Date de publication
06-04-2020

Zurzeit fehlen Betten, es fehlt Material, es fehlt Personal. Von den Medien gab es in letzter Zeit Kritik an den Spitälern. Sollen wir in Zukunft die Spitäler wieder grösser bauen? Dauerhaft mehr Personal einstellen? Riesige Materiallager für den Notfall einrichten? Medizintechnik und Betten hamstern? Natürlich nicht.

Spitalbetten in ausreichender Menge für alle Eventualitäten bereitzuhalten ist nicht nur extrem teuer, sondern auch wenig sinnvoll. Eine zukunftsfähige und intelligente Infrastruktur mit den richtigen Prozessen ist die Grundlage dafür, dass wenige Betten im Normalbetrieb ausreichen und eine Spitze im Notfall dennoch abgefangen werden kann.

Das aktuelle Beispiel Covid-19 zeigt es. Personen, die befürchten, infiziert zu sein, kommen ungefiltert zur Notaufnahme des Spitals, die dadurch überlastet ist. Eine ausreichend grosse, auf eine Pandemie ausgelegte Notfallstation wäre dagegen jahrelang überdimensioniert, bevor die Kapazität benötigt würde.

Warum also nicht eine strukturierte Triage vor die Notaufnahme, vor das Spital verlegen? In Dänemark wird dies bereits seit einigen Jahren praktiziert. Dort ist eine vorgängige Anmeldung (telefonisch oder elektronisch) verpflichtend. Die Triage, also die Zuweisung zum richtigen Ort, findet zu einem frühen Zeitpunkt statt und entlastet die Notaufnahmen. Zudem verringert sich die Gefahr, dass sich die Patientinnen gegenseitig anstecken.

In diesem Zusammenhang ist eine Begriffsdefinition wichtig: Die Presse berichtete in letzter Zeit oft von der Triage als der «Auswahl zwischen Leben retten oder einfach sterben lassen». Das ist missverständlich. Unter dem Begriff Triage sind im Spital sämtliche Sektoren zusammengefasst, in denen die Erstbehandlung stattfindet. Je nach Eintrittsgrund, Schwere der Erkrankung oder Verletzung werden Patientinnen und Patienten den unterschiedlichen Sektoren zugeteilt.

Stationen für Gruppenisolation, sogenannte Kohortenisolationsstationen, gibt es wegen der multiresistenten Keime in den meisten Spitälern. Mit relativ wenig Aufwand können auch die Normalstationen so geplant werden, dass man sie quasi «auf Knopfdruck» zu Isolierstationen machen kann. Auch hier gilt wieder: Die entsprechenden Prozesse müssen ebenfalls «auf Knopfdruck» geändert werden können. So können die Patientinnen bei gleicher Infrastruktur in der kurzfristig eingerichteten Kohortenisolierstation betreut werden.

Im Idealfall gibt es viele dezentrale Triagezentren als erste Anlaufpunkte. Nur die Patientinnen, die intensive Versorgung benötigen, werden in ein Spital verwiesen. Andere Patienten könnten künftig mit der entsprechenden (digitalen) Infrastruktur auch daheim überwacht werden, wodurch zugleich die Infektionsgefahr verringert würde.

Covid-19 ist die «Generalprobe». Es ist eine Chance, sich jetzt auf die «Premiere» mit einem gefährlicheren Virus vorzubereiten – damit diese nicht zur «Dernière» wird.

Hinweis
Im Herbst (22.–24. Oktober 2020) findet in Luzern die Konferenz «Das Spital der Zukunft» der Blezinger Healthcare zum Thema Spitalplanung und -bau statt. Dort werden die Erfahrungen mit Covid-19 ausführlich thematisiert.

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