Di­gi­tale Me­dien – Dro­hung und Chance?

Noch ist das Bauen nicht im gleichen Masse digitalisiert wie andere Lebensbereiche. Was kommt auf die Planerinnen und Planer zu? Eine Veranstaltung im Stilhaus in Rothrist suchte nach Antworten.

Date de publication
03-04-2017
Revision
04-04-2017

Die Digitalisierung weckt Hoffnungen, sie verunsichert aber auch. Bereits jetzt prägt sie unseren Alltag, in der Freizeit wie bei der Arbeit. Es ist absehbar, dass sie noch weitere einschneidende Folgen haben wird, die das Rollenverständnis vieler Baufachleute erschüttern dürfte.

Wer wird in Zukunft ein Projekt leiten, die Planerin oder der IT-Koordinator? Wer bestimmt, wann welche Entscheidung zu fällen ist? Werden sich die Planungs-,  Ausführungs- und Betriebsphasen verschieben, wie werden sie zusammenhängen? Wenn ein Bauwerk über seine ganze Lebensphase – vom Projekt über den Betrieb bis zum Rückbau – als Datenmodell aufgebaut ist, wer ist dafür zuständig? Wessen geistiges Eigentum ist ein digitalisierter Entwurf, an dem verschiedene Spezialisten zeitgleich mitgewirkt haben? Wie ist die Verantwortung geregelt?

Diese Fragen wecken Ängste – und sie polarisieren. Das war auch an der Veranstaltung spürbar, die am 31. März im Stilhaus in Rothrist AG im Rahmen der Bautage stattgefunden hat. Drei Referenten, die jeweils ganz unterschiedliche Positionen vertraten, legten diese in Vorträgen und einer angeregten Podiumsdiskussion dar.

Paul Curschellas, Mitbegründer von buildingSMART Schweiz und Bauen Digital Schweiz sowie Mitglied der Kommission für Informatik des SIA, vertrat eine pragmatische Position. Er liess keinen Zweifel daran, dass die Digitalisierung das Bauen komplett umkrempeln würde. «Wer stehen bleibt, verliert», war das Credo seiner Ausführungen – wobei er dies nicht als Drohung verstanden wissen will, sondern als Aufruf, die Chancen zu nutzen, die die neuen Werkzeuge bieten: mehr Effizienz, eine bessere Organisationsstruktur, weniger Fehler und letztlich die Möglichkeit für die Planenden, sich auf wesentliche Fragen zu konzentrieren.

Auf ihn folgte Valentin Spiess, Inhaber der Firma iart, ein Ingenieurbüro mit einem interdisziplinären Team, das auf die Konzeption, Planung und Umsetzung von medialen Lösungen für Ausstellungen, Museen, Architekturprojekte und Aussenräume spezialisiert ist. Sein Referat «Die Inszenierung des physischen Raums mit digitalen Medien» war den kreativen Höhenflügen gewidmet, die digitale Medien – richtig angewendet – ermöglichen können. Die Beispiele, die er zeigte, waren äusserst inspirierend; besonders eindrücklich war die kinetische Fassade des MegaFaces-Pavillons an den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi, die die Gesichter der Besucher laufend dreidimensional nachbildet.

Benedikt Loderer, ehemaliger Chefredaktor von «Hochparterre», setzte diesen optimistischen, affirmativen Ausführungen einen dezidiert kritischen Standpunkt entgegen. Wie die mittelalterlichen Könige, die nicht schreiben konnten und den gebildeten Mönchen ausgeliefert waren, so geraten die heutigen Architektinnen und Architekten in eine Abhängigkeit von den neuen «Schreibkundigen»: Die IT-Spezialisten seien heute diejenigen, die eine wahre Hoheit über das Projekt hätten. Und sie würden – vielleicht unbewusst, vielleicht ohne zu hinterfragen – einer riesigen Konsum- und Kontrollindustrie in die Hände spielen, die die gesammelten Daten nach Gutdünken verwenden könne.

Die anschliessende Podiumsdiskussion machte klar, dass das Thema die Branche weiterhin beschäftigen wird. Denn ein Werkzeug ist nur so gut, wie es angewendet wird; es ist also an den Planenden, dafür zu sorgen, dass die digitale Technologie im Sinn der Baukultur eingesetzt wird. Was keine einfache Aufgabe ist – selbst wenn sich alle ihrer Verantwortung bewusst wären.
 

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