Und doch so nah

Die Galerie Archizoom der EPF Lausanne zeigt bis Anfang Dezember eine Auswahl von Bauwerken des Architekten Kashef Mahboob Chowdhury. Den klimatisch extremen Bedingungen in seiner Heimat Bangladesch ­begegnet er mit radikal einfachen Entwürfen.

Date de publication
13-11-2019

Die Landschaft von Bangla­desch ist geprägt vom Flussdelta des Ganges. Immer wieder erlebt die dicht besiedelte Region Überschwemmungen und Wirbelstürme, die Landschaft befindet sich im stetigen Wandel. Vor diesem Hintergrund wirken die Gebäude von Kashef Chowdhurys Architekturbüro Urbana kompromisslos beständig, mit klarer Geometrie erdacht, aus lokalen Materialien und nahe den traditionellen Bauweisen realisiert.

Oft sind es Variationen der Typologie des Bungalows, einer gemäss Chowdhury in tropischen Klimazonen bewährten Bauform, erstellt aus Ziegeln für eine handwerklich geprägte Architektur. Diese scheinbare Einfachheit reagiert jedoch auf aktuelle soziale und ökologische Fragen. Die Architektur wird damit zum Ort der Sicherung moderner und würdiger Lebensräume für einen Teil der Bevölkerung, der ansonsten am Rand der Gesellschaft zu überleben versucht.

Auf den ersten Blick scheinen die Gebäude – wie die sturm­sichere Schule bei Kuakate oder das erhöhte Dorf am Brahmaputra-­Fluss – direkt aus dem lokalen Kontext von Bangladesch zu stammen. Doch bei näherer Betrachtung schlägt die Architektur eine räum­liche und zeitliche Brücke zwischen Ost und West, zwischen Vergangenheit und Gegenwart und findet dank dem sublimen Umgang mit Licht, Raum und Materialität zu einem eigenen Ausdruck.

Die Projekte wirken räumlich und architektonisch unmittelbar und zeugen vom klaren gesellschaftlichen Engagement des Büros. Chowdhurys Architektur setzt sich sorgfältig und kreativ mit drängenden Themen wie der demografischen Entwicklung, dem Klimawandel, der Migration und auch dem gegebenen ländlichen Potenzial auseinander. Die Projekte sind umsichtig aus den Gegebenheiten der weltweit grössten Deltaregion entwickelt. Die Arbeiten von Urbana finden so zu einer internationalen Dimension, die viele Themen berührt, die uns bisher fern erschienen.

Sinnliche Inszenierung

Die Ausstellung spiegelt im ersten Raum mit einer detailreichen In­stallation auf zwei langen Tischreihen und darauf ausgelegten Skizzen und Studienmodellen die Arbeitsweise des Büros. Mit Alltagsgeräuschen unterlegte Filmsequenzen vermitteln einen Eindruck des Lebens in Bangladesch, einem der am dichtesten besiedelten Staaten mit rund 165 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern. Im anschliessenden Haupt­raum sind 13 Projekte mit Plänen, Fotografien und sparsamen Texten auf roten Kiesflächen am Boden ausgelegt.

Darüber schweben die grossen, informativen Modelle. Die Schau kommt ohne trennende Elemente aus: Die Projekte stehen im Dialog miteinander, und Besucher flanieren zwischen den Kies­inseln, um immer wieder neue Zusammenhänge zu entdecken.

Die Architektur muss der Kraft des Wassers, das in diesem Teil der Welt ebenso unersetzlich wie furchteinflössend ist, standhalten. Urbana hat eine Architektursprache entwickelt, die sich dieser Herausforderung mit robuster Schlichtheit stellt und mit der üppigen Landschaft harmoniert.

Kashef Chowdhury


Kashef Mahboob Chowdhury wurde in Dhaka, Bangladesch, als Sohn eines Bauingenieurs geboren und wuchs in Bangladesch und im Nahen Osten auf, bevor er 1995 an der Bangladesh University of Engineering and Technology (BUET) seinen Abschluss in Architektur machte. Nach einer Zusammenarbeit mit dem Architekten Uttam Kumar Saha gründete er 1995 das Büro Urbana.


Die Arbeiten von Kashef Chow­­d­hury wurzeln in der Geschichte der Region, ihrem Klima und den verfügbaren Materialien. Der Entwicklung seiner Projekte räumt Chowdhury viel Zeit ein, um ein hohes Mass an Innovation und Originalität zu erreichen. Die Arbeiten umfassen kostengünstige Siedlungen, Schulbauten, Moscheen, Kunstgalerien und Museen, Wohnhäuser, Mehrfamilienhäuser und Büro­­bauten.


Chowdhury war Gastdozent an der North South University und der BRAC University, beide in ­Dhaka. Er war zweimal Finalist beim Aga Khan Award for Architecture und gewann den ersten Preis beim AR + D Emerging Architecture Award 2012.

Ausstellung «Far away so close»

Die Schau ist noch bis zum 7. Dezem­ber 2019 im Ausstellungsraum Archizoom der EPFL zu sehen.
Weitere Infos: www.epfl.ch

Weiterführende Literatur

Eine Buchrezension zu einem Werk von Kashef Chowdhury, dem 2011 fertiggestellten «Friendship Centre» in Gai­bandha, finden Sie hier.

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