VBZ-Tram­de­pot Eli­sa­be­thens­trasse: Fas­sade un­ter Span­nung

Jede Zürcherin und jeder Zürcher kennt die lang gezogene Glasfront des Tramdepots am Bahnhof Wiedikon. Den wenigsten ist bewusst, welche Sanierungsmassnahmen hier nach 70 Jahren erforderlich waren. Wie gingen die Architekten vor, um Energieeffizienz, Denkmalpflege und laufenden Betrieb unter einen Hut zu bringen?

Date de publication
14-11-2019

Seit Ende der 1940er-Jahre prägt das Tramdepot Elisabethenstrasse das Quartier um den Bahnhof Wiedikon. Architekt dieses «wichtigen Baudenkmals der Stadt Zürich», wie es Stefan Gasser von der städtischen Denkmalpflege bezeichnet, war Hermann Herter (1877–1945). Herter amtete von 1919 bis 1942 als Stadtbaumeister und zeichnete in dieser Zeit für zahlreiche bedeutende Bauwerke wie die weit ausladenden Tramdächer am Bellevue oder das Hallenbad City (TEC21 7–8/2013) ­verantwortlich.

Das Tramdepot Elisabethenstrasse (1939–1949) gilt mit seinem schnörkellosen, fast ab­strakt technischen Baustil mit vorgehängter Glasfassa­de, sechs einstöckigen Oberlichtern und einer zwei­­­stö­ckigen durchbrechenden Dachstruktur als Vollendung von Herters Schaffen im Sinn des Neuen Bauens. Die 230 m lange Fassade besteht aus knapp 1100 Fens­ter­feldern, die in einer Pfosten-Riegel-Konstruktion verbaut sind. Das Tramdepot ist im Inventar der kunst- und kulturhistorischen Schutzobjekte der Stadt Zürich ­aufgeführt.

Schon seit einigen Jahren war klar, dass das Tramdepot nach sieben Jahrzehnten ohne gesamthafte Sanierung in verschiedenen Bereichen eine Erneuerung benötigte. Die Halle entsprach etwa beim Brandschutz, bei der Statik, der Erdbebenertüchtigung und der Gebäudetechnik nicht mehr den heutigen Anforderungen. Für die geplante Instandsetzung schrieb die Stadt Zürich 2011 ein zweistufiges Präqualifikationsverfahren aus.

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Zentrale Punkte der Gesamtinstandsetzung bestanden darin, das Gebäude energieeffizienter zu machen und die baulichen wie technischen Mängel zu beheben – stets unter der Prämisse, die äussere, denkmalgeschützte Fassade nicht zu verändern. Zudem galt es, den Brandschutz den heutigen Anforderungen anzupassen. Ernst & Humbel Architekten aus Zürich setzten sich mit ihrem Vorschlag durch, dem historischen Gebäude eine Art «zweite Haut» in Form einer zusätzlichen inneren Schicht zu verpassen.

Da der Betrieb während der Sanierung weiterlaufen musste, war eine besonders detaillierte Planung der einzelnen Bauetappen nötig. Dazu teilten die Planer den Grundriss des Tramdepots in 15 Felder ein und konzipierten für jedes Feld das genaue Vorgehen. So konnte während der Hauptnutzungszeit – morgens bis 8 Uhr und abends ab 17 Uhr – im Depot nicht gearbeitet werden, weil dann im Gebäude zu viel Verkehr herrscht.

Da für die Bauarbeiten jeweils die Fahrleitungen im entsprechenden Bereich abgeschaltet werden mussten, waren Mehrfahrten für die Trams unumgänglich. ­Zudem mussten die Fahrleitungen mit speziellen Sicherheitsnetzen geschützt werden, und bei der Dachsanierung war die Installation eines Notdachs erforder­lich, das sich mit der Etappierung verschieben liess.

Historisch, aber verschwenderisch

In ihrer ursprünglichen Form hatte die Gebäudehülle weder über einen winterlichen Kälte- noch über einen sommerlichen Wärmeschutz verfügt. «In der kalten Jahreszeit bestand ein grosser Heizwärmebedarf, um die Wärmeverluste über die Fassade und das Dach zu kompensieren», erläutert Patrick Schmid, der zuständige Projektleiter von Ernst & Humbel Architekten. «Im ­Sommer dagegen wurde es wegen der ungehinderten Sonnen­einstrahlung durch die grossflächige Glasfassade im Innern viel zu heiss.»

Bei der Planung der Umbaumassnahmen orientierten sich die Verantwortlichen an den gesetzlichen Vorgaben, der kantonalen Zielvereinbarung zur Energieeffizienz und den 2000-Watt-Zielen der Stadt Zürich. Die bestehenden Bauteile erhielten eine Wärmedämmung, beim Umbau griff man auf gesundheitlich unbedenkliche Baustoffe zurück, und künftig kommen erneuerbare Energien zum Einsatz.

Die historische Verglasung mit ihren prägenden gezogenen Gläsern durch eine moderne, energieeffiziente Glasfront zu ersetzen kam aus denkmalpflegerischen Überlegungen nicht in Betracht. Projektleiter Schmid ergänzt: «Auch aus energetischer Sicht wäre dieser Ansatz nicht zielführend gewesen, denn aufgrund des Gewichts kam eine Dreifach-Isolierverglasung für die bestehende fili­grane Fassadenkonstruktion nicht infrage, man hätte nur eine Zweifachverglasung einsetzen können. Doch das hätte den Heizenergiebedarf im Winter nur un­zu­reichend reduziert.»

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 46/2019 «Vollverglast: im Zwiespalt mit der Sonne».

Am Bau Beteiligte

Bauherrschaft
Stadt Zürich

Eigentümervertretung
Verkehrsbetriebe Zürich


Bauherrenvertretung
Amt für Hochbauten


Architektur
Ernst & Humbel, ­Architekten, Zürich


Bauleitung
ARGE mit MMT Bauleiter und Architekten, Winterthur


Fassadenplanung
Atelier P3, Zürich


Statik, Konstruktion
Ingenieurbureau Heierli, Zürich


HLKS-Planung
Getec Zürich, Zürich


Schadstoffbeseitigung
Gebäudediagnostik Schmid, Zürich

Bauphysik
Zehnder & Kälin, ­Winterthur


Brandschutz
Amstein & Walthert, Zürich


Mess-, Steuer-, Regel- und Leittechnik
Maneth Stiefel, Zürich


Photovoltaikplanung
Basler & Hofmann, Zürich


Kosten BKP 1–5
ca. 30 Mio. Fr.

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